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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neues Klimaschutzgesetz Was wird sich jetzt ändern?
Plötzlich ging es ganz schnell: Nach nur zwei Wochen steht das neue Klimaschutzgesetz der Bundesregierung. Jetzt kommen unter anderem auf Vermieter höhere Kosten zu.
Deutschland soll seine Klimaziele deutlich früher erreichen als bisher geplant. Mit ihrem überarbeiteten Klimaschutzgesetz will die Bundesregierung das möglich machen. Deshalb gibt es nun neue Etappenziele, genauere Vorgaben für die Wirtschaft und einen Verweis auf Ökosysteme als natürliche Helfer im Kampf gegen die Klimakrise.
Was steht drin?
Eine der größten Änderungen im novellierten Klimaschutzgesetz ist der neue Zeitrahmen. Deutschland soll nun schon im Jahr 2045 klimaneutral werden, statt wie ursprünglich geplant 2050.
Die nationalen Treibhausgasemissionen müssen bis dahin nahezu auf null gesenkt sein – im Vergleich zu den Werten aus dem Jahr 1990. Ab dann sind nur noch so viele CO2-Emissionen erlaubt, wie natürlich oder technisch wieder absorbiert werden können. Bisher sind die Emissionen um 40 Prozent zurückgegangen.
Strikteres Etappenziel
Das nächste wichtige Etappenziel auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045 ist weiterhin das Jahr 2030. Jedoch soll der CO2-Ausstoß in Deutschland bis dahin um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Bislang galt für dieses Jahr eine Zielmarke von -55 Prozent.
Deutschland will so seinen Beitrag aus dem Pariser Klimaschutzabkommen erfüllen. Die Vereinten Nationen hatten sich 2015 verpflichtet, die globale Erderwärmung unter zwei Grad zu halten und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, um verheerende Folgen für Klima, Umwelt und Menschen abzuwenden.
Neue Vorgaben für die Wirtschaft
Der neue Entwurf des Klimaschutzgesetzes setzt vor allem auf einen stärkeren Rückgang der Emissionen in der Wirtschaft. Energiesektor, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und der Abfallsektor müssen sich darauf einstellen, ihren Ausstoß an CO2 und anderen Klimagasen schneller zu reduzieren als bislang geplant. Die jährlichen Emissionsmengen von 2023 bis 2030 werden neu festgelegt.
Die größte Aufgabe fällt der Energiewirtschaft zu: Das neue Klimagesetz zwingt diese beispielsweise, im Jahr 2030 auf 67 Millionen Tonnen CO2 zu verzichten, die ihr das alte Gesetz noch zugestanden hatte.
Damit gilt als sicher, dass die Kohlemeiler deutlich früher abgeschaltet werden müssen als 2038 – dem Datum, das die Regierung in ihrem Kohlekompromiss festgelegt hatte. Auch der Verkehr muss bis Ende des Jahrzehnts 10 Millionen Tonnen Treibhausgase mehr einsparen als bisher vorgesehen.
Für den Fall, dass ein Sektor seine Zielvorgaben verpasst, sollen die zuständigen Bundesministerien innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen, das zeigt, wie sie die verfehlten Ziele aufarbeiten wollen. Dieses Jahr trifft das schon jetzt auf den Gebäudesektor und damit die Bau- und Wirtschaftsministerien zu.
Emissionsfahrplan von 2031 bis 2040
Bislang gab es für die Zeit zwischen 2031 und 2040 keine genauen Zwischenziele für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Das Bundesverfassungsgericht hatte dies bemängelt und die Überarbeitung des Gesetzes damit überhaupt erst ausgelöst. Ein Emissionsfahrplan im neuen Gesetz legt nun für jedes Jahr dieses Zeitraums eine Prozentvorgabe für Einsparungen fest.
Bis 2035 soll der CO-Ausstoß demnach um 77 Prozent gesunken sein, bis 2040 um 88 Prozent. Klimaschützer wünschen sich allerdings schon für 2030 eine Minderung von 70 Prozent; ein Wert, der nach dem neuen Gesetz aber erst 2032 erreicht sein soll.
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Natürliche Klimahelfer jetzt auch im Gesetz
Diese neuen Jahres- und Sektorziele allein dürften allerdings kaum reichen, um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Auch das stellt das neue Gesetz fest. Eine Brücke sollen deshalb natürliche Ökosysteme schlagen: die Bundesregierung setzt darauf, dass beispielsweise Wälder und Moore die restlichen drei Prozentpunkte an Treibhausgasemissionen binden werden.
Dieser Aspekt ist neu im Gesetz, ebenso wie die Verpflichtung, diese Ökosysteme wegen ihrer Bedeutung für den Klimaschutz intakt zu halten. Das Ziel: Bäume, Gräser und co sollen ganz natürlich bis 2030 jedes Jahr zusätzliche 25 Millionen Tonnen Treibhausgase binden.
Ob das klappen kann, ist aber unklar. Zum Vergleich: 2018 haben die natürlichen Ökosysteme 18 Millionen Tonnen Treibhausgase gebunden. Umweltorganisationen befürchten, dass die Rechnung mit dem natürlichen Puffer etwa wegen der Zerstörung von Wäldern nicht aufgehen wird.
Was fehlt?
Konkrete Maßnahmen, wie die Klimaziele erreicht werden sollen, stehen nicht im Gesetz. Zwar sind mehrere mögliche Instrumente zur Senkung von Emissionen im Gespräch, die Bundesregierung hat diese aber nicht gleich mit festgeschrieben.
Ein höherer CO2-Preis, ein vorgezogener Kohleausstieg und ein schnellerer Ausbau von Wind- und Solarenergie gelten stattdessen als mögliche flankierende Maßnahmen.
Bürger bei Kosten entlasten
Um ihr neues Klimagesetz anzuschieben, hat die Bundesregierung einen "Klimapakt" beschlossen, der das neue Klimaschutzgesetz begleiten soll. Was momentan eher ein Eckpunktepapier ist, soll in den kommenden Wochen in einem Sofortprogramm mit ersten Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaziele für Bürger und Industrie münden.
Schon jetzt ist klar: Vermieter sollen künftig die Hälfte der Kosten für den seit 1. Januar geltenden CO2-Preis auf Öl und Gas tragen. Außerdem ist eine Sanierungsoffensive für Gebäude mit weiteren Förderungen ebenso vorgesehen wie höhere, klimafreundliche Neubaustandards.
Zudem soll es weitere Hilfen für die Industrie geben, um deren Produktion klimafreundlicher zu machen. Auch Quoten für klimafreundliche Produkte sind in Planung. Außerdem soll die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft noch einmal beschleunigt werden.
Auf Privathaushalte kommen zusätzlich schärfere energetische Standards für Neubauten sowie Änderungen bei der Kfz-Steuer zu. Diese soll noch stärker am CO2-Ausstoß ausgerichtet werden.
Wie geht es weiter?
Bevor das neue Klimaschutzgesetz in Kraft treten kann, muss erst noch der Bundestag darüber entscheiden. Die Parlamentsdebatte und die Abstimmung über das neue Gesetz sind bisher noch nicht angesetzt.
Für das begleitende Maßnahmenpaket könnten im Haushalt 2022 bis zu acht Milliarden Euro bereitgestellt werden. Allerdings muss auch dieser "Klimapakt" erst durch den Bundestag.
Warum gibt es ein neues Klimaschutzgesetz?
Das Bundesverfassungsgericht hatte das ursprüngliche Klimaschutzgesetz der Regierung im April 2021 für teilweise verfassungswidrig erklärt, da es jüngere Generationen benachteilige. Bis 2030 sieht dieses Gesetz nach Meinung der Richterinnen und Richter zu wenig Einsparungen vor, sodass danach umso mehr geleistet werden müsse, damit Deutschland seine internationalen Verpflichtungen einhalten könne.
Dies sei nicht rechtmäßig, da die Hauptlast so auf eine spätere Generation verlagert werde. Die Bundesregierung sah sich deshalb verpflichtet, nachzubessern.
- Eigene Recherche
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters