Impfstoff-Beschaffung Bundesregierung verteidigt sich: "Es war der richtige Weg"
Seit einer Woche wird auch in Europa wie in Deutschland flächendeckend geimpft. Doch seither ist die Kritik an der Impfstoff-Politik immer lauter geworden. Nun verteidigen sich Brüssel und Berlin.
Hat die europäische Impfstoff-Beschaffung Deutschland zu viel Zeit im Kampf gegen die Pandemie und damit Menschenleben gekostet? Diesen Vorwurf hat die Bundesregierung am Montag zurückgewiesen. Es sei eine Grundsatzentscheidung gewesen, die Impfstoffe über die Europäische Union einzukaufen, und zu dieser Entscheidung stehe man, bekräftigte Regierungssprecher Steffen Seibert in der Bundespressekonferenz in Berlin. "Wir sind überzeugt, dass das der richtige Weg war und ist", sagte er weiter und ergänzte: "Ja, die Ungeduld, die vielen Fragen, die die Bürger jetzt stellen, sind verständlich."
Seibert räumte mit Blick auf kritische Fragen von Journalisten nach einer zu geringen Zahl an Impfdosen und einem langsamen Tempo bei den Impfungen ein, "dass es derzeit noch nicht an allen Stellen optimal läuft". Der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, Hanno Kautz, betonte jedoch, auch bei einer Beschaffung im Alleingang hätte Deutschland jetzt nicht mehr Impfstoff zur Verfügung. Das Problem sei nicht die Bestellmenge, sondern die Produktionskapazität. Kautz sagte weiter: "Dass es am Anfang knapp sein würde mit dem Impfstoff, das war von Anfang an klar."
Vorabsprachen mit sechs großen Herstellern
Deutschland wie die anderen EU-Mitgliedstaaten hatten die Verhandlungen mit den Pharma-Unternehmen über Lieferverträge noch zu entwickelnder Impfstoffe in die Hände der EU-Kommission gegeben. Dies geschah auch, um den wirtschaftlich schwächeren Partnern den gleichen Zugang zur Impfstoffversorgung zu ermöglichen wie den großen. Es sollte damit aber ebenso ein Auseinanderdriften beim Kampf gegen die Pandemie verhindert werden.
Die EU-Kommission traf deshalb entsprechende Absprachen mit den Herstellern Biontech und Pfizer, Moderna, Astrazeneca, Curevac, Johnson & Johnson sowie Sanofi. Zuletzt hatte es jedoch Vorwürfe gegeben, Brüssel habe zu langsam und zögerlich Verträge insbesondere mit den vielversprechendsten Herstellern abgeschlossen. Zudem ist davon die Rede, dass Frankreich in den Verhandlungen massiv zugunsten seines Herstellers Sanofi interveniert hätte, bei dessen Impfstoffentwicklung es erhebliche Verzögerungen gibt.
Bislang hat lediglich der Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer eine Zulassung in der EU erhalten. Die Kommission hat bis zu 300 Millionen Dosen dieses Mittels reserviert. Noch in dieser Woche wird die Zulassung des Vakzins vom US-Konzern Moderna erwartet. Die Kommission hat hier für maximal 160 Millionen Dosen einen Liefervertrag. Deutlich mehr bestellt hat sie hingegen beim Tübinger Unternehmen Curevac und bei Frankreichs Sanofi.
EU: Ausgang der Impfstoffentwicklung nicht absehbar
Die EU-Kommission verteidigte am Montag gleichsam ihre Strategie. Ziel sei es gewesen, ein möglichst breites Portfolio an Impfstoffen zu schaffen, sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Dies habe die EU "in einem Kontext von bedeutender Unsicherheit" geschafft und fast zwei Milliarden Impfstoffdosen bei sechs verschiedenen Herstellern reserviert.
Der Kommissionssprecher wies darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen mit den Herstellern noch nicht absehbar gewesen sei, wann und ob die Mittel überhaupt zugelassen werden könnten. "Der Hauptpunkt war, von verschiedenen Unternehmen zu kaufen." Auch den Vorwurf, seine Behörde habe zu spät gehandelt, wies er zurück: "Wir haben bereits in Biontech investiert, lange bevor klar war, dass dieser Kandidat erfolgreich sein würde."
"Die Kommission schaut nun mit den Unternehmen (Biontech und Pfizer), ob es möglich ist, zusätzliche Impfstoffdosen zum bestehenden Vertrag hinzuzufügen", sagte der Sprecher weiter. So oder so müssten diese Mittel allerdings hergestellt und ausgeliefert werden. "Wir stehen noch am Anfang der Kampagne."
Pharmaindustrie nimmt EU und Berlin in Schutz
Zuspruch kommt von der Pharmaindustrie. "Die EU und auch die Bundesregierung haben sich nach unserer Kenntnis sehr rechtzeitig mit der Beschaffung von Impfstoffen auseinandergesetzt", sagte am Montag Hans-Georg Feldmeier, der Vorsitzende des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie.
"Was wir jetzt feststellen ist, dass die einzelnen Firmen mit einer unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeit zum Erfolg gekommen sind", so Feldmeier. "Zum Zeitpunkt der Verhandlungen konnte aber niemand voraussehen, wann welche Firma eine Impfstoffentwicklung erfolgreich abschließt."
Feldmeier schlug größere Packungen vor, um schnell mehr Impfstoff zur Verfügung zu stellen: Pro Behältnis könnte die europäische Arzneimittelbehörde EMA demnach sechs Impfdosen statt der bisherigen fünf zulassen. Einen Impfstoffgipfel, wie er der SPD vorschwebt, lehnte Feldmeier gleichzeitig ab. "Die akuten Fragestellungen sind nicht politischer, sondern regulatorischer und technologischer Natur. Diese Fragen können nicht auf einem Gipfel mit der Politik beantwortet werden."
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP