Nach Zuspruch an Aserbaidschan Bergkarabach: Armenier brennen Häuser nieder
Nachdem in Bergkarabach die Kämpfe beendet wurden, kehren immer mehr Menschen in ihre Häuser zurück. In einigen Gebieten ist jedoch das Gegenteil der Fall: Die Bewohner flüchten und legen Feuer in ihren Häusern.
Nach der Ankunft russischer Friedenstruppen in der Konfliktregion Bergkarabach im Südkaukasus haben Aserbaidschan und Armenien einander mehrere gefallene Soldaten übergeben. Dabei handele es sich um Soldaten, die bei den Kämpfen um die von Aserbaidschan zurückeroberte Stadt Schuscha ums Leben gekommen waren, teilte das aserbaidschanische Verteidigungsministerium am Samstag in der Hauptstadt Baku mit. Unterdessen kehrten mehrere vor den Kämpfen geflüchtete Menschen in die Hauptstadt Stepanakert zurück.
In Videos war zu sehen, wie vor allem Frauen und Kinder sowie ältere Bewohner in elf Linienbusse stiegen und zurück nach Berg-Karabach gebracht wurden. Bei ihrer Ankunft lagen sich einige mit ihren Angehörigen in den Armen. Es flossen Tränen. Das russische Verteidigungsministerium sprach am Abend von 250 Rückkehrern.
Anwohner brennen Häuser nieder
Dagegen gab es aus anderen Gebieten in Bergkarabach zuvor Berichte, dass Bewohner flohen, weil diese Regionen an Aserbaidschan gehen sollen. Menschen verbrannten deshalb vielfach ihre Häuser. "Wir wollen nicht, dass Aserbaidschaner in unseren Häusern leben", sagte eine Bewohnerin des Dorfes Charektar lokalen Medien zufolge.
Anfang der Woche hatten sich Armenien und Aserbaidschan unter Vermittlung Russlands nach mehreren Wochen heftiger Kämpfe auf das Abkommen zum Ende aller Kampfhandlungen verständigt. Es sieht etwa die Rückgabe größerer Gebiete an Aserbaidschan vor, die bislang unter Kontrolle Armeniens gestanden haben. Die Einigung wurde als Niederlage Armeniens und als Sieg Aserbaidschans gewertet.
Russische Soldaten nach Berg-Karabach
Kern der Übereinkunft ist der Einsatz von rund 2.000 russischen Friedenssoldaten in Bergkarabach. Sie sollen die Einhaltung der Waffenruhe überwachen. Kommandeur Rustam Muradow sagte am Samstag der Agentur Interfax zufolge, es gebe keine Kämpfe mehr. "Wir hören heute keine Schüsse. Die Situation stabilisiert sich langsam."
Das begrüßte Kremlchef Wladimir Putin am Abend bei Telefonaten mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev und dem armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan, wie der Kreml in Moskau mitteilte. Unter Vermittlung Putins hatten sich die beiden Politiker auf das Abkommen verständigt. Die Lage in Berg-Karabach sei ruhig. Der russische Präsident habe im Gespräch mit Aliyev besonders auf den Schutz christlicher Kirchen und Klöster hingewiesen, hieß es.
Inzwischen haben die meisten Friedenssoldaten bereits ihre Stellung bezogen, darunter auch in der von Armenien kontrollierten Hauptstadt Stepanakert. Mittlerweile seien zwölf Beobachtungsposten eingerichtet worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Zudem habe die Militärpolizei mit Patrouillen begonnen.
Nach armenischen Angaben soll die Übergabe gefallener Soldaten fortgesetzt werden. Zunächst war unklar, wie viele Leichen am Samstag ausgetauscht worden waren. Aserbaidschan nannte lediglich die Zahl sechs, die Armenien überstellt habe.
Getötete noch nicht identifiziert
Nach Angaben des armenischen Gesundheitsministeriums in der Hauptstadt Eriwan wurden bereits die Leichen von mehr als 2.300 Getöteten forensisch untersucht. Einige seien noch nicht identifiziert worden, teilte das Ministerium bei Facebook mit. Die Karabach-Behörden gaben die Zahl der getöteten Soldaten zuletzt mit 1.383 an. Das aserbaidschanische Militär machte mit Blick auf die Zensur während des Kriegsrechts zunächst keine Angaben zu den Verlusten in den eigenen Reihen.
Unterdessen wurden die Gespräche zwischen Russland und der Türkei über ein Zentrum zur Überwachung der Waffenruhe am Samstag unterbrochen. Sie sollen in den kommenden Tagen fortgesetzt werden. Das teilte das türkische Verteidigungsministerium mit. Die Verhandlungen hatten am Vortag in der türkischen Hauptstadt Ankara begonnen.
Türkei soll Korridor zu Exklave bekommen
Das Abkommen zwischen den beiden verfeindeten Ländern, gegen das es in der armenischen Bevölkerung heftigen Widerstand gibt, sieht auch einen für die Türkei wichtigen Punkt vor: einen Korridor von Aserbaidschan zu seiner Exklave Nachitschewan. Damit erhält Aserbaidschan eine Landverbindung zur Türkei und Ankara Zugang zum Kaspischen Meer.
Aserbaidschan hatte in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor rund 30 Jahren die Kontrolle über Bergkarabach mit etwa 145 000 Bewohnern verloren. Seit 1994 galt eine brüchige Waffenruhe. In dem neuen Krieg hat sich Aserbaidschan weite Teile des Gebiets zurückgeholt. Das Land berief sich dabei auf das Völkerrecht und sah sich von seinem "Bruderstaat" Türkei unterstützt. Armenien wiederum setzt auf Russland als Schutzmacht.
- Nachrichtenagentur dpa