Umfassende Bürgerbeteiligung EU-Zukunftskonferenz gestartet – Macron fordert Reformen
Die "Konferenz zur Zukunft Europas" will sich an nicht weniger als einer Runderneuerung der Europäischen Union versuchen. Doch der Start des ehrgeizigen Projektes an diesem Sonntag verlief holprig.
In Straßburg ist am Sonntag die "Konferenz zur Zukunft Europas" offiziell eröffnet worden. Das auf ein Jahr angelegte Projekt soll Ideen der Bürger sammeln und mit ihnen darüber diskutieren, wie die Europäische Union in Zukunft besser funktionieren kann. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, EU-Parlamentspräsident David Sassoli und Portugals Ministerpräsident Antonio Costa gaben bei einer Feierstunde im Plenum des EU-Parlaments den Startschuss.
Der französische Präsident Emmanuel Macron betonte in einer Rede, die EU habe sich in der Corona-Pandemie bewährt. "Wir sind in der Krise zusammengeblieben", sagte Macron. Die EU habe sich solidarisch gezeigt, den Schutz von Menschenleben in den Mittelpunkt gestellt, finanziell geholfen, Gesundheitssysteme gestärkt. Auch die Impfkampagne habe man erfolgreich zusammen organisiert. "Darauf müssen wir stolz sein, das war nicht selbstverständlich. Die europäische Kooperation hat Leben gerettet."
Macron forderte dazu auf, die Europäische Union krisenfester und flexibler zu gestalten. Zu viele Verfahren seien zu kompliziert, Entscheidungen für Zukunftsinvestitionen dauerten oft zu lange. Europa müsse deshalb lernen, schneller zu entscheiden und zu handeln. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass die Staaten in Europa voneinander abhängig seinen. Nun gelte es den Ehrgeiz zu entwickeln, schnell auf Krisen reagieren zu können.
Macron hatte die Reformdebatte mit einer viel beachteten Rede an der Pariser Sorbonne-Universität 2017 eröffnet und seine Appelle über die Jahre immer wieder erneuert. Seit der Europawahl 2019 dringt auch das Europaparlament darauf, mit Reformen dem Votum der annähernd 450 Millionen Bürger in Europa mehr Gewicht zu geben.
Onlineplattform sollen Ideen der Bürger sammeln
Bereits vor zwei Wochen war die Onlineplattform der Konferenz freigeschaltet worden. Dort können Interessierte ihre Ideen vorstellen oder Beiträge anderer kommentieren. Bis zum Frühjahr 2022 sollen konkrete Vorschläge für Reformen entwickelt werden. Wie mit den Vorschlägen am Ende umgegangen wird und wie verbindlich sie sein sollen, das ist bislang jedoch noch umstritten. Alles zur EU-Zukunftskonferenz erfahren Sie hier.
Neben diversen Beteiligungsformaten gibt es einen Exekutivrat sowie ein Konferenzplenum. Ersterer besteht aus je drei Vertretern von Kommission, Parlament und dem Rat der Mitgliedsländer. Das Plenum wiederum setzt sich aus Abgeordneten des EU-Parlaments und der nationalen Parlamente sowie aus je zwei Vertretern der EU-Mitgliedstaaten zusammen. Die erste Sitzung des Plenums ist bereits für Montag in Straßburg angesetzt.
Wie verbindlich sind die Ergebnisse?
Der Start der Konferenz wurde jedoch bis zuletzt von Streit überschattet. Ungelöst blieb etwa die Frage, wie am Ende mit den Ergebnissen der Konferenz umgegangen wird. Eine große Mehrheit der Mitgliedsländer, unter ihnen auch Deutschland und Frankreich, will, dass der Abschlussbericht im Exekutivausschuss abgestimmt wird. Das Europaparlament hingegen bestand darauf, dass dies im Konferenzplenum geschieht.
Daneben gibt es Streit um die Verbindlichkeit der Ergebnisse. Eine Gruppe von EU-Staaten, darunter Österreich und die Niederlande, hatte in einer Erklärung betont, sich nicht an die Entscheidungen gebunden zu fühlen. Die Länder warnten vor "rechtlichen Zwängen". Änderungen an den EU-Verträgen lehnten sie mit der Begründung ab, der Rechtsrahmen der EU biete bereits Potenziale, um drängende Herausforderungen gezielt anzugehen. Änderungen an den EU-Verträgen könnten in einigen Ländern Volksabstimmungen notwendig machen, die in der Vergangenheit bisweilen scheiterten.
- Eigene Recherchen
- Übertragung des Festaktes zur Eröffnung der Zukunftskonferenz
- Nachrichtenagentur dpa