Brexit-Brief von Theresa May "Es fühlt sich wie Erpressung an"
In ihrer Rede zum Brexit schlug die britische Premierministerin einen versöhnlichen Ton an. Ihren Brief, der den EU-Austritt Großbritanniens einleitet, fassen einige Politiker in Brüssel jedoch als Versuch der "Erpressung" auf.
Der sechsseitige Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk, mit dem Theresa May am Mittwoch den Austritt Großbritanniens aus der Union einleitete (hier als PDF-Datei verfügbar), ist bei führenden Politikern in Brüssel auf heftige Kritik gestoßen. Der Brexit-Beauftragte des EU-Parlaments, Guy Verhofstadt, warf May vor, die Themen Sicherheit und Kampf gegen den Terrorismus als Druckmittel zu nutzen. Der Chef der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Gianni Pittella, sprach gar von "Erpressung".
Beide Politiker stören sich besonders an einer Passage des Brexit-Briefes, in der May andeutete, die Sicherheitskooperation mit den Europäern von einem für Großbritannien günstigen Ergebnis der Austrittsverhandlungen abhängig machen zu wollen. "In Sicherheitsfragen würde ein Misserfolg (...) bedeuten, dass unsere Kooperation im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus geschwächt würde."
Tusk: EU muss "Interessen der 27 schützen"
Keine Zusammenarbeit mehr zwischen britischen Geheimdiensten und der EU? Als May im Januar ähnliches sagte, wurde dies auf EU-Seite als Drohung aufgefasst. EU-Ratspräsident Tusk ging in seiner Antwort nicht direkt darauf ein, sagte aber, dass es bei den Verhandlungen um Schadensbegrenzung gehe. Am Ende müssten die EU-Unterhändler "die Interessen der 27 schützen".
Deutlicher wurde dagegen Verhofstadt. "Die Sicherheit unserer Bürger ist viel zu wichtig, um sie zum Gegenstand eines Tauschhandels zu machen", sagte er in Brüssel. Großbritannien sollte sie nicht "als Druckmittel" nutzen, um bei den Verhandlungen Zugeständnisse in Wirtschaftsfragen zu erzwingen.
"Es fühlt sich wie Erpressung an"
Pittella, Vorsitzender der zweitgrößten Fraktion im EU-Parlament, sagte, es wäre "empörend", wenn in den Brexit-Verhandlungen "mit Menschenleben gespielt" werde. "Es fühlt sich wie Erpressung an", sagte er dem britischen "Guardian". "Sicherheit ist ein Gut, das allen unseren Bürgern zusteht, und kein Tauschmittel. Wir hoffen noch immer, dass Theresa May wieder in die richtige Spur zurückfindet. Das war kein schlauer Zug."
Die Spitzen der großen Fraktionen im EU-Parlament sind sich bereits über ihre gemeinsamen Forderungen für die Brexit-Verhandlungen einig. In einem zehnseitigen Resolutionsentwurf machen sie unter anderem klar, dass keine finanziellen Zugeständnisse gemacht werden dürfen.
Ein möglicher Brexit-Deal muss am Ende auch vom Parlament genehmigt werden. Die 27 verbleibenden EU-Staaten wollen ihre Verhandlungslinie auf einem Sondergipfel am 29. April festzurren.