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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Reisen Kaffeehäuser in Prag: Genießen wie Kisch und Kafka
Wenn Sie Kaffeeliebhaber sind, kommen Sie um einen Besuch in der K & K-Metropole Prag nicht mehr herum. Nachdem viele traditionsreiche Cafés nach der Revolution 1989 zunächst trendigen Bars und schicken Restaurants weichen mussten, hat sich die Stadt an der Moldau mittlerweile auf ihr Erbe besonnen: Die Prager Kaffeehausszene erlebt eine Renaissance. Eindrücke aus Prag gibt's in unserer Foto-Show.
Jüngstes Beispiel ist die Konditorei Mysak. Nachdem das 1911 gegründete Café 1949 enteignet und 1988 ganz geschlossen wurde, versuchen die neuen Besitzer seit zwei Jahren, wieder an die alten Traditionen anzuknüpfen. Hinter der kubistischen Fassade des Hauses in der Vodickova 31 unweit des Wenzelsplatzes verbergen sich über der Konditorei im Erdgeschoss mehrere Salons im ersten Stock. Noch wirkt das cremeweiß glänzende Interieur mit prunkvollem Stuck und Deckengemälden etwas steril.
Blick in die Backstube
Umso verführerischer locken die Klassiker wie Sacher-, Malakoff- und Esterhazy-Torten in den Vitrinen. Für feinste Tortenkreationen ist auch das Café Savoy bekannt. Nach einem Umbau kann man im Untergeschoss durch eine Glaswand sogar einen Blick in die Backstube werfen, in der eifrig gewogen, gerührt und verziert wird. >>
Serviert werden die süßen Kunstwerke dann einen Stock höher in passendem Ambiente. In dem 1893 gegründeten Prager Kaffeehaus rankt sich an der Decke steinernes Blätterwerk um Äpfel, Birnen und Trauben, Stuck schmückt die Ecken, und Kronleuchter blitzen. Fast meinte man, in einem Museum gelandet zu sein - doch es geht höchst lebendig zu. Studentinnen plaudern bei einem Cappuccino, Geschäftsleute treffen sich zum Business-Lunch und Urlauber lassen sich ein verspätetes Frühstück mit hausgemachten Marmeladen schmecken.
Geheimtipp: Café Imperial
Kaum einer ahnt, dass sich hinter dem unscheinbaren Eckeingang des "Café Imperial" ebenfalls eindrucksvolle Prachträume befinden. In naturweiß und gelb gehaltene Kacheln bedecken oberhalb der Eichentäfelung den gesamten Raum, Säulen und Wände zieren Tiermotive. >>
Das Kuchenbüffet des 1914 eröffneten Kaffeehauses steht diesem edlen, ein wenig orientalisch wirkenden Ambiente ebenso wenig nach wie die Waschräume, in denen goldglänzende Schwäne Wasser speien. Nüchterner präsentiert sich das "Grand Café Orient" im Haus "Zur schwarzen Mutter Gottes". Es liegt im ersten Stock des "Museum des Kubismus" und fügt sich mit stilechten Lampen, Möbeln und Fenstern perfekt ins Museumskonzept ein: 1911 erbaut, gehört das Haus zu den wichtigsten Zeugnissen des tschechischen Kubismus. Für Atmosphäre sorgt zudem am späten Nachmittag ein Pianospieler - und mit etwas Glück gibt es noch ein Stück des hervorragenden Karottenkuchens mit Walnüssen.
Toller Ausblick vom Grand Café
Ebenfalls nicht auf den ersten Blick zu entdecken ist die Kavárna Adria. Im zweiten Stock des Palais Adria befand sich schon früher das legendäre Kaffeehaus Reunion. Nun zischen hier wieder die Kaffeemaschinen und die Ober servieren mit Schwung einen Apfelstrudel, ein Frühstück oder ein preiswertes Mittagsmenü.
Bereits Mitte der 1990er Jahre wurde das Repräsentationshaus am Platz der Republik originalgetreu restauriert. So mancher Besucher des Cafés in dem Jugendstilbau streicht erst einmal ehrfurchtsvoll über die kunstvoll verglasten Türen oder den roten Samt der Sofas, bevor er zur Speisekarte greift. Wer dagegen im "Grand Café" am Altstädter Ring Platz nimmt, der sollte sich eher auf das Treiben draußen konzentrieren: Vom 1. Stock aus liegt einem nicht nur die gute Stube Prags zu Füßen, sondern zur vollen Stunde spazieren auch die Apostel der berühmten Astronomischen Uhr auf Augenhöhe vorbei.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die so genannten Lesecafés, in denen in- und ausländische Zeitungen auslagen, inspirierende Treffpunkte für Schriftsteller und Künstler. Das soziale Leben kam dabei natürlich nicht zu kurz - Schach und andere Brettspiele waren ein beliebter Zeitvertreib. An diese Tradition knüpft das "Café Louvre" an, in dessen Hinterzimmer sich fünf Billardtische befinden. 1902 gegründet, wirkt das Kaffeehaus in seinen warmen Rot- und Cremetönen eher gemütlich als mondän. Die richtige Atmosphäre, um zu verweilen, denn mit einem schnellen Espresso im Vorübergehen hat ein Kaffeehausbesuch nichts zu tun. >>
Muße muss man haben, um in Ruhe die Atmosphäre zu spüren, die anderen Gäste zu betrachten und sich in eine Zeitung zu vertiefen. So hielten es auch Persönlichkeiten wie Franz Kafka, Egon Erwin Kisch und Vaclav Havel, die in der "Kavarna Slavia" verkehrten. Von den illustren Gästen zeugen zahllose Fotos, die die Wände des vielleicht berühmtesten Prager Kaffeehauses schmücken.
Schöne Aussicht auf die Karlsbrücke
Besucher, die einen Nischenplatz an einem der großen Glasfenster ergattert haben, werden ein wenig neidisch von den draußen Vorüberhastenden beäugt. Direkt an der Moldau, gegenüber dem Nationaltheater, genießt man eine atemberaubende Aussicht auf die Karlsbrücke und die markante Silhouette der Prager Burg.
Bilder der Cafés sehen Sie in unserer Foto-Show.