Krise im UN-Sicherheitsrat Trump will Rückkehr aller Iran-Sanktionen
New York (dpa) - Nach der deutlichen Ablehnung eines US-Vorschlags zur Verlängerung des Waffenembargos gegen den Iran steuert der UN-Sicherheitsrat auf eine schwere Krise zu.
US-Präsident Donald Trump kündigte am Samstag (Ortszeit) an, in den nächsten Tagen das komplette Atomabkommen mit dem Iran durch den sogenannten Snapback-Mechanismus aus den Angeln heben zu wollen. "Wir werden den Snapback auslösen und sie werden es nächste Woche sehen", sagte Trump bei einer Pressekonferenz in Bedminster (New Jersey).
Beim Snapback-Mechanismus (deutsch: zurückschnappen) handelt es sich um eine Möglichkeit für die Staaten des Atomabkommens von 2015, iranische Regelverstöße vor dem UN-Sicherheitsrat anzuprangern. Damit kann schließlich die Wiedereinsetzung aller internationalen Sanktionen aus der Zeit vor der Einigung erzwungen werden - ohne, dass andere Mitglieder dies mit einem Veto verhindern könnten.
Es ist dabei umstritten, ob die USA zum Auslösen des Mechanismus berechtigt sind, denn die Trump-Regierung war 2018 aus dem Deal ausgestiegen. Die Amerikaner sind der Auffassung, dass ihre Nennung in der UN-Resolution ausreicht, die das Atomabkommen in internationales Recht übersetzt. Die meisten Länder im Sicherheitsrat sehen das aber anders.
Auch nach Ansicht des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sind die USA nicht dazu berechtigt, den Snapback zu erzwingen, wie eine Sprecherin am Sonntag sagte. Irans Außenminister Mohammed Dschwad Sarif nannte das Vorgehen illegal und inakzeptabel.
Der diplomatische Streit im mächtigsten UN-Gremium könnte zu einer Spaltung des Sicherheitsrates bei der Frage führen, ob die alten Sanktionen gegen den Iran nun wieder gelten oder nicht. Westliche Diplomaten kündigten an, dass viele Staaten einen von den USA ausgelösten Snapback faktisch ignorieren könnten. Dies wiederum könnte zu schweren Verwerfungen auch zwischen Deutschland, Frankreich und Großbritannien auf der einen und den USA auf der anderen Seite führen.
Auf einen Schlichtungsvorschlag des Kremls, einen Video-Gipfel abzuhalten, will Trump eigenen Aussagen zufolge nicht eingehen. "Wir werden wahrscheinlich bis nach der Wahl warten", sagte er. Russlands Staatschef Wladimir Putin hatte am Freitag ein virtuelles Treffen der Staats- und Regierungschefs gefordert, deren Länder den Atomdeal abgeschlossen hatten. Daran sollten auch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Irans Präsident Hassan Ruhani teilnehmen.
Über diesen Vorschlag berieten am Sonntag die Außenminister Russlands und der USA. Beide Seiten hätten ihre Ansichten dazu ausgetauscht, teilte das Außenamt in Moskau nach einem Telefonat von Außenminister Sergej Lawrow mit seinem US-Kollegen Mike Pompeo mit. Lawrow habe noch einmal die Bedeutung des Atomabkommens mit dem Iran betont. Dies sei eine wichtige "politische und diplomatische Errungenschaft".
Die UN-Vetomächte USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland und der Iran hatten sich 2015 in Wien auf das Abkommen geeinigt, das Teheran eine friedliche Nutzung der Kernkraft gestattet, aber die Entwicklung von Atomwaffen verwehrt. Es stellte die iranische Atomindustrie unter Kontrolle und sagte den Abbau westlicher Wirtschaftssanktionen zu. Trump ist seit Jahren gegen den Atomdeal - ihm dürfte der Snapback für seine Kampagne des maximalen Drucks auf Teheran vor der US-Präsidentenwahl im November gut passen.
Anstoß für den sich nun zuspitzenden Streit war das im Oktober auslaufende Waffenembargo für den Iran. Die USA wollten es bei den UN auf unbestimmte Zeit verlängern lassen - die Zustimmung von nur zwei von 15 Stimmen im Sicherheitsrat offenbarte dabei, wie isoliert Washington beim Thema Iran ist.
Zwar wollen auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien nicht, dass etwa China und Russland künftig legale Rüstungsverträge mit dem Iran abschließen können. Doch die Europäer haben auch ein Interesse daran, das Abkommen am Leben zu halten - Teheran droht im Falle einer Verlängerung des Embargos mit dem Rückzug. Die Hoffnung ist auch, dass im November möglicherweise ein neuer US-Präsident gewählt wird, der die Karten in der Krise neu mischt.
Die Europäer sagen, sie hätten seit Anfang des Jahres versucht, einen Kompromiss auszuhandeln. Aus Diplomatenkreisen verlautete, man habe versucht, Washington von einer "Konzentration auf besonders offensive Waffenarten, Möglichkeiten der Vereinbarung jenseits einer UN-Resolution" zu überzeugen. Da die USA genauso wenig wie Russland und China zu Zugeständnissen bereit waren, stehen die Zeichen nun auf Eskalation.
Einen Vorgeschmack gab die amerikanische UN-Botschafterin Kelly Craft zuletzt, als sie unter anderem Deutschland im Interview der Deutschen Presse-Agentur vorwarf, auf der Seite des Terrors zu stehen: "Verletzte Gefühle über den Rückzug der USA aus dem Atomabkommen sind für mich keine Entschuldigung für die Bewaffnung von Terroristen."