t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAuslandEuropäische Union

Exklusive Zahlen: Wo es beim Flüchtlingspakt mit der Türkei bis heute hapert


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Exklusive Zahlen
Wo es beim Flüchtlingspakt mit der Türkei bis heute hakt


15.02.2021Lesedauer: 3 Min.
Migranten auf der griechischen Insel Lesbos: In Griechenland kamen im Corona-Jahr 2020 etwa neue 10.000 Flüchtlinge an.Vergrößern des Bildes
Migranten auf der griechischen Insel Lesbos: In Griechenland kamen im Corona-Jahr 2020 etwa neue 10.000 Flüchtlinge an. (Quelle: Costas Baltas/reuters)

Ein Pakt zwischen der EU und der Türkei soll seit 2016 die Flucht übers Mittelmeer unterbinden. Beschlossen wurden damals auch Regeln zur Rückführung und Umsiedlung von Flüchtlingen – doch da hakt es.

Die Europäische Union hat im Rahmen des Flüchtlingspakts mit der Türkei seit 2016 insgesamt 28.300 Migranten aus Syrien aufgenommen. Im selben Zeitraum wurden 2.134 syrische Flüchtlinge wieder in die Türkei zurückgeschickt, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag hervorgeht.

Größtes Aufnahmeland in der EU ist demnach Deutschland. Bis 20. Januar 2021 sind 10.157 syrische Migranten in die Bundesrepublik gekommen – also gut ein Drittel aller. Frankreich nahm knapp 4.800 Flüchtlinge auf, die Niederlande annähernd 4.500. Sieben Länder haben bislang keine Flüchtlinge im Rahmen des Programms aufgenommen: Ungarn, Tschechien, Polen, die Slowakei, Zypern, Irland. Griechenland ist ein Sonderfall, da es selbst Tausende Flüchtlinge beherbergt, die es mit Booten über die Ägäis auf die griechischen Inseln geschafft haben.

1:1-Regel funktioniert kaum

Im März 2016 hatten die EU und die Türkei ein Abkommen geschlossen, um die Fluchtbewegungen übers Mittelmeer nach Griechenland zu reduzieren. Dabei wurden auch Regelungen zur Umsiedlung und Rücknahme vereinbart. Konkret verpflichtete sich die Türkei dazu, jeden Migranten, der illegal auf den griechischen Inseln ankommt, zurückzunehmen. Im Gegenzug wollte die EU für jeden rückgeführten Syrer einen anderen Syrer aus der Türkei umsiedeln – die so genannte 1:1-Neuansiedlungsregelung.

Zugleich wurde beschlossen, dass bei einem dauerhaften Rückgang der irregulären Grenzübertritte eine Regelung für die freiwillige Aufnahme aus humanitären Gründen aktiviert wird. Tatsächlich gingen nach Inkrafttreten des Pakts die Fluchtbewegungen insgesamt stark zurück. Das Rückführprogramm funktioniert indes bis heute kaum.

Das liegt etwa daran, dass die griechischen Behörden mit dem Bearbeiten der Asylanträge auf den Inseln nicht hinterherkamen, und so oft ungeklärt blieb, ob ein Asylgrund vorlag oder nicht. Ist das nämlich nicht der Fall, werden die Betroffenen auf EU-Kosten in die Türkei zurückgebracht. So aber warteten viele Migranten oft Jahre auf den Inseln, bis ihr Gesuch beschieden wurde.

Gleichzeitig tat sich die frühere linke Regierung in Athen aus ideologischen Gründen schwer, Menschen zurück in die Türkei zu schicken. Die neue konservative Regierung beschleunigte nach ihrem Amtsantritt im Sommer 2019 die Asylverfahren deutlich. Seit März 2020 sind die Rücknahmen durch die Türkei unter Verweis auf die Corona-Pandemie aber ohnehin ausgesetzt.

Bundesregierung: Pakt weitgehend erfolgreich

Die Bundesregierung erklärt in ihrer Antwort an die FPD-Fraktion, dass der Flüchtlingspakt in seinen Flucht- und Migrationsaspekten aus ihrer Sicht weitgehend erfolgreich umgesetzt werde. So sei die türkische Küstenwache weiterhin im Einsatz, um irreguläre Migration in die EU zu verhindern. Zudem gelte der Türkei große Anerkennung, weil es als weltgrößtes Aufnahmeland derzeit rund 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge beherbergt.

Gleichzeitig kritisiert die Bundesregierung die fehlende Reformbereitschaft auf türkischer Seite, weshalb Fragen wie eine erleichterte Visa-Vergabe oder der EU-Beitrittsprozess weiter auf Eis lägen. Der FDP-Abgeordnete Ulrich Lechte, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, sieht den Grund für das fehlende Entgegenkommen Ankaras in der starken Abhängigkeit der EU von der Türkei. "Europa bleibt in der Migrationsfrage der Türkei ausgeliefert", sagte Lechte t-online. "Die EU muss die eigenen Kapazitäten bei Grenzkontrolle und dem Grenzschutz schneller und stärker auf- und ausbauen. Ziel muss es sein, Abhängigkeiten zu verringern."

Lechte forderte die Europäische Union auf, mit der Türkei Lösungen zu finden, wie eine Rückführung abgelehnter Flüchtlinge auch unter Pandemie-Bedingungen wieder hochgefahren werden kann. Zugleich bemängelte er, dass sich die EU bis heute auf keinen Verteilungsmechanismus von Flüchtlingen verständigt hat. "Da hat auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft leider keine Einigung erzielen können." Dabei sei eine Einigung dringend notwendig, um die EU-Außengrenzen nachhaltig zu entlasten, so Lechte. "Ein Verteilungsschlüssel innerhalb der EU und ein paralleler Ausbau des Grenzschutzes muss unser aller Ziel sein."

Verwendete Quellen
  • Antwort der Bundesregierung auf eine FDP-Anfrage
  • Eigene Recherchen
  • Nachrichtenagentur dpa
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website