Ausland Angriff am Flughafen Kabul: Bundeswehr im Feuergefecht
Kabul (dpa) - Die Evakuierungsaktion in der afghanischen Hauptstadt Kabul wird immer schwieriger und gefährlicher. Am Montagmorgen wurden deutsche Soldaten vor dem Flughafen erstmals in ein Feuergefecht mit unbekannten Angreifern verwickelt.
Eine afghanische Sicherheitskraft wurde dabei getötet, drei weitere verletzt. Weil der Zugang zum Flughafen kaum noch möglich ist, ist die Bundeswehr nun auch außerhalb des massiv gesicherten Geländes im Einsatz, um Menschen in Sicherheit zu bringen. Daran sind auch Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte beteiligt.
Es bleibt nicht mehr viel Zeit für die Rettungsaktion. Die militant-islamistischen Taliban, die vor gut einer Woche die Macht in Afghanistan übernommen haben, wollen einer Verlängerung der Evakuierungsmission westlicher Staaten über den 31. August hinaus nicht zustimmen. Diese Frist sei eine "rote Linie", sagte ein Taliban-Sprecher dem britischen Nachrichtensender Sky News. "Wenn sie vorhaben, die Besatzung zu verlängern, wird das eine Reaktion hervorrufen".
Abwehrgefecht im Morgengrauen
Zu dem Schusswechsel am Flughafen kam es nach Angaben des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr um 04.13 Uhr (MESZ) am Nordtor des Flughafens, vor dem seit Tagen Tausende Menschen warten, um auf einen der Evakuierungsflüge zu kommen. Dort wurden Soldaten der inzwischen aufgelösten afghanischen Armee, die an der äußeren Zugangsschleuse zum Flughafen eingesetzt sind, von Unbekannten beschossen und erwiderten das Feuer. Auch US-Soldaten, die die innere Zugangsschleuse bewachen, und Bundeswehrsoldaten griffen in das Abwehrgefecht ein.
Die US-Streitkräften sprachen später von einem "kurzen Schusswechsel". Die Angreifer entkamen unerkannt. Die US-Regierung hatte erst am Sonntag Sorgen vor einem Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Flughafen oder in der Umgebung geäußert. "Die Bedrohung ist real, sie ist akut, sie ist anhaltend", sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, im Sender CNN. Man nehme die Warnungen "absolut todernst". Die militant-islamistischen Taliban und der regional aktive Zweig des IS sind verfeindet und haben in der Vergangenheit gegeneinander gekämpft.
Lage "weiter chaotisiert"
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bestätigte die Terrordrohungen und beschrieb die Lage in Kabul als sehr angespannt. "Wir haben unglaublich viele Flüchtlinge in der Stadt, wir haben eine verschlechterte Versorgungslage, wir haben zunehmend auch Drohungen auch von anderen terroristischen Gruppen", sagte sie bei "Bild TV".
In den vergangenen Tagen hatte sich die Sicherheitslage am Flughafen massiv zugespitzt. Auch zwei Deutsche wurden auf dem Weg dorthin verletzt, mindestens einer davon durch Schüsse. Im Gedränge vor den zeitweise geschlossenen Toren des Flughafens gab es am Wochenende mindestens sieben Tote. Maas sagte am Montag, die Lage um den Flughafen habe sich in den vergangenen Stunden "weiter chaotisiert". Er warnte davor, sich auf eigene Faust zum Flughafen zu begeben.
Bundeswehr nicht mehr nur am Flughafen aktiv
Wegen der dramatischen Situation und der teils blockierten Zugänge zum Flughafen ändert die Bundeswehr nun ihre Strategie und operiert auch außerhalb des geschützten Airports, um Menschen sicher zu den Evakuierungsflügen zu bringen. Es sei im Moment fast nicht mehr möglich, zum Flughafen zu gelangen, begründete Kramp-Karrenbauer den Schritt. "Deswegen müssen wir sehr viel stärker dazu übergehen, die Leute sozusagen abzuholen. Das tun wir."
Das Verteidigungsministerium bestätigte die Rettung einer Münchner Familie, die nach Berichten von "Bild" und "Spiegel" von Elitesoldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) in den Flughafen gebracht wurde. Bei der Geheim-Operation "Blue Light" hätten sich die deutschen Soldaten zu Fuß vorgearbeitet und eine 19-jährige Münchnerin, ihren kleinen Bruder und ihre Mutter gerettet, hieß es bei "Bild" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Die Operation habe rund eine Stunde gedauert.
Bisher hatte sich die Evakuierungsmission der Bundeswehr auf das Flughafengelände beschränkt. Zwei Hubschrauber, die zur Evakuierung von gefährdeten Menschen aus dem Stadtgebiet nach Afghanistan gebracht worden waren, kamen bisher nicht zum Einsatz.