Strengere Schadstoffgrenzwerte beschlossen Neue EU-Einigung: Kommen jetzt Fahrverbote?
Pro Jahr mehr als 300.000 Tote in der Europäischen Union durch schlechte Luft – aber nun soll etwas geschehen. Das hat die EU beschlossen. Was bedeutet das für Autofahrer?
Die Europäische Union bringt strengere Grenzwerte für verschiedene Luftschadstoffe auf den Weg. Neben Feinstaub gehören auch Stickstoffdioxid (NO2) und Schwefeldioxid (SO2) zu den Schadstoffen, die künftig stärker reguliert werden sollen. Darauf haben sich Unterhändler des Europäischen Parlaments und der EU-Länder geeinigt.
So sollen die Grenzwerte für Feinstaub bis 2030 um 60 Prozent gesenkt werden. Außerdem sollen die Bürger künftig Anspruch auf Entschädigung haben, wenn sie durch die Nichteinhaltung der Grenzwerte krank werden. Die Neuregelung muss noch von den EU-Staaten und dem Parlament formell bestätigt werden, was aber nur noch Formsache ist.
Deutschland setzt sich gegen Fahrverbote ein
In Ausnahmefällen haben die Staaten jedoch die Möglichkeit, das Zieljahr zu verschieben. Auch Fahrverbote sind als Maßnahme nach jetzigem Stand nicht völlig ausgeschlossen. Sie gelten aber auf Druck Deutschlands als eher unwahrscheinlich. Mit dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission seien solche Fahrverbote möglich gewesen, heißt es aus dem Bundesumweltministerium.
Deutschland hatte die alten EU-Grenzwerte, insbesondere für Stickoxide, jahrelang nicht eingehalten und damit ein EU-Verfahren ausgelöst. Die EU-Regeln sahen jedoch keine konkreten Sanktionen vor. Umweltverbände erzwangen schließlich auf dem Klageweg Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge in einigen deutschen Städten, um die Einhaltung der Grenzwerte durchzusetzen. Inzwischen werden die Grenzwerte in Deutschland fast flächendeckend wieder eingehalten.
Weltgesundheitsorganisation empfiehlt strengere Werte
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) nennt die Einigung einen "großen Fortschritt für saubere Luft und die Gesundheit der Menschen in Europa". Der sozialdemokratische Verhandlungsführer im Europaparlament, Javi López, sagt: "Die Einigung bedeutet eine Abkehr von veralteten Standards, die teilweise 15 bis 20 Jahre alt sind." Er nennt die Luftverschmutzung eine "Pandemie in Zeitlupe".
Die neuen Ziele bleiben jedoch hinter den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zurück. Während das Parlament ursprünglich eine strikte Anpassung an diese Empfehlungen bis 2035 gefordert hatte, unterstützten die Mitgliedstaaten nur die von der EU-Kommission vorgeschlagenen weniger drastischen Werte bis 2030.
Gemäß Angaben der Europäischen Umweltagentur starben in der EU allein im Jahr 2021 mehr als 300.000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung. Hauptverursacher waren Feinstaubpartikel, die beispielsweise durch Reifenabrieb oder Industrieanlagen entstehen und für mehr als 250.000 Todesfälle verantwortlich waren. Auch Stickoxide, insbesondere aus Dieselmotoren, trugen zu diesem Problem bei.
Opposition kritisiert Beschluss
Kritik an den neuen Zielen kommt aus dem Bundestag: Steffen Bilger, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, warnt vor technisch nicht umsetzbaren Grenzwerten und befürchtet Klagewellen wegen der neu vorgesehenen individuellen Schadenersatzansprüche.