Wegen Kohlekraftwerk EU-Kommission behält erstmals Gelder für Polen ein
Weil das Land sich gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs widersetzt, reagiert nun Brüssel: Um eine Strafzahlung zu begleichen, behält die EU Gelder ein. Im Zentrum des Streits geht es um ein Braunkohlerevier.
Die Europäische Kommission behält im Rechtsstreit mit Polen erstmals EU-Hilfen für das Land in Millionenhöhe ein. Die Brüsseler Behörde reagiert damit auf die Weigerung Polens, einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Folge zu leisten, wie der Sprecher von EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn am Dienstag mitteilte. Die Luxemburger Richter hatten Polen im September zur Zahlung eines täglichen Zwangsgelds von einer halben Million Euro verurteilt. Warschau will die Brüsseler Entscheidung anfechten.
Die EU-Kommission setzt mit ihrer Entscheidung einen neuen Präzedenzfall in dem jahrelangen Rechtsstaats-Streit mit Polen. In dem aktuellen Fall geht es um den polnischen Braunkohletagebau Turow im Dreiländereck von Polen, Tschechien und Deutschland. Tschechien hatte vor dem EuGH dagegen geklagt, da Polen keine korrekte Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen hatte – und bekam Recht.
Polen kündigt Gegenmaßnahmen an
Die EU-Kommission teilte nun mit, sie kürze die Haushaltsmittel für Polen zunächst um das fällige Zwangsgeld für einen Monat. Das entspricht umgerechnet rund 15 Millionen Euro. "Die Kommission erfüllt ihre rechtliche Verpflichtung, von dem Gericht verhängte Strafgelder einzutreiben", betonte Kommissionssprecher Balazs Ujvari. Die Mittelkürzung wird demnach in zehn Tagen wirksam.
Die nationalkonservative polnische Regierung will "alle rechtlichen Mittel" gegen die Brüsseler Entscheidung ausschöpfen, wie Regierungssprecher Piotr Muller der polnischen Nachrichtenagentur PAP in Warschau sagte. Er nannte das Urteil des EuGH völlig unbegründet. Zudem verwies er auf ein Abkommen mit Tschechien von Anfang Februar, mit dem der Streit nach polnischen Angaben beigelegt werden soll.
Weitere Kürzungen möglich
Bereits im vergangenen Mai hatte der Europäische Gerichtshof die sofortige Schließung des Tagebaus Turow angeordnet. Bewohner der Grenzregion klagen über die Belastung durch Staub und Lärm und einen Rückgang des Grundwassers. Die frühere Bundesregierung hatte sich der Klage trotz eigener Umweltbedenken nicht angeschlossen.
Polen droht darüber hinaus der Entzug weiterer EU-Gelder: Im Streit um eine Disziplinarkammer für Richter am obersten Gerichtshof Polens hatte der EuGH ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro verhängt. Hier ist Polen mit mehr als 100 Millionen Euro im Rückstand. Warschau hatte kürzlich ein Einlenken in diesem Konflikt angedeutet.
Auch damit wäre das Grundsatzproblem nicht gelöst: Denn die polnische Regierung hatte im Oktober eine Verfassungsänderung erwirkt, mit der nationales Recht grundsätzlich über EU-Recht gestellt wird. In dem Konflikt liegen europäische Corona-Hilfsgelder in Höhe von 36 Milliarden Euro für Polen auf Eis.
- Nachrichtenagentur AFP