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Libyen-Konferenz in Berlin: Wie lange halten die guten Absichten?


Meinung
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Libyen-Konferenz
Wir sollten Spieler sein, kein Spielzeug

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 20.01.2020Lesedauer: 4 Min.
Die Libyen-Konferenz in Berlin: Zusammen mit den Vereinten Nationen haben sich die Staatschefs am Sonntag auf einen neuen Friedensprozess in Libyen geeinigt. Doch eine Garantie für dauerhaften Frieden ist das noch nicht, findet unser Kolumnist.Vergrößern des Bildes
Die Libyen-Konferenz in Berlin: Zusammen mit den Vereinten Nationen haben sich die Staatschefs am Sonntag auf einen neuen Friedensprozess in Libyen geeinigt. Doch eine Garantie für dauerhaften Frieden ist das noch nicht, findet unser Kolumnist. (Quelle: dpa)

Die Konfliktparteien im Libyen-Krieg haben beim Gipfel in Berlin ein Waffenembargo und Waffenstillstand ausgehandelt. Doch wie lange halten die guten Absichten?

Monatelang bereiteten die Kanzlerin und der Außenminister eine Konferenz vor, die zum Ende des libyschen Stellvertreterkrieges beitragen soll. Diskretion ist eine Stärke Angela Merkels, die sich im Zusammenspiel mit Heiko Maas bewährte. Es spielte nicht einmal eine Rolle, wer von beiden der Urheber der Idee war, Putin und Erdogan, Macron und Pompeo zusammenzubringen. Die Sache war wichtiger. Wenn man seine Regierung loben kann, soll man sie auch loben.

Ganz uninteressiert an einer Lösung des Krieges zwischen General Haftar und Ministerpräsident al-Serradsch sind wir ja keineswegs. Libyen ist das Land in Nordafrika, durch das Millionen Flüchtlinge nach Europa gelangen. Mehr Stabilität im Land und in der Sahelzone bedeuten weniger Flüchtlinge. Diese Einschätzung kann man für zynisch halten oder für Realpolitik. Der Übergang ist meistens fließend.

In Libyen prallen Interessen aufeinander

Als Vermittler eignet sich Deutschland, weil es damals 2011 der Intervention gegen al-Gaddafi im UN-Sicherheitsrat nicht zugestimmt hatte. Anders als Frankreich oder Italien besitzt es auch keine Lizenz zur Ausbeutung der Öl- und Gasfelder in Libyen. Die Türkei mischte sich im letzten halben Jahr dort ein, weil im östlichen Mittelmeer Gasfelder schlummern. Und Russland unterstützt seit Kurzem General Haftar ganz einfach deshalb, weil es auch dabei sein will und das Vakuum ausnutzt, das Amerika aus strategischem Desinteresse eröffnete.

Libyen besteht im Wesentlichen aus Wüste. Regen ist Mangelware, es herrschen nicht selten 50 Grad. Nur ein Prozent seiner Fläche ist kultivierbar. Libyen war kein geeintes Land vor Gaddafi, der sich 1969 an die Macht geputscht hatte und die Stämme seinem Willen unterwarf. In Erinnerung bleibt vor allem seine Spätphase, als er mit seinem Zelt zu Staatsbesuchen reiste und wie ein von Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll gezeichneter Popstar aussah – eine Mischung aus Mick Jagger und Ozzy Osborne. Die Karikatur eines Diktators, dem die Lust an der Unterdrückung vergangen war.

Gaddafis Tod hinterließ eine Lücke

Sein Ende ist bemerkenswert, weil es im Zusammenspiel eines Intellektuellen mit seinem Präsidenten begann. Bernard-Henry Lévy brachte Nicolas Sarkozy so weit, dass sich Frankreich für eine Intervention einsetzte. Ohne Amerika ging es nicht, und Barack Obama erklärte sich zu Luftangriffen bereit. Bald darauf wurde Gaddafi unter unklaren Umständen getötet. Dann geschah, was auch schon im Irak geschah. In die Lücke stießen Mächte, die zu schwach waren, das Land unter ihrer Führung zu einen, und zu stark, als dass ihnen Waffen und Soldaten ausgegangen wären.

General Haftar ist eine trübe Figur. Er war ein Verbündeter Gaddafis, bis er sich mit ihm überwarf und ins Exil nach Amerika ging. Dort machte er sich für die CIA nützlich, bevor er sich nach Gaddafis Tod in Tobruk festsetzte. Ihm helfen die Emirate am Golf, Ägypten und Russland. Haftar rückt seit einiger Zeit auf Tripolis vor, die Hauptstadt Libyens, in der sein Gegenspieler sitzt.

Libyen ist Syrien im Kleinformat

Al-Serradsch ist eigentlich Architekt und galt als redlich, als er die Regierung übernahm. Ihn legitimieren die UN und seit Neuestem unterstützt ihn nicht nur Katar, sondern auch die Türkei, die militärische Berater und syrische Söldner schickte.

Libyen ist Syrien im Kleinformat. Ein Bürgerkrieg mit ausländischen Mächten, die ihre höchst eigenen Interessen verfolgen und jegliche diplomatische Lösung erschweren. Dass sich Italien und Frankreich auf unterschiedlichen Seiten wiederfinden, verschärft die übliche europäische Uneinigkeit. Strategische und wirtschaftliche Komponenten durchdringen sich und machen das Problem unerträglich komplex.

Deutschlands Vermittlerrolle ist nötig, aber gewagt

Dass sich Deutschland zum Vermittler aufschwang, ist ebenso nötig wie gewagt. Nötig, weil es in Libyen genauso wie in Syrien zum permanenten Stellvertreterkrieg kommen könnte. Riskant, weil General Haftar gerade eben in Moskau die Unterschrift unter eine Feuerpause verweigerte. Er sieht das Ziel vor Augen, den Einzug in Tripolis. Warum sollte er sich auf eine Waffenruhe oder ein Waffenembargo einlassen? Und wie könnten die UN einem Rückzug Putins und Erdogans aus Libyen trauen, wie sie es auf der Konferenz zusagten?

Gehen wir mal vom besten Fall aus. Der besteht darin, dass die Berliner Konferenz wirklich eine politische Lösung einleitet, die in den nächsten Monaten ausgearbeitet und am Ende von den UN beglaubigt wird. Dem Waffenembargo folgt eine Waffenruhe, nach der sich die ausländischen Mächte zurückziehen, worauf eine Einheitsregierung mit der Aussicht auf Stabilität ernannt wird. Und dann? "Wenn es einen Waffenstillstand in Libyen gibt, dann muss die EU bereit sein, bei der Umsetzung und Überwachung dieses Waffenstillstands zu helfen – eventuell auch mit Soldaten, etwa im Rahmen einer EU-Mission", sagt Josep Borrell, der Außenbeauftragte der EU im einem Interview mit dem "Spiegel".

Realpolitik muss nicht zynisch sein

Daran sollte die Bundeswehr teilnehmen, sagte die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und erntete damit Kritik von den Grünen und der FDP. Ja, so sind wir. Zuständig für den Frieden in der Welt und die Rettung der Erde durch Klimapolitik. Moral ist gut, Realpolitik schlecht. Die Flüchtlinge? Sollen uns andere vom Hals halten, die Türkei und Griechenland und Libyen. Von den barbarischen Zuständen in den libyschen und griechischen Lagern wollen wir nichts wissen, bloß nicht.

Auch Moral kann zynisch sein, wenn sie die Wirklichkeit ignoriert. Realpolitik dagegen muss nicht zynisch sein, sondern kann auch die Einsicht in die Notwendigkeit zum Handeln sein. Oder was meinen wir damit, wenn wir sagen, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen soll und dass die Europäische Union einheitlich auftreten muss?

Deutschland muss lernen, sich nicht nur auf Diplomatie zu beschränken

Frankreich hat kein Problem damit, Diplomatie zu üben und militärische Mittel einzusetzen. Es verbindet beides, als sei es selbstverständlich. Wegen seiner strategischen und wirtschaftlichen Interessen fiel Frankreich in Libyen allerdings als europäische Führungsmacht aus.

Gut so, dass Deutschland die Lücke füllte. Deutschland muss lernen, dass es sich nicht nur auf Diplomatie beschränken kann. Dafür kann die Berliner Konferenz ein Anfang sein. Erwächst daraus Fortschritt in Libyen, hat sich Deutschland verdient gemacht. Friedenssicherung durch eine EU-Mission unter deutscher Teilnahme wäre die Konsequenz.

Wir wollen ein Spieler sein, kein Spielzeug, hat der EU-Außenbeauftragte Borrell im Interview gesagt. So soll es sein.

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