Wegen Brexit Briten und Iren streiten wieder über ihre Grenze
In den schwierigen Brexit-Verhandlungen droht eine alte Konfliktlinie aufzubrechen: Briten und Iren, jahrzehntelang in einen Bürgerkrieg verstrickt, streiten über den zukünftigen Status ihrer Grenze. Während Dublin auf klaren Zusagen beharrt, scheut London eine Festlegung.
Der Streit um die künftige EU-Außengrenze auf der irischen Insel nimmt an Schärfe zu. Vergangene Woche pochte Dublin auf einer schriftlichen Zusicherung aus London, wie eine feste Grenze zwischen Irland und Nordirland vermieden werden soll. Außenminister Simon Coveney sagte in Belfast: "Wir brauchen viel mehr Klarheit und viel mehr Sicherheiten."
Als Ausweg schlug der irische EU-Kommissar Phil Hogan am Wochenende erneut einen Verbleib Großbritanniens in der Zollunion und im Binnenmarkt vor. "Wenn Großbritannien oder Nordirland in der EU-Zollunion – oder besser noch im Binnenmarkt – bleiben würden, gäbe es keine Grenzfrage. Das ist eine sehr einfache Tatsache", sagte Hogan dem "Observer".
Andernfalls, so die Mahnung von Außenminister Coveney, seien Grenzkontrollen wegen der sich auseinander entwickelnden rechtlichen Rahmenbedingungen unvermeidlich.
London will Grenzfrage erst später behandeln
London lässt die Frage nach einer künftigen Grenzregelung bislang offen. Der britische Minister für internationalen Handel, Liam Fox, betonte am Sonntag, dass eine Entscheidung über die Grenze erst später getroffen werden könne. Dies sei nur möglich, wenn Klarheit über die künftigen Handelsbeziehungen der EU zu Großbritannien herrsche, sagte er dem Sender Sky News. Denn das ganze Land werde die EU, den europäischen Binnenmarkt und die Zollunion verlassen.
Auch gegen den Vorschlag einer kleinen Lösung für Nordirland gibt es Widerstand. Arlene Foster, Chefin der nordirischen Partei Democratic Unionists, die im Londoner Parlament Theresa Mays Minderheitsregierung stützt, schloss am Samstag einen Sonderstatus für Nordirland praktisch aus. Ihre Partei, so Foster, werde keiner Vereinbarung zustimmen, die Barrieren zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs errichte.
Neue EU-Außengrenze auf der irischen Insel
In den stockenden Brexit-Verhandlungen zwischen Brüssel und London ist die Frage der Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland eines der heikelsten Themen. Die Demarkationslinie auf der irischen Insel wird nach dem Austritt der Briten eine EU-Außengrenze.
Die britische Regierung hat immer wieder beteuert, dass es keine physischen Infrastrukturen an der Grenze geben soll, vermied aber bislang klare Zusagen. Irland befürchtet Handelshemmnisse und Spannungen bei einer festen Grenze in der früheren Bürgerkriegsregion.
Etwa 30.000 Pendler pro Tag
Wirtschaftlich sind die Regionen nach dem Ende des 30 Jahre dauernden Konflikts eng zusammengerückt. Zwischen Nordirland und der Republik Irland pendeln täglich etwa 30.000 Arbeitnehmer. Große Mengen an Milch und Schweinefleisch wechseln die Grenze, um auf der jeweils anderen Seite weiterverarbeitet zu werden.
„Wir haben eine Normalisierung der Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen erreicht nach einer langen, schmerzhaften Zeit. Handel und Wirtschaft haben dabei einen heilenden Effekt gehabt“, sagt Irlands Außenminister Coveney. „Deshalb sind wir gegen jede Grenze, die dies erschweren würde und die einen destabilisierenden Effekt auf den fragilen Friedensprozess haben könnte.“
Irland droht mit Verhandlungsblockade
Die EU hat London bis zum 4. Dezember Zeit für Zugeständnisse in drei Punkten gegeben: Neben der EU-Außengrenze geht es um die Brexit-Schlussrechnung sowie die Rechte der EU-Bürger in Großbritannien und der Briten auf dem Kontinent. Bewegt sich London nicht, droht Irland damit, den Start der für Mitte Dezember angesetzten zweiten Brexit-Verhandlungsphase zu blockieren.