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USA: Was Donald Trump macht, ist erstmals völlig egal


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Zeitenwende in den USA
Was Trump macht, ist erstmals völlig egal

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

22.01.2021Lesedauer: 5 Min.
Ex-Präsident Donald Trump: Nach seinem Abschied aus Washington ist er zu seinem Domizil Mar-a-Lago in Florida gereist.Vergrößern des Bildes
Ex-Präsident Donald Trump: Nach seinem Abschied aus Washington ist er zu seinem Domizil Mar-a-Lago in Florida gereist. (Quelle: Manuel Balce Ceneta/ap)

Ist das schon das Happy End? Nach dem Abgang von Donald Trump atmet Washington auf. Dabei weiß noch niemand, ob seine Anhänger in die Realität zurückkehren.

Joe Biden ist Präsident im Weißen Haus, Donald Trump Polit-Rentner in Florida, und in Washington ist eine neue Zeit angebrochen.

Corona und die Angst vor einem neuen Trump-Mob machten diese Zeitenwende einsamer und leiser, als es Amerika nach diesen vier Jahren eigentlich verdient hätte.

Die Amtseinführung am Kapitol selbst wurde fast schon zum intimen Ereignis, wenn auch bewacht von Zehntausenden Sicherheitskräften und live in alle Welt übertragen. Denn vor Ort waren nur wenige hundert Staatsvertreter, Ehrengäste und Angehörige versammelt, plus Militärband, Secret Service und Journalisten, auf Klappstühlen in Corona-konformem Abstand. Ich hatte das große Glück, dabei zu sein.

Eines muss ich bei aller journalistischer Distanz loswerden: Die Amtseinführung des 46. Präsidenten war einfach ein wundervolles Erlebnis. Denn sie war tatsächlich, auch wenn das nach einer hohlen Phrase klingt, eine Feier der Demokratie.

Es war ein so unwirkliches wie schönes Gefühl, genau an jener Stelle zu sitzen, von wo aus zwei Wochen zuvor der Mob zum Sturm aufs Kapitol angesetzt hatte – angestachelt vom Wahlverlierer, mit der klaren Mission, den Mehrheitswillen zu brechen. Dass genau hier der Wahlsieger gekrönt wurde, wirkte wie ein später, hart erkämpfter Triumph.

Am Kapitol schneite es zwischendurch, von Nordwest peitschte ein eisiger Wind an die Bühne, doch auch das nahm der Zeremonie nicht ihren Zauber. Die amerikanische Demokratie, so heftig unter Beschuss, glänzte an ihrem schönsten Ort mit ihrem strahlenden Ritual: der ganz am Ende doch noch friedlichen Machtübergabe. Und oben stand ein Präsident, der den historischen Moment zu greifen verstand. Er sprach von der zerbrechlichen Demokratie und davon, dass sie sich in diesem Moment behauptet hatte. Joe Biden redete nichts schön.

Ich werde diesen kalten Mittwoch am Kapitol nicht so schnell vergessen. Vor Ort herrschte, bevor die TV-Sender weltweit live dabei waren, eine Stimmung wie bei einem Klassentreffen. Während oben auf der Bühne die wichtigsten Repräsentanten saßen, waren unten direkt die Zweitwichtigsten und die Noch-nicht-Wichtigen versammelt: Abgeordnete aus dem Repräsentantenhaus, Senatoren, die erst am Nachmittag eingeschworen werden sollten, Bidens Minister, die auf ihre Bestätigung warten. Es herrschte eine gelöste Atmosphäre, man plauderte, machte Selfies.

Ich sprach mit vielen Gästen und jeder von ihnen äußerte Hoffnung auf bessere Zeiten. Abigail Spanberger, eine Demokratin aus Virginia, die ich einst im Wahlkampf begleitet hatte, sagte es so: “Das ist ein neues Kapitel für Amerika und hoffentlich für die gesamte Welt.”

Hinter mir saß John Kerry, Obamas Außenminister und Bidens alter Kumpel, der im Weißen Haus jetzt der Klimabeauftragte wird und, nun ja, nicht weniger als helfen soll, die Welt zu retten. Wir unterhielten uns ein bisschen über die Lage. Kerry sprach davon, dass jetzt in diesem Moment die “Rückkehr Amerikas zu seinen Verpflichtungen in der Welt” stattfinde. “Dazu gehört, andere Nationen zu respektieren und mit ihnen zusammenzuarbeiten, während wir unsere eigene Nation nach einer schweren Zeit heilen müssen.”

Kerry sagte, dass beim Klima zuallererst sein eigenes Land mehr leisten müsste. Das war ein Satz, der gleichzeitig so offensichtlich wahr und nach den vergangenen vier Jahren so unerhört und wichtig war, dass er später Schlagzeilen machte.

Tatsächlich konnte man diesen zauberhaften Moment ja überhaupt nicht ohne diese vier Jahre zuvor verstehen.

Jeder hat seine eigene Geschichte zu dieser Trump-Zeit. Für einen Großteil der Amerikaner war sie traumatisch.

Meine geht in Kurzfassung etwa so: Ich wollte unbedingt diese einzigartige Zeit in Washington miterleben. Doch wie verrückt es werden würde, hatte ich nicht geahnt. An meinem ersten Arbeitstag in Washington, es war Januar 2018, fürchtete die Welt, Trump könne per Tweet einen Atomkrieg mit Nordkorea anzetteln. Zugleich wollte er den Palästinensern sämtliche Hilfsgelder streichen, weil sie ihm persönlich nicht den nötigen “Respekt” zeigten. Und die Vorabdrucke aus dem ersten Enthüllungsbuch “Fire and Fury” ließen die Nation an Trumps geistiger Zurechnungsfähigkeit zweifeln.

Es war nur ein Vorspiel für das, was noch kommen sollte. Meine Tage waren unplanbar, hingen an den Launen eines Präsidenten, der mit einem Tweet morgens im Bademantel noch jede Agenda umwarf. Eine Zeit lang war das als Korrespondent aufregend. Nur wurden irgendwann die Folgen immer spürbarer und ernster: Das Rütteln an der Gewaltenteilung und Demokratie, das Säen und das Ernten von Hass, die ständigen Lügen.

2020 mündete alles in einem düsteren Crescendo: Der Präsident verharmloste und ignorierte die Pandemie so sehr, dass er zum Gesundheitsrisiko wurde für alle, die mit ihm zu tun hatten oder ihm Gehör schenkten, und er impfte Millionen Gutgläubigen die Verschwörung von der gestohlenen Wahl ein. 2020 mit Trump war nicht nur kräftezehrend, sondern oft auch gesundheitsgefährdend und deprimierend.

Kurz gesagt: Es war einfach zu viel.

Deshalb freue ich mich auf die neue Zeit. Die Kontraste zur Ära Trump waren schon am Mittwoch selbst nicht zu übersehen. Es wurden Masken getragen, die Reden durchzog ein neuer Sound, der Anstand ins Zentrum rückte, und sieben Stunden nach Amtsantritt gab es die erste Pressekonferenz. Da passierte etwas Ungeheuerliches: Es ging um Politik. Um Pläne und Personalien, nicht um Beschimpfungen und Märchen.

In der alten Zeit trieften die Briefings vor Lügen und gegenseitiger Verachtung, wenn sie denn überhaupt einmal stattfanden. Nun sah man im kleinen Presseraum des Weißen Hauses: Respekt. Die PKs soll es in Zukunft wieder täglich geben.

Wird jetzt alles gut? Nein, natürlich nicht. Zu Trumps Erbe gehört, dass ein großer Teil der Bürger Biden nie als rechtmäßigen Präsidenten anerkennen wird (das war bei Trump seinerzeit übrigens nicht ganz unähnlich), dabei sind die Herausforderungen mit Corona, Wirtschafts- und Vertrauenskrise doch ohnehin schon groß genug.

Ein Teil der Republikaner ist auf absehbare Zeit den Fantasien und Regeln des Trump-Kosmos verfallen, befeuert von einer Teilöffentlichkeit, die das Heil in der Abkehr von der Realität sucht. Und was die Demokraten mit ihrer hauchdünnen Mehrheit wirklich auf die Beine stellen, weiß niemand. Der noch anstehende Impeachment-Prozess dürfte nicht zur Beruhigung beitragen.

Jetzt beginnt die eigentlich spannende Zeit. Gilt das Bild, das ich damals im Studium der Amerikanistik aus so vielen Vorlesungen verinnerlicht habe, immer noch: Dass Amerikas Geschichte in Pendelbewegungen verläuft, dass nach einer extremen Zeit immer eine starke Korrektur folgt? Oder hat die Ära Trump auch dieses Naturgesetz außer Kraft gesetzt und hat sich der Wahn so tief eingenistet, dass der Kampf gegen die Realität und der Stellungskrieg zweier Lager einfach weitergeht?

Das alles wird ab kommender Woche stärker ins Bewusstsein rücken. Diese Tage sind noch jene zum Feiern und zum Staunen über die neue Zeit. Um sich an die Wortkombination zu gewöhnen: US-Präsident Joe Biden, US-Vizepräsidentin Kamala Harris.

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Nur einen Rat möchte ich Ihnen mitgeben: Unterschätzen Sie den neuen Mann im Weißen Haus nicht. Auch wenn es in den Auftritten des 78-Jährigen oft nicht so wirkt: Joe Biden ist Profi mit einem klaren Plan, der im Wahlkampf kaum einen Fehler gemacht hat. Er hat nun den Job, den er sein Leben lang wollte.

Vom alten Präsidenten, dessen Launen und dessen Wahnsinn die letzten Jahre so gut wie jeden meiner Tage geprägt haben, ist derweil nichts zu hören. Er sitzt ohne Twitter-Konto in Mar-a-Lago und ich habe nicht die geringste Ahnung, was er seit Mittwoch dort getan oder gelassen hat. Und unter uns: Für diesen – vielleicht kurzen, vielleicht aber auch längeren – Moment ist es mir auch herzlich egal.

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