Schluss mit Umweltverschmutzung? Wie Kreuzfahrtschiffe nachhaltiger werden wollen
Sie gelten als Dreckschleudern unter den Urlaubsformen: Kreuzfahrten. Die Branche arbeiteten an Alternativen. Eine norwegische Reederei will mit ganz besonderen Naturgasen gegen das Image als Umweltsünder vorgehen.
Als im Dezember die "Aida Nova" in See stach, war das eine Sensation – oder ein längst überfälliger Schritt. Es kommt darauf an, wen man fragt. Das neue Flaggschiff in der Flotte von Aida Cruises ist das erste Kreuzfahrtschiff der Welt, das im Hafen und auch auf See hauptsächlich mit Flüssigerdgas (LNG) angetrieben wird. Marinediesel kommt allenfalls unterstützend zum Einsatz. Der Urlauber soll das Gefühl haben, mit einem guten Gewissen an Bord zu kommen.
Seit der Indienststellung laufe die "Aida Nova" vollständig auf LNG, erklärt Aida Cruises. In der Sommersaison ist das Schiff im westlichen Mittelmeer unterwegs, im Winter rund um die Kanaren. Die Fahrgebiete bleiben 2020 und 2021 gleich. Die Versorgung läuft über ein LNG-Tankschiff, das selbst auch mit Erdgas aus Terminals in Barcelona und Teneriffa angetrieben wird. Es gibt eine Partnerschaft mit Shell Global für die Versorgung der Schiffe. "Die Infrastruktur ist derzeit noch eine Herausforderung", sagt Aida-Präsident Felix Eichhorn.
Sind Kreuzfahrten bald weniger umweltschädlich?
Die Kreuzfahrt ist eine beliebte Urlaubsform. Die Passagierzahlen steigen seit Jahren, die Auftragsbücher der Werften sind gut gefüllt. Trotzdem hat die Reiseart einen schlechten Ruf: Die Schiffe, häufig schwimmende Hotels und Vergnügungsparks in einem, gelten vielen nach wie vor als "Dreckschleudern", die die Umwelt verschmutzen.
LNG macht die Kreuzfahrt nun sauberer. Der Treibstoff ist ein großer Schritt weg vom umweltschädlichen Schweröl. Der Ausstoß von Feinstaub und Schwefeloxiden wird beim LNG nahezu vollständig vermieden, die Stickoxidemissionen sind geringer. Das Klimagas CO2 lässt sich jedoch nicht vermeiden – es wird aber zumindest reduziert.
Aida Cruises lässt weitere LNG-Schiffe bauen
Aida Cruises ist in Deutschland Vorreiter. Die Reederei gehört zur US-amerikanischen Carnival Corporation und diese setzt in den kommenden Jahren verstärkt auf den LNG-Antrieb: Elf LNG-Schiffe für vier Marken hat der Konzern in Auftrag gegeben, sie sollen bis 2025 in Dienst gestellt werden. Alle werden von der Meyer Werft in Papenburg und in Turku gebaut.
Die "Aida Nova" machte Ende 2018 den Anfang. Im kommenden Herbst folgt die "Costa Smeralda" von Costa Crociere, die als erstes LNG-Kreuzfahrtschiff in Hamburg anlegen wird – ohne die Abgase, die bei anderen Schiffen aus dem Schlot kommen. Aida bekommt 2021 und 2023 zwei Schwesterschiffe der "Nova". Dann werden nach den Plänen der Reederei mehr als die Hälfte aller Aida-Passagiere auf LNG-Schiffen unterwegs sein.
Kritik: "Vorzeigeschiffe sind an zwei Händen abzählbar"
Bis Kreuzfahrturlauber beim Mitbewerber Tui Cruises auf Flüssigerdgasschiffen unterwegs sein können, dauert es noch: Die Hamburger Reederei hat 2018 zwei LNG-Schiffe bestellt, die allerdings erst 2024 und 2026 fertig sein sollen. Die Reederei setzt bislang vor allem auf den Einbau von Abgasreinigungssystemen an Bord.
In Sachen Nachhaltigkeit tut sich also etwas und deutsche Reedereien können durchaus als Vorreiter gelten. Doch Umweltschützer üben weiterhin Kritik an der Kreuzfahrt. "Die Vorzeigeschiffe sind an zwei Händen abzählbar", sagt Sönke Diesener, Verkehrsexperte beim Naturschutzbund (Nabu).
"Das Gros der Kreuzfahrtschiffe, die heute unterwegs sind, fährt nach wie vor mit Schweröl." Es ist der dreckigste aller Kraftstoffe, der Überrest aus den Erdölraffinerien. In der EU ist das Verfeuern an Land verboten. Für Urlauber heißt das: "Wer auf ein Kreuzfahrtschiff geht, geht fast immer auf ein extrem dreckiges Schiff."
Auch das jüngste Kreuzfahrt-Ranking des Nabu aus 2018 stellte der Branche kein gutes Zeugnis aus. Zwar landete die "Aida Nova" wegen des LNG-Antriebs auf Platz eins. Doch insgesamt waren nach Einschätzung des Nabu immer noch zu viele der 76 untersuchten Schiffe ohne emissionsarmen Treibstoff oder zumindest moderner Abgastechnik unterwegs.
Umweltauflagen werden strenger
In Nord- und Ostsee sind Schiffe, die den Schwefelanteil in den Abgasen durch entsprechende Filter nicht auf 0,1 Prozent reduzieren, allerdings schon längst verboten. Wer dort eine Kreuzfahrt anbietet, muss die Abgase also ohnehin schon mit Filtersystemen "waschen".
Auch weltweit werden die Umweltauflagen strenger: Die internationale Schifffahrtsorganisation IMO hat beschlossen, dass ab 1. Januar 2020 weltweit nur noch ein Schwefelanteil von 0,5 Prozent erlaubt sein wird. Zum Vergleich: Bislang ist beim Verfeuern von Schweröl auf hoher See ein Grenzwert von 3,5 Prozent erlaubt.
Entweder fahren Kreuzfahrtschiffe also künftig mit LNG, reinigen ihre Abgase an Bord mit sogenannten Scrubbern oder wechseln zu Schiffsdiesel. Hapag-Lloyd Cruises wird ab Juli 2020 auf allen Expeditionskreuzfahrten weltweit nur noch das schwefelärmere Marine Gasöl nutzen. Gerade auf Expeditionsschiffen fahren Urlauber in ökologisch sensible Gegenden wie die Antarktis, wo ebenfalls schon länger strenge Auflagen bestehen – aber eben nicht weltweit.
So wollen die Reedereien Emissionen verringern
Aida baut auf allen Schiffen, die nicht vollständig mit LNG betrieben werden können, spezielle Abgasreinigungssysteme ein. Acht von zwölf Schiffen seien schon damit ausgestattet, darunter "Aida Prima" und "Aida Perla". Diese Filter reduzieren laut Reederei neben dem Schwefeloxidausstoß auch Feinstaub- und Stickstoffoxidemissionen. Und auch der Ausbau der Landstromversorgung wird vorangetrieben. In Hamburg ist die Technologie vorhanden, Kiel und Rostock sollen folgen.
Norwegen hat besonders strenge Umweltschutzgesetze beschlossen, die unter anderem die sensible Fjordlandschaft schützen sollen. Die norwegische Reederei Hurtigruten geht besonders weit, um ihre Schiffe sauberer zu machen. "Unsere Mitarbeiter sind in Gegenden unterwegs, wo wir die Folgen des Klimawandels ganz deutlich sehen", sagt Hurtigruten-Chef Daniel Skjeldam und meint damit etwa die arktischen Gewässer rund um Spitzbergen. "Die Kreuzfahrtindustrie muss große Schritte unternehmen, um nachhaltiger zu werden."
Abgasfilter und Katalysatoren nachzurüsten, wie es einige Reedereien tun, um die Emissionen von Schwefel- und Stickoxiden zu senken, reicht Hurtigruten nicht aus. "Von Scrubber-Technologie sind wir nicht so überzeugt. Wir glauben, man muss viel weiter gehen", sagt Skjeldam. Mit der "Roald Amundsen" geht in diesem Jahr das erste Hybrid-Expeditionsschiff an den Start. Es wird sowohl mit Dieselkraftstoff als auch mit Strom aus Batterien an Bord angetrieben. Zwei Schwesternschiffe sollen folgen.
Norwegen betreibt Hybrid-Schiffe mit Fischabfällen
Außerdem rüsten die Norweger von Ende 2019 bis 2021 sechs ihrer Schiffe auf der klassischen Postschiffroute entlang der norwegischen Küste auf Gas-Hybrid-Antrieb um. Hurtigruten setzt dabei nicht nur auf LNG, sondern geht neue Wege – über Flüssigbiogas (LBG). Dieses soll aus organischen Abfällen aus der Fischindustrie gewonnen werden. Dafür arbeitet man mit dem Unternehmen Biokraft zusammen.
Die Hybrid-Schiffe sollen künftig von einer Kombination aus LNG, Biogas und Strom angetrieben werden. In Expeditionszielen wie Grönland, Spitzbergen und der Antarktis wird das aber noch nicht funktionieren.
Biogas sei der bislang einzige Kraftstoff, der als klimaneutral gelte, erklärt Skjeldam. "Idealerweise würden wir nur mit Biogas fahren, aber das ist nach aktuellem Stand unmöglich." Für den Anfang soll der Anteil im Energiemix bei mehr als zehn Prozent liegen. Hurtigruten plant aber, den Anteil schrittweise zu erhöhen.
LNG ist keine langfristige Lösung
All diese neuen Kraftstoffe sind natürlich nicht so billig wie Schweröl. Kommerziell sei LNG nicht die günstigste Lösung, räumt Aida-Präsident Eichhorn ein. Sind denn die Kreuzfahrttouristen bereit dazu, für grüne Lösungen mehr zu zahlen? Hurtigruten-Chef Skjeldam glaubt daran, jedenfalls in der Zukunft – zumindest bei besonderen, eher exklusiven Kreuzfahrtzielen. Wer in Gegenden wie die Arktis reise, dessen Bereitschaft zur Nachhaltigkeit sei größer als auf einer Massenkreuzfahrt, so Skjeldam.
Auch LNG ist nach Ansicht des Nabu auf lange Sicht nicht die richtige Lösung. "LNG ist immer noch ein fossiler Kraftstoff", sagt Diesener. "Er sorgt zumindest dafür, dass in Häfen wie Hamburg die Luft sauberer bleibt." Doch vor dem Hintergrund des Klimawandels könne es kein zukunftsträchtiges Modell sein, sondern nur eine Brückentechnologie. Denn Kreuzfahrtschiffe mit LNG-Antrieb stoßen weiterhin das Treibhausgas CO2 aus.
"Wir glauben, dass man langfristig noch andere Antriebsformen finden kann und sind da auch beteiligt an Forschungsprojekten", sagt Aida-Chef Eichhorn. "LNG ist der aktuelle Schritt, der technologisch funktioniert." In Zukunft sind darüber hinaus auch Brennstoffzellen für den Antrieb mit Wasserstoff möglich. Auf der "Aida Nova" ist dafür schon Platz.
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Wasserstoff hält auch Skjeldam für aussichtsreich. "Das wäre sehr nachhaltig." Man spreche hier aber von einem Zeithorizont von zehn Jahren, bis diese Lösung greifbar sein könnte. Irgendwann einmal will Hurtigruten komplett emissionsfrei fahren.
- Nachrichtenagentur dpa