t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeKlimaLeben & Umwelt

Deutschlands Milchbauern kämpfen ums Überleben: Ohne Bauern keine Sahnetorte


Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

Höfesterben in Deutschland
Zwischen Bergidyll und Kuhknast

  • Theresa Crysmann
Von Theresa Crysmann

Aktualisiert am 22.08.2022Lesedauer: 10 Min.
Die zweitälteste Kuh auf dem Hof der Leyschultes: Vakahura trottet als Letzte in den Melkstand.Vergrößern des Bildes
Jeden Morgen und Abend steht Katharina Leyschulte im Melkstand: Ihr Tag beginnt um sechs und endet rund zwölf Stunden später. (Quelle: Theresa Crysmann)

Explodierende Kosten und strenge Auflagen lassen viele Milchbauern aufgeben. Eine junge Frau melkt gegen den Trend an – und das ganz ohne Bio.

Morgens dauert es länger. Vor allem an einem Morgen wie heute: Es ist der erste Arbeitstag für Milchkuh 190. Am Vortag hat sie ihr erstes Kälbchen bekommen, das Melkgeschirr ist ihr unheimlich, die Routine der Kolleginnen fehlt. Zur Beruhigung legt Katharina Leyschulte der Kuh eine Hand auf die Flanke.

"Wir stellen die Neuen immer zwischen besonders erfahrene Kühe, das gibt Sicherheit", sagt sie und stellt ihren To-go-Becher neben ein klobiges Baustellenradio. Insgesamt 140 Kuheuter muss sie noch desinfizieren, per Hand vormelken, anschirren und dann lauwarm abwischen. Ohne Koffein und Popsongs geht das um kurz nach sechs nicht. "Wir haben den Melkstand quasi um die Kaffeemaschine herumgebaut", sagt Leyschulte, bekleidet mit einer bodenlangen blauen Schürze, und grinst.

Katharina Leyschulte ist 29 Jahre alt und eine von Zehntausenden Milchbäuerinnen und Milchbauern in Deutschland. Ihr Hof liegt im Münsterland, zur niedersächsischen Grenze sind es wenige Hundert Meter. Im August müssen sich Besucher den Weg dorthin von der Landstraße durch ein riesiges Labyrinth aus Maisfeldern bahnen. Am Ende der Straße erheben sich drei große Ställe aus dem Kolbenmeer, daneben ein sandsteinfarbenes Bauernhaus.

Neben vier Generationen der Familie Leyschulte sind hier Hunderte Rinder zu Hause: die 140 Milchkühe, fast ebenso viele weibliche Jungtiere, eine Handvoll Bullen und immer wieder Kälbchen.

Immer mehr Milchbauern werfen hin

Der Hof hat eine lange Geschichte. Vor knapp 100 Jahren führte Katharina Leyschultes Urgroßvater in diesem äußersten Zipfel von NRW die ersten Kühe in den Stall. Später übernahm sein Sohn den Betrieb und auch dessen Sohn blieb in der Landwirtschaft. Eine Entscheidung, die damals in den 1990er-Jahren noch recht unspektakulär war. Anders als heute.

Pro Tag geben in Deutschland durchschnittlich sechs Milchbäuerinnen und -bauern auf. Von 85.000 Höfen im Jahr 2012 existieren inzwischen noch etwa 53.600 Betriebe – ein Drittel musste innerhalb nur eines Jahrzehnts die Tore schließen.

In Bayern, dem größten Milchland der Republik, ist das Höfesterben zuletzt besonders rasant vorangeschritten. Mit durchschnittlich 49 Kühen halten viele der traditionell kleinen Betriebe dem wachsenden finanziellen Druck nicht stand.

In Niedersachsen und NRW, Platz zwei und drei in Sachen Milchproduktion, sind die Herden größer. Doch hier werfen ebenfalls viele Milchviehhalter hin. Auch im Bekanntenkreis der Leyschultes ist das keine Seltenheit.

Für Seniorchef Hajo Leyschulte war es alles andere als selbstverständlich, dass seine älteste Tochter den Hof übernehmen würde. "Ich weiß noch, als ich meinen Papa gefragt habe: Würdest du mich für die Ausbildung fit machen? Das war ein sehr emotionaler Moment", sagt Katharina Leyschulte. "Uns ist das beiden richtig nahgegangen" – nur aus Freude, versichert ihr Vater später.

Sorge um das finanzielle Auskommen seiner Tochter habe er nicht, der Hof trage sich. "Es rechnet sich schon irgendwo, aber es ist eine schmale Rechnung." Der Umsatz des Betriebes liege jährlich zwischen 600.000 und 800.000 Euro; wenn es gut laufe, bleibe am Ende ein Gewinn von 10 Prozent.

Dass Katharina Leyschultes Mann Toni einen guten Job im Logistikbereich hat, nimmt Druck. Doch gemeinsam mit ihrem Vater arbeitet sie rund 100 Stunden pro Woche, auf eigene Rechnung und eigenes Risiko. Selten gibt es wirklich Urlaub oder Wochenende. Die Zahl unterm Strich mag schwarz sein, doch für all das ist sie klein.

Sahnetorten aus dem Kuhstall

Dabei sind die Leyschultes breit aufgestellt. Sie bauen Mais und verschiedene Getreidesorten an, züchten Jungrinder für den Verkauf, haben eine große Solaranlage auf dem Dach. Auf die Milcherzeugung allein wollen sie sich nicht verlassen; trotz großer Herde und aktueller Rekordpreise auf dem Milchmarkt.

Jahrelang gab es nicht annähernd so viel Geld für den Liter wie zurzeit: 53 Cent. Abnehmer für ihre Milch ist die nahegelegene Molkerei Mertens, Hauptlieferant von Coppenrath und Wiese. Wer schon einmal ein Stück Sahnetorte der Tiefkühlkonditorei im Mund hatte, war mit der Zunge höchstwahrscheinlich im Kuhstall der Leyschultes.

Doch dem verlässlichen Absatz stehen explodierende Produktionskosten auf dem Hof entgegen. Lieferengpässe, Inflation und Energiekrise treffen die Landwirte bei Düngemitteln, Pflanzenschutz, Diesel und Energie. Auch die Maschinen verteuern sich zunehmend.

Hinzu kommen immer strengere Klima-, Umwelt- und Tierwohlauflagen, sagt Katharina Leyschulte. Am meisten ärgert sie gerade die Sache mit dem Kälbertransport. "Bisher konnten wir unsere Bullenkälber nach zwei Wochen an den Mäster abgeben. Ab Anfang nächsten Jahres müssen wir doppelt so lange warten, bis sie abgeholt werden dürfen."

Schuld ist ein Gesetz mit der sperrigen Abkürzung "TierschTrV". Die Tierschutztransportverordnung erlaubt den Kälbertransport nun erst ab dem 28. Lebenstag. Bis Ende Dezember gilt noch eine Übergangsfrist, doch die Umstellung innerhalb eines Jahres ist das kleinere Problem.

"Jedes Kalb muss zwei Wochen länger hierbleiben, braucht zwei Wochen länger Futter", sagt Leyschulte. Pro Tier schlage das mit zusätzlich 75 Euro zu Buche. Dafür bekomme sie keinen Ausgleich. "Das wird weder vom Staat noch vom Verbraucher entlohnt, sondern kommt aus meiner Tasche." Und ergibt aus Sicht der Jungbäuerin ohnehin wenig Sinn.

"In den ersten zwei Wochen haben die Kälber eine besonders gute Erregerabwehr durch die Muttermilch, danach kommt ein Immunloch. Da sind sie anfälliger und auch der Transport ist stressiger", sagt sie. Dass Experten aus der Branche an der Gesetzesänderung beteiligt waren, spüre man nicht.

Loading...
Loading...

Working Mums im Kuhstall

Zurück im Kuhstall. Seit drei Stunden ist Leyschulte inzwischen auf den Beinen, immer noch mit leerem Magen. In der Küche des Bauernhauses steht das Frühstück bereit, Mutter und Großmutter haben gedeckt, auch Aushilfen, Azubis und Praktikanten sitzen mit am Tisch. Die Milchbäuerin will aber erst noch im Mutterschaftsstall vorbeischauen – am frühen Morgen wurden drei Kälber geboren.

Kuh Motzis Zwillinge stehen auf wackeligen Beinen, das Kälbchen von Kuh Torte ist auf die andere Seite des Stallgitters gefallen. Katharina Leyschulte hilft dem Kalb zurück ins Stroh. Sein Fell ist noch feucht, die großen dunklen Augen schauen etwas glasig in die Welt.

Doch die Zeit zu zweit ist für die Neugeborenen und ihre Mütter bald vorbei. Kurz darauf werden sie getrennt. Es ist die Regel in Deutschland: Nur ein geringer Anteil der Milchhöfe gewährt ihren Kühen Elternzeit – selbst auf Biobetrieben ist keine Zweisamkeit garantiert. Auch Nicht-Veganern kann sich bei dem Gedanken das Herz zusammenziehen. Die Kostenfrage zieht sich durch alle Bereiche des Hoflebens.

Denn die kuhgebundene Kälberaufzucht rentiert sich oft nicht, der Markt honoriert das Plus an Tierwohl nicht. Zusätzliche Stallkosten oder Weidepacht und weniger vermarktbare Milch würden die Erträge weiter zusammenschmelzen lassen. "Die Kälber kommen sehr früh in die Kita“, sagt Katharina Leyschulte. „Die Kühe sind Working Mums, so wie ich."

Bei ihr wohnen die Kälber nach Trennung und kurzer Quarantäne in WGs, aus den Plastikzitzen ihrer Futtereimer fließt frische Mich der eigenen Herde. Immerhin. Andernorts wird angerührtes Milchpulver verfüttert, das ist billiger. Und: Die frühe Trennung ist besser als eine späte. Je länger die Wartezeit, desto stärker vermissen sich die Tiere letztlich.

Katharina Leyschultes zehn Monate alte Tochter spielt drinnen im Laufstall. Da die Tagesmutter Covid-bedingt ausfällt, passen Oma Birgit und Uroma Elisabeth auf das Kleinkind auf. Acht Wochen hatte Katharina nach der Geburt Anspruch auf einen Betriebshelfer. Schon nach der Hälfte der Zeit habe ihre Sozialversicherung angerufen, ob sie früher wieder arbeiten könne.

"Die Selbstständigkeit für Frauen in der Landwirtschaft ist echt hart", sagt sie. "Hätte ich nicht meine Familie im Hintergrund, ich wüsste nicht, was ich machen würde." Der Weg in die Küche führt vorbei am dunkelblauen Hyundai der Leyschultes: "Proud to be a Farmer" steht auf der Heckscheibe, das Tecklenburger Nummernschild buchstabiert "TE-AM".

Die Konkurrenz kommt vom anderen Ende der Welt

Zwischen Graubrotscheiben und hart gekochten Eiern geht es beim Frühstück um das neue Freihandelsabkommen, das Deutschland jüngst mit der Milchviehnation Neuseeland geschlossen hat. Der Deal: bessere Exportbedingungen für deutsche Autos gegen bessere Importbedingungen für Butter, Joghurt und Milchpulver aus Neuseeland.

Vater Hajo Leyschulte schüttelt kauend den Kopf und starrt auf den Messbecher mit Milch, der vor ihm steht; direkt aus dem Melktank, vier Prozent Fett, ein Hauch Stallgeschmack. "Für uns heißt das, der deutsche Markt wird wieder von der ausländischen Konkurrenz geflutet, die billiger produzieren und verkaufen kann als wir, weil sie nicht unter entsprechend strengen Umwelt- und Klimaauflagen arbeiten müssen. Danke für nichts", flucht er.

Mehr als die Straßen zu blockieren, wie es jüngst verzweifelte niederländischen Viehhalter gemacht haben, könne man nicht. "Wir wollen auch nicht, dass die Bevölkerung darunter leidet, dass wir protestieren", sagt Hajo Leyschulte. "Es ist echt schwierig, auf uns aufmerksam zu machen, die Zusammenhänge sind inzwischen so komplex."

Das gelte auch für den Beschluss der EU, der Landwirte ab 2023 zwingt, vier Prozent ihrer Flächen für mehr Biodiversität und Klimaschutz stillzulegen. "Einem Menschen im Supermarkt kann man nicht erklären, dass wir Flächen stilllegen müssen und die Milch dann vielleicht zehn Cent teurer wird."

Die Kombination aus stetig schärferen Auflagen, immer höheren Kosten und einer gefühlt geringen Wertschätzung der Verbraucher ließe viele Bauern verzweifeln. "Wir verlieren täglich Kollegen, die an diesem Heckmeck kaputtgehen." Der Leyschulte-Senior atmet tief durch, seine Frau Birgit legt ihm die Hand auf den Arm. Im Hintergrund quengelt die Jüngste.

"Die ganze Arbeit, die hinter dem Produkt Milch steht, wird leider oft nicht gesehen", sagt sie und nimmt ihre Tochter auf den Schoß. Ob Familienbetriebe wie ihrer als Modell bestehen können, kann sie nur hoffen. "Ich fand es total schön, so aufzuwachsen. Wir kommen immer für Mahlzeiten und gemeinsame Projekte zusammen und leben hier so idyllisch wie andere Urlaub machen."

Sargnagel für die Natur, Todesstoß für die Höfe

Der Hof liegt in einem Naturschutzgebiet, rundherum bauen Rebhühner ihre Nester, im Dach des Bauernhauses nisten Schwalben, die vielen Bienen in der Einfahrt lassen das gravierende Insektensterben im ganzen Land kurzzeitig vergessen.

Dabei deutet vieles darauf hin, dass die Landwirtschaft für einige der drängendsten ökologischen Probleme stark mitverantwortlich ist, vom Insektensterben über die Klimakrise bis zum Artenschwund: zu viel Dünger, zu viel Pflanzenschutzmittel, zu viele Tiere. Die Naturschutzorganisation Nabu mahnt, die heutige Form der Landwirtschaft sei ein "Sargnagel" für Tiere und Pflanzen.

Für Katharina Leyschulte ist das die einseitige Sicht von Umweltaktivisten, Städtern und idealistischen Politikern. "Man sieht doch, wie viel hier kreucht, fleucht und piepst." Die Höfe seien für das Ökosystem und die biologische Vielfalt unverzichtbar. "Aber dass das zusammenhängt, verstehen viele nicht mehr."

Stattdessen werde die Tierhaltung immer mehr eingeschränkt. "Klar emittieren wir Stickstoff und Treibhausgase, aber dafür produzieren wir auch hochwertige Lebensmittel, das Wichtigste, was der Körper braucht!"

Unweit des Leyschultschen Hofs zeigt sich in den Niederlanden, wie weit es kommen kann, wenn nicht rechtzeitig Kompromisse gefunden werden, die sowohl der Umwelt als auch den Landwirten gerecht werden. Dort will die Regierung zahlreichen Viehhaltern einen Großteil der Tiere wegnehmen.

Ihnen wird die extreme Stickstoffverseuchung in großen Bereichen des Landes zur Last gelegt – die faktische Enteignung scheint der letzte Ausweg aus dem drohenden ökologischen Kollaps. Für viele Höfe wäre es der Todesstoß.

"Hinter Betrieben stehen immer Familien, die mit ihrem Herzblut ihren Beruf machen, sich aufopferungsvoll um ihre Tiere kümmern und jetzt gezwungen werden sollen aufzugeben, weil sie zufällig im falschen Postleitzahlgebiet wohnen." Die junge Milchviehwirtin hofft, dass sich die Situation in Deutschland nicht so zuspitzt.

Werben um Verständnis

Auch hier sucht die Politik händeringend eine Lösung für die vielerorts deutlich zu hohen Stickstoffwerte. Während ihre Eltern sich politisch engagieren, will Katharina Leyschulte vor allem bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern für mehr Verständnis sorgen – zeitgemäß auf Social Media. Hashtag Dialog, Hashtag Traumberuf.

Zusätzlich reisen jedes Jahr bis zu 600 Besucher auf den Hof, um sich die "ganz normale Milchviehhaltung" anzuschauen, wie Katharina Leyschulte es nennt. Oder, um im Wortschatz der Branche zu bleiben: die konventionelle Landwirtschaft, die viele Kritiker mit Massentierhaltung gleichsetzen. Für Katharina und Hajo Leyschulte ist es ein Reizwort. Sie würden es als leeren Kampfbegriff am liebsten aus der Diskussion verbannen.

"Hier mussten Licht und Luft rein"

Tierzahlen allein seien nicht aussagekräftig. Genauso wenig wie eine Bio-Zertifizierung – die ihr Betrieb nicht hat. "Bio ist für mich nur ein Siegel. Es sagt nichts über die Qualität der Tierhaltung, der Milch und der Nachhaltigkeit aus", findet Katharina Leyschulte. Ihre eigene Philosophie hat den Familienbetrieb schon wiederholt unter die besten Milcherzeuger im Norden gebracht.

An der Holzverkleidung des größten Stalls hängt zweifach die "Goldene Olga", der Preis der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsens. Dass hier "vorbildlicher Tierschutz" betrieben wird, können Kardashian, Hanuta, Barbie und die anderen Kühe zwar nicht von den Schildern ablesen. Spüren dürften sie es aber.

"Wir haben schon früh nach und nach die Wände rausgerissen, die Dächer geöffnet und mehr Platz für die Tiere geschaffen. Hier mussten Licht und Luft rein", sagt Katharina und wird von einer graubraunen Kuh mit der Schnauze angestupst. Ronja ist ihr Verlobungsrind; der erste Familienzuwachs, noch vor der eigenen Tochter.

"Mein Mann weiß, dass ich mir aus Schmuck nichts mache. Stattdessen hat er mir zum Heiratsantrag Ronja geschenkt." Sie krault die Kuh an der Wange. Oft seien Hofgäste überrascht, dass es ihren Tieren gut gehe, obwohl sie ein konventioneller Betrieb sind.

In vielen Köpfen scheine es nur Bergwiesen-Idyll oder Kuhknast zu geben. Beides sei nicht repräsentativ für die Branche in Deutschland. Dass die großen Supermarktketten seit einiger Zeit ein Tierwohllabel mit Ziffern von 1 bis 4 auf Fleisch- und Milchprodukte drucken, helfe nicht.

'Made in Germany' als Kaufanreiz

"Wir haben inzwischen ein absolutes Label-Trallala, der Einzelhandel kocht sein eigenes Süppchen, die Biobranche genauso. Langsam wird die Milchtüte zu klein für alle Symbole und die Verbraucher haben längst den Durchblick verloren. Und das, was wirklich alle Landwirte wollen, kriegen wir nicht: eine Marke 'Made in Germany'."

Österreich habe das geschafft, Frankreich auch, Großbritannien sowieso. Nur Deutschland packe es nicht, "weil das Landwirtschaftsministerium sich querstellt". Katharina ist sicher: Was bei Waschmaschinen, Autos und Werkzeug als absolutes Qualitätsmerkmal zieht, würde auch den Bauern helfen.

Ganz praktisch braucht es auf dem Hof heute aber Kennzeichnungen für Kühe statt für deren Milch. Unter anderem für Kuh 190. Vornamen gibt es erst nach dem ersten Kalb, wenn aus dem weiblichen Rind eine Milchkuh geworden ist. Bevor der externe Milchkontrolleur am Nachmittag vorbeischaut, stehen zehn Taufen an.

Ihre Ideen sammeln die Leyschultes in einer WhatsApp-Gruppe mit Familie, Freunden und Kollegen. Hunderte Namen haben sie schon vergeben. Dass die Kühe stets denselben Anfangsbuchstaben tragen müssen wie ihre Mütter, macht die Aufgabe nicht leichter.

Die Juniorchefin wischt mit dem Zeigefinger durch die Vorschläge, hält inne und lacht. "Nee, also Habecki geht gar nicht. Das klingt einfach nicht rund." Neben Stars, Pokémons und Märchenfiguren leben tatsächlich schon einige Politikerinnen im Kuhstall. Ihrer Namen, nicht ihrer Politik halber.

Von der neuen Regierung scheint Katharina Leyschulte bisher auch eher enttäuscht; wiederholt betont sie, wie viel sie sich von der Zeitenwende in Berlin erhofft hatte. Aus der Kuh mit "H" wird letztlich "Hilli". Auch Elfe, Gerti und Mauzi sind im Alltag nun ihre Nummern los. Die 190 tauft die junge Bäuerin auf Watt. Und irgendwie schafft es dann doch auch "Scholzi" noch auf die Liste.

Verwendete Quellen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Neueste Artikel



TelekomCo2 Neutrale Website