EU-Gipfel Merkel will weitere Milliarden für Flüchtlinge in der Türkei
Die EU steht vor einigen Mammutprojekten: Brexit, Migration und die Türkei sind nur einige davon.
Trotz des erbitterten Streits mit der Türkei steht Bundeskanzlerin Angela Merkel fest zum EU-Flüchtlingsabkommen mit Ankara. Nach den ersten Hilfen von bis zu drei Milliarden Euro solle dieselbe Summe noch einmal fließen, sagte die CDU-Chefin zum Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel. "Hier leistet die Türkei Herausragendes." Gleichzeitig will Merkel aber die Hilfen zur Vorbereitung eines türkischen EU-Beitritts kürzen.
Kürzungen der Vorbeitrittshilfen für die Türkei
Noch im Wahlkampf hatte sich Merkel hinter die Forderung nach einem Ende der EU-Beitrittsgespräche gestellt und das Thema Türkei beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschef auf die Tagesordnung setzen lassen. Doch gibt es im Kreis der EU-Länder kaum Unterstützung für einen Bruch, auch weil Ankara als wichtiger Partner in der Flüchtlingskrise gilt. Nun wirbt Merkel für eine Kürzung der Zahlungen, die die Türkei für eine etwaige EU-Mitgliedschaft fit machen sollen. Diese Vorbeitrittshilfen sind auf 4,45 Milliarden Euro bis 2020 veranschlagt; 368 Millionen davon sind bisher vertraglich gebunden.
Merkel sagte, die demokratische Entwicklung in der Türkei sei "sehr negativ einzuschätzen". Dies gelte nicht nur wegen der Festnahmen vieler Deutscher, insgesamt bewege sich die Rechtsstaatlichkeit in die falsche Richtung. "Wir haben hier sehr große Sorgen", sagte sie. Unterstützung bekommt Merkel aus Österreich, das sich ebenfalls für ein Ende der Beitrittsgespräche stark macht. "Die Türkei hat keinen Platz in der Europäischen Union", bekräftigte der mögliche neue Kanzler Sebastian Kurz. Die mehr als vier Milliarden Euro solle man sich sparen.
Keine Mehrheit für Stopp der Beitrittsverhandlungen
Auch der dänische Regierungschef Lars Løkke Rasmussen sagte der Nachrichtenagentur Ritzau, die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan sei "eine Türkei, die nicht in die EU gehört". Er wisse aber, dass er nicht die Unterstützung der anderen Regierungschefs habe, die Beitrittsverhandlungen zu stoppen.
Die Bundesregierung sieht die Türkei-Debatte als einen Schwerpunkt des zweitägigen EU-Gipfels. Weitere Topthemen waren die Begrenzung der Flüchtlingszahlen auch auf der zentralen Mittelmeerroute von Libyen nach Europa. Der Gipfel sollte zudem den Start einer engeren Zusammenarbeit bei der Verteidigung zum Jahresende bestätigen und sich zu einer raschen Digitalisierung Europas bekennen. Auch die Nordkorea-Krise und das Atomabkommen mit dem Iran standen auf der Agenda, ebenso wie der für 2019 geplante EU-Austritt Großbritanniens.
Brexit-Verhandlungen gehen nicht vor Dezember weiter
Die britische Premierministerin Theresa May mahnte erneut Tempo bei den bisher schleppenden Brexit-Verhandlungen mit der EU an. Sie hoffe auf "ambitionierte Pläne" für die kommenden Wochen, sagte sie in Brüssel. Zuvor hatte sie sich in einem Brief direkt an die 3,2 Millionen EU-Ausländer in Großbritannien gewandt und betont, eine Einigung über ihre künftigen Rechte sei zum Greifen nah.
Großbritannien will so schnell wie möglich über ein Handelsabkommen mit der EU für die Zeit nach dem Austritt sprechen. Brüssel blockt das bisher ab und will vorher Zusagen aus London, vor allem bei finanziellen Verpflichtungen. Merkel sagte, bei den Gesprächen gebe es ermutigende Fortschritte, die allerdings noch nicht ausreichten. Sie geht aber davon aus, dass die nächste Verhandlungsphase beim EU-Gipfel im Dezember eingeläutet werden kann.
Debatten über EU-Reformen
Die vor allem von Frankreich vorangetriebene Debatte über Reformen der EU soll am Freitag Thema sein. Ratspräsident Donald Tusk hatte am Dienstag einen Fahrplan für Entscheidungen bis Mitte 2019 vorgelegt. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte, er freue sich auf die Diskussion mit Tusk über eine entschlossene Agenda für die Zukunft Europas "auf der Grundlage von Initiativen, die wir angestoßen haben".
Die Vorstellungen zu EU-Reformen gehen im Kreis der 28 Länder weit auseinander. So sagte die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo: "Wir sind uns alle einig, dass Reformen notwendig sind." Doch müssten alle Länder beteiligt werden. Und zunächst müssten die dringendsten Probleme der EU gelöst werden. Szydlo nannte die Migrationskrise und die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2, die Polen umgeht und von Warschau vehement abgelehnt wird.