Notenbank warnt Brexit könnte Briten schlimmer treffen als Finanzkrise
Die Bank of England rechnet vor, was passieren könnte, wenn Großbritannien ohne Deal aus der EU ausscheidet. Das Szenario sieht düster aus. Es könnte gar zu einer Riesen-Rezession kommen.
Ein ungeordneter EU-Austritt könnte in Großbritannien die heftigste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg auslösen. Davon geht die Bank of England (BoE) aus, wie eine Analyse verschiedener Brexit-Szenarien zeigt, die veröffentlicht wurde. So würde ein völlig ungeordneter Abschied von der Europäischen Union (EU) das Land nach Einschätzung der Bank of England (BoE) härter treffen als die weltweite Finanzkrise vor zehn Jahren.
Zwar hält die Zentralbank dieses Szenario nicht für am wahrscheinlichsten, doch aber für "plausibel". "Unsere Aufgabe ist es nicht, auf das Beste zu hoffen, sondern uns auf das Schlimmste vorzubereiten", sagte BoE-Chef Mark Carney.
Deutlicher Rückgang des Pfundes
Das Vereinigte Königreich will die EU am 29. März verlassen. Sollte das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen mit der EU bis dahin nicht in Kraft treten können, dürfte die britische Wirtschaft innerhalb eines Jahres um acht Prozent schrumpfen, schreibt die Notenbank.
Die Arbeitslosigkeit würde nach Einschätzung der BoE merklich zunehmen. Auch an den Finanzmärkten erwartet die Notenbank heftige Reaktionen. So dürfte das britische Pfund um 25 Prozent zum US-Dollar nachgeben. Die Preise für Häuser könnten um knapp ein Drittel fallen.
Der deutliche Rückgang des Pfundes dürfte die Inflationsrate auf 6,5 Prozent steigen lassen. Die Notenbank wäre dann zu deutlichen Leitzinsanhebungen gezwungen. In der Spitze könnte der Leitzins bis auf 5,5 Prozent steigen - was Kredite stark verteuern würde.
Die britischen Großbanken zumindest wären dafür gerüstet, zeigt ein gleichzeitig veröffentlichter Banken-Stress-Test. Anders sieht es bei den Unternehmen und Behörden aus. Umfragen legten nahe, dass das Land noch nicht vollständig auf einen Brexit ohne Abkommen vorbereitet sei, sagte Carney.
Abstimmung im Parlament
Die sieben größten britischen Banken sind nach Einschätzung der britischen Notenbank gut aufgestellt - selbst wenn der Brexit ohne Vertrag mit der Europäischen Union über die Bühne geht. Keine der von den Aufsehern untersuchten Banken bräuchte frisches Kapital, wenn es zu einem Brexit und den damit verbundenen drastischen Auswirkungen auf die Wirtschaft und Währung kommen würde.
Die Zentralbank hatte die Kapitalstärke folgender sieben Banken untersucht: Barclays, HSBC, Lloyds, Nationwide Building Society, Royal Bank of Scotland (RBS), Santander UK und Standard Chartered.
Premierministerin Theresa May und ihre Kabinettsmitglieder werben derzeit verzweifelt um Unterstützung für ihr Brexit-Abkommen. Am 11. Dezember soll das Parlament in London über den Deal abstimmen. Bislang scheint es aber mehr als fraglich, ob die Regierung eine Mehrheit für das Abkommen bekommen kann. Damit ist die Gefahr eines Brexits ohne Abkommen noch nicht gebannt.
May verteidigt Deal
Auch die britische Regierung hatte am Mittwoch eine Analyse verschiedener Brexit-Szenarien veröffentlicht. Das Bruttoinlandsprodukt wird demnach selbst unter den Bedingungen des ausgehandelten Abkommens im Jahr 2035 um bis zu 3,9 Prozent kleiner sein als ohne den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Immerhin weitaus besser als im Fall eines ungeordneten Brexits. Für diesen Fall sagt die Regierungsanalyse ein um 9,3 Prozent kleineres Bruttoinlandsprodukt vorher.
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Die Regierungsanalyse zeige, "dass unser Deal der bestmögliche für Arbeitsplätze und unsere Wirtschaft ist", sagte Premierministerin Theresa May bei einer Fragestunde im Parlament.
Das ausgehandelte Brexit-Paket umfasst einen knapp 600 Seiten starken Austrittsvertrag. Darin sind die Bedingungen der Trennung festgeschrieben - etwa die Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien und Schlusszahlungen des Vereinigten Königreichs an die EU von schätzungsweise rund 45 Milliarden Euro. Vorgesehen ist außerdem eine Übergangsfrist bis Ende 2020, diese könnte noch bis Ende 2022 verlängert werden. In dieser Zeit soll sich für die Wirtschaft und die Bürger beider Seiten praktisch nichts ändern.
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters