Corona-Pandemie Regierung stuft acht Länder als Virusvariantengebiete ein
Berlin (dpa) - Wegen der Verbreitung einer neuen Coronavirus-Variante im südlichen Afrika beschränkt die Bundesregierung die Einreise aus insgesamt acht Ländern der Region drastisch.
Südafrika, Namibia, Simbabwe, Botsuana, Mosambik, Eswatini, Malawi und Lesotho werden ab Sonntag um 0.00 Uhr als Virusvariantengebiete eingestuft, wie das Robert Koch-Institut am Freitagabend mitteilte.
Fluggesellschaften dürfen damit im Wesentlichen nur noch deutsche Staatsbürger oder in Deutschland lebende Personen von dort nach Deutschland befördern. Es handelt sich aber nicht um ein Flugverbot. Für Einreisende gilt eine zweiwöchige Quarantänepflicht - auch für Geimpfte und Genesene. Sie kann auch nicht durch negative Tests verkürzt werden.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte die neue Corona-Variante B.1.1.529 zuvor als "besorgniserregend" eingestuft. Diese Klassifizierung ist laut WHO-Definition ein Signal, dass eine Variante ansteckender ist oder zu schwereren Krankheitsverläufen führt. Außerdem besteht bei "besorgniserregenden Varianten" die Gefahr, dass herkömmliche Impfungen, Medikamente oder Corona-Maßnahmen weniger wirksam sind.
Diese nun Omikron genannte Variante weise eine große Anzahl Mutationen auf, von denen einige besorgniserregend seien, hieß es. Vorläufige Hinweise deuteten auf ein erhöhtes Risiko einer Reinfektion bei dieser Variante im Vergleich zu anderen besorgniserregenden Varianten, zu denen auch die derzeit vorherrschende Delta-Variante zählt.
Mutation bereits in Europa entdeckt
Am Freitag war ein erster Fall in Belgien gemeldet worden. In Deutschland ist die Variante nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Vormittag noch nicht festgestellt worden.
Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, sagte: "Wir sind sehr besorgt. Und ich hoffe sehr, dass stringent dahingehend gearbeitet wird, dass zumindest die Ausbreitung dieser Variante so gut wie möglich durch Reisebeschränkungen eingeschränkt wird."
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte, die Auswirkungen der Variante auf Krankheitsschwere, Infektiosität und Impfschutz seien noch nicht abschließend geklärt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wird sich erst in einigen Wochen herausstellen, ob die Variante ansteckender oder aggressiver ist als bisherige Varianten. Die im südlichen Afrika aufgetretene Version des Virus sei bislang weniger als 100 Mal genetisch sequenziert worden.
Zwei Wochen Quarantäne nach Ankuft in Bayern
Die Passagiere einer aus dem südafrikanischen Kapstadt am frühen Abend in München eintreffenden Lufthansa-Maschine müssen alle in eine 14-tägige Quarantäne. Zusätzlich sollten sie sich unmittelbar nach der für 19.45 Uhr geplanten Landung einem PCR-Test unterziehen. Die Quarantäne werde unabhängig vom Ausgang des Tests und des Impfstatus der Passagiere wirksam, teilte das bayerische Gesundheitsministerium mit.
Das südafrikanische Institut für Ansteckende Krankheiten NICD hatte am Donnerstag mitgeteilt, es seien in Südafrika 22 Fälle der neuen Variante B.1.1.529 nachgewiesen worden. Mit mehr Fällen sei im Zuge der laufenden Genomanalysen zu rechnen.
Wegen der Ausbreitung der Variante des Coronavirus will die EU-Kommission Reisen aus dem südlichen Afrika in die EU auf ein absolutes Minimum beschränken. Die Brüsseler Behörde werde den EU-Staaten vorschlagen, die dafür vorgesehene Notbremse auszulösen um den Luftverkehr auszusetzen, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter mit. Die EU-Staaten müssen darüber jetzt noch beraten und entscheiden. Rechtlich bindend wäre die Notbremse nicht, doch es wäre eine wichtige Richtungsentscheidung. Mehrere EU-Länder verhängten bereits Reisebeschränkungen, so etwa Italien, die Niederlande und Tschechien. Dänemark führt ab Mitternacht Reisebeschränkungen für Südafrika und die sechs südafrikanischen Nachbarländer ein. Die WHO äußerte allerdings zum jetzigen Zeitpunkt Vorbehalte gegen Reisebeschränkungen.
Anpassung der Impfstoffe erforderlich?
Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech schaut sich die im südlichen Afrika festgestellte neue Variante des Coronavirus in Tests an und rechnet spätestens in zwei Wochen mit Erkenntnissen. "Wir können die Besorgnis von Experten nachvollziehen und haben unverzüglich Untersuchungen zur Variante B.1.1.529 eingeleitet", teilte das Unternehmen in Mainz am Freitag auf Anfrage mit. Die Daten aus nun laufenden Labortests würden Aufschluss geben, ob eine Anpassung des Impfstoffs erforderlich werde, wenn sich diese Variante international verbreite.
Angesichts der dramatischen Corona-Lage in Deutschland forderte Spahn eindringlich massive Kontaktreduzierungen. "Die Lage ist dramatisch ernst. So ernst wie noch zu keinem Zeitpunkt in dieser Pandemie", sagte der CDU-Politiker am Freitag in Berlin. Man sei in einer "nationalen Notlage". Doch zu wenig passiere, und oft zu spät. "Wir müsse jetzt diese Welle stoppen", mahnte Spahn.
"Wir brauchen eine massive Reduktion der Kontakte - jetzt sofort", sagte RKI-Präsident Wieler. Derzeit würden die noch freien Intensivbetten in den Kliniken dadurch erkauft, dass planbare Operationen verschoben oder ausgesetzt werden. "Wenn die Infektionen nicht endlich massiv gebremst werden, dann wird natürlich die Versorgung in ganz Deutschland eingeschränkt sein."
Die Luftwaffe der Bundeswehr beteiligt sich nun an der Verlegung von Intensivpatienten in der Corona-Pandemie. Ein Airbus A310 MedEvac startete nach Bundeswehr-Angaben am Freitag kurz nach 13.00 Uhr Richtung Memmingen in Bayern. Von dort sollte er Schwerkranke nach Nordrhein-Westfalen bringen. Die Bundeswehr hilft damit erstmals dabei, Krankenhäuser in Regionen mit besonders vielen Corona-Patienten zu entlasten. Im Rahmen des sogenannten Kleeblatt-Systems sollen Covid-19-Patienten auch bundesweit verteilt werden können, wenn in einzelnen Regionen der Kollaps von Krankenhäusern droht.
Die Zahl der binnen eines Tages ans RKI übermittelten Corona-Neuinfektionen erreichte wieder einen Höchststand. Die Gesundheitsämter meldeten nach RKI-Angaben von Freitagmorgen 76.414 Fälle in 24 Stunden. Vor genau einer Woche waren es 52.970 erfasste Neuinfektionen gewesen. Die Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI mit 438,2 an - ebenfalls ein Höchstwert.