Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Governors Island Der Insel-Geheimtipp direkt vor Manhattan
Selbst viele New Yorker kennen sie nicht: Governors Island, mitten im Hafen der Millionenstadt, war früher eine Militärbasis, dann eine Geisterstadt. Nun dient die Insel als Freizeitparadies und Bollwerk gegen Sturmfluten. Entdecken Sie Governors Island auch in unserer Foto-Show.
Eine unbewohnte Insel? Mitten im Hafen? Ach was! Leslie Koch war baff. Davon hatte die gebürtige New Yorkerin noch nie gehört. Sie glaubte es deshalb erst, als sie an jenem Februartag an Manhattans Südspitze in eine Fähre stieg - und sich kurz darauf in einem Paradies wiederfand.
Ein wildes Refugium
Es war ein wildes Paradies: überwucherte Wege, modernde Holzhäuschen, verlassene Kasernenbauten, zwei bröckelnde Forts aus den Gründerjahren der USA. Und immer wieder dieser Blick - auf die Wolkenkratzer, die Freiheitsstatue, die Piers von Brooklyn.
Acht Jahre ist das her. Wie Koch, die für die Schulverwaltung arbeitete, kannten die meisten New Yorker die Insel vor ihrer Tür nicht - oder nur vom Hörensagen. Für Koch war es eine Offenbarung: "Es war eiskalt, aber wunderschön", erinnert sich die 52-Jährige. "Ich verliebte mich auf Anhieb."
70-Hektar-Insel erwacht aus Dornröschenschlaf
Und wie: Heute leitet Koch die städtische Stiftung, die sich um Erhalt und Ausbau der Insel kümmert. Die Leute hier nennen sie, obwohl sie in Brooklyn wohnt, kurzum die "Bürgermeisterin von Governors Island". Als solcher ist es ihr zu verdanken, dass die 70-Hektar-Insel aus ihrem langen Dornröschenschlaf erwacht ist. Nur wenige Fährminuten von Brooklyn und Manhattan entfernt, ist sie zum beliebten Ausflugsziel für die gestressten Großstädter geworden - Abenteuerspielplatz, Freizeitpark, Strandbar, Kunstgalerie, Freilichtmuseum und Geisterstadt in einem.
Eine weitere Funktion ist den meisten weniger bewusst: Governors Island soll in Zukunft als maritimes Bollwerk gegen Sturmfluten und Hurrikane wie "Sandy" vor zwei Jahren dienen. Früher war es ein Bollwerk gegen ganz andere, zerstörerische Mächte - die britischen Truppen. Noch aus der Revolutionszeit stammen die zwei Forts, in denen später im Bürgerkrieg Konföderierte eingekerkert waren und im zweiten Weltkrieg fahnenflüchtige Soldaten. 1966 trat die Armee die Insel an die Küstenwache ab, die 30 Jahre blieb.
Stararchitekt an der Insel interessiert
2003 "verkaufte" die Küstenwache den Großteil der Insel an die Stadt, zum symbolischen Preis von einem Dollar. Die neun historischen Hektar gingen an den National Park Service. Bürgermeister Michael Bloomberg schrieb einen Wettbewerb zur künftigen Inselnutzung aus. Stararchitekt Norman Foster wollte eines der Forts zu einem Shakespeare-Theater umbauen. Andere schlugen ein futuristisches Ökologiezentrum vor, wieder andere eine 400 Meter lange Fußgängerbrücke nach Brooklyn.
Schließlich setzte sich ein Team um den niederländischen Stadtplaner Adriaan Geuze durch. In dessen Masterplan spiegeln sich auch die Erkenntnisse seiner Heimat über die Macht des Meeres wieder. Das war auch höchste Zeit. Als "Sandy" 2012 über New York hinwegfegte und die gesamte Stadt lahmlegte, blieb Governors Island verschont, trotz exponierter Lage im Hafen. Nur ein paar Keller wurden nass.
335 Millionen Dollar Sanierungsarbeiten
Die Insel wurde zum Labor für künftige Pläne, die Metropole vor dem buchstäblichen Untergang zu retten. Geuze ließ die hässlichsten Bauten sprengen, aus dem Schutt entstand eine Hügellandschaft zum Schutz gegen die Fluten. Rings um die Insel zieht sich ein Kranz aus Steinbollwerken. Die Südspitze zum offenen Meer hin wird in ein Feuchtgebiet verwandelt.
Unterdessen wandelte sich das Inselinnere zur Freizeitoase, in der Kinder spielen, Künstler ihre Open-Air-Werke ausstellen und Besucher einfach nur in Hängematten faulenzen können. 335 Millionen Dollar kosteten die Sanierungsarbeiten bisher, finanziert aus dem Kommunalhaushalt.
Beliebtes Ausflugsziel
Diesen Sommer war die Insel erstmals täglich zugänglich. Das lockte nicht nur Ausflügler an, sondern auch saisonale Bewohner. In die Kolonialhäuser zogen Schriftstellerkommunen, ins frühere Labor der Küstenwache eine High School, deren 435 Schüler jeden Morgen von Manhattan aus übersetzen. Am Nordufer findet sich ein Beachclub mit Sandstrand, Plastikpalmen und Blick auf Manhattan. Und wer sich bis ans andere Ende durchschlägt, trifft auf eine Kompoststation mit Ziegen und Hühnern.
Allzu bekannt soll Governors Island dann aber auch nicht werden. "Wir wollen nicht überlaufen werden", sagt Leslie Koch. Doch auch sie weiß: "Ein Geheimtipp bleibt in New York nie lange ein Geheimtipp."
Weitere Informationen:
Governors Island ist vom 24. Mai bis zum 28. September täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, an Feiertagen bis 19 Uhr. Fähren gehen von Lower Manhattan und vom Brooklyn Bridge Park und kosten zwei Dollar pro Person (inkl. Rückfahrt). Weitere Informationen finden Sie hier.