Herzogs Sympathie für britische EU-Kritik "Bin strikt gegen einen europäischen Superstaat"
Alt-Bundespräsident Roman Herzog hegt Sympathie für die EU-Kritik von Großbritanniens Premier David Cameron: "Ich bin strikt gegen einen europäischen Superstaat", sagte Herzog.
"Wir brauchen Abwehrrechte der nationalen Parlamente gegen die Kompetenzüberschreitungen in Brüssel, die von den nationalen Regierungen geschickt ausgenutzt werden", so Herzog (CDU) gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Focus". "Dieser Prozess führt zu weniger Demokratie." Herzog (81) war von 1994 bis 1999 der siebte Bundespräsident.
Cameron wirft der EU vereinfacht dargestellt einen Hang zur Planwirtschaft und die Unterdrückung der Selbstbestimmung ihrer Mitgliedsstaaten vor. Herzog stößt ins selbe Horn. Er wolle kein Europa, das seine Bürger "mit immer neuen Gesetzen, Regelungen und Verordnungen drangsaliert." Er will "eine starke EU in der Welt, die dort unsere europäischen Interessen mit Nachdruck vertreten kann".
"EU hat nicht viel mit Rechtsstaat zu tun"
Ein neuer Mitgliedsstaat müsse inzwischen beim Beitritt 60.000 bis 70.000 Seiten an EU-Recht übernehmen, so Herzog, der auch Präsident des Bundesverfassungsgerichts war. "Das kann doch kein Bürger kennen. Aber er soll sich daran halten. In der Tendenz hat diese Praxis nicht mehr viel mit einem Rechtsstaat zu tun."
Nach dem Sieg bei den britischen Parlamentswahlen hat Camerons Regierung angekündigt, harte Verhandlungen mit der EU über mögliche Reformen führen zu wollen. Ziel sei es, "die EU so zu reformieren, dass sie Arbeitsplätze schafft und die Lebensstandards für alle Bürger verbessert", sagte Finanzminister George Osborne. Zudem will Cameron das geplante Referendum über den Verbleib seines Landes in der EU so schnell wie möglich abhalten.
Angesichts der ungemütlichen Lage sei Herzog gespannt, "welches Ergebnis die schwierigen Verhandlungen mit den Engländern haben werden.“ Dennoch schaue er positiv in die Zukunft: "Aus der Krise ergeben sich oft die besten Chancen.“
Gauck warnt vor Nationalismus
Tags zuvor hatte der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck im Rahmen der Karlspreis-Verleihung noch vor einer Rückkehr des Nationalismus gewarnt. Er forderte alle Europäer auf, angesichts neuer Gefahren von innen und außen enger zusammenzurücken. Der Karlspreis, der wichtigste Preis für Bemühungen um europäische Integration, ging in diesem Jahr an den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD).