Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kleine Auszeit im Blütenmeer So schön ist Wandern in der Lüneburger Heide
Immer mehr junge Wanderer und naturhungrige Städter entdecken die einmalige Kulturlandschaft in der Lüneburger Heide. Ab August zeigt sich das Heideland von seiner schönsten Seite.
Der Blick vom Wilseder Berg geht weit in alle Richtungen. Nur 169 Meter ist der "Heide-Himalaya" hoch – und trotzdem die höchste Erhebung der norddeutschen Tiefebene. Im Norden zacken sich hinten am Horizont Hamburgs Kirchtürme in den Himmel. Davor Wald, soweit das Auge reicht. Im Südosten die seicht geschwungene Heidelandschaft als ein hellviolettes Blütenmeer: Besen- und Glockenheide, Wacholder, dazwischen einzelne Bäume. Im Westen wieder nichts als dichter Wald.
Keine Autos – weder zu hören noch zu sehen. Die totale Ruhe für Wanderer, die hier entweder den Heidschnuckenweg gehen oder auf dem Jakobsweg auf Sinnsuche sind.
Lüneburger Heide: ein Sehnsuchtsort für Dichter und Romantiker
"Am Horizonte Hirten, die im Heidekraut sich strecken, und mit des Aves Melodie träumende Lüfte wecken", schrieb Annette von Droste-Hülshoff 1844 über die Lüneburger Heide. Eigentlich ist es aus der Mode, klassische Gedichte zur Beschreibung einer Landschaft im Heute zu bemühen. Aber hier passt es nicht nur, weil die Schäfer nach wie vor da sind, um mit ihren gut 10.000 Heidschnucken die geschützten Flächen vor dem Zuwachsen zu schützen.
Auch, weil die Lüneburger Heide schon damals ein Sehnsuchtsort war. Und das ist die größte zusammenhängende Heidefläche Europas mit ihren 230 Quadratkilometern, gelegen zwischen Hannover, Bremen und Hamburg, heute noch viel mehr. Denn für Städter ist die Natur "geradezu eine ständige Sehnsuchtsfolie", sagt der Wiener Zukunftsforscher Andreas Reiter und verweist auf das Imitieren von Naturräumen im Miniaturformat auf Millionen deutscher Balkone.
Action-Liebhaber, Städtereisende und Familien kommen auch auf ihre Kosten
In der Lüneburger Heide ist die Natur "unser Kernprodukt", sagt Ulrich von dem Bruch. Der Chef der Lüneburger Heide GmbH ist für den touristischen Erfolg der Region verantwortlich. Und sie ist sehr erfolgreich. Auf 7,5 Millionen Übernachtungen brachten es 2016 die Hotels, Pensionen und Zeltplätze – zwei Millionen mehr als noch vor neun Jahren. Der Durchschnittsgast ist 48 Jahre jung.
Das Roy-Black-Image aus den 1970er-Jahren ist Geschichte. Die Lüneburger Heide ist im Social-Web eine der aktivsten Tourismusregionen Deutschlands und mehrfach für ihr digitales Marketing ausgezeichnet. Verschiedene Zielgruppen werden parallel bedient "und über die passenden Kanäle in ihrer typisch eigenen Sprache erreicht", erklärt von dem Bruch das Konzept. Für Naturliebhaber gibt es Angebote und passende Hotels in der Heide, Action-Liebhaber und Familien finden 14 Erlebnis- und Freizeitparks, und Städtereisende kommen nach Celle und Lüneburg.
Naturliebhaber sollten im August oder September hin
Doch der Star ist und bleibt die Natur. Ihretwegen kommen die meisten Gäste. Am schönsten ist die Heidelandschaft im August und September, wenn alles blüht. Dann sind auch die anderen Naturräume des Gebiets gut besucht, etwa das Pietzmoor.
Der Wind kräuselt das Wasser. Baumstümpfe ragen aus pechschwarzen Seen, die selbst ein blauer Himmel nicht zerbricht. Am Rand blüht als weißer Wattebausch das Wollgras. Gänse rufen. Ein Kuckuck. Kraniche landen. Das alles, diese Natur, war schon hier, bevor Menschen den Weg aus Holzplanken durchs Pietzmoor legten. Bevor die Torfstecher kamen, um die hier teils sechs Meter dicke, 6000 Jahre alte Torfschicht abzubauen. Und bevor sich die ersten Wanderer fragten, wie viele hier im Morast wohl auf Nimmerwiedersehen versunken sind.
Das Moor ist neben der Heide ein weiteres Naturereignis – und ein kontrastreiches dazu. Nicht die rund 160 Tier- und Pflanzenarten der Nord- und Südheide leben dort, sondern nur wenige Spezialisten wie Libellen, Moorfrösche und Birkhühner, die mit der sauren Umgebung und wenig Sauerstoff im Wasser zurechtkommen.
Die Moorschnucke kommt nicht auf den Teller
Nicht zu vergessen: die Moorschnucke. Diese geschützte Schafart ist zwar verwandt mit den Heidschnucken, schafft es aber, sich beim Weiden selbst aus den Moorlöchern zu befreien. Auch wegen dieses Spezialisten-Daseins landet sie nicht wie die Heidschnucken als Spezialität auf dem Teller. Denn wenn man als Gast in der Heide eines probieren muss, dann ist es der Heidschnuckenbraten in kräftiger Rotweinsoße an Heidekartoffeln und grünen Bohnen. Ein Genuss, der in vielen Restaurants und Hotels, oft in typisch alten Fachwerkhäusern aus rotem Backstein und mit Reetdach, auf der Speisekarte steht.
Der Wolf ist zurück in der Lüneburger Heide
Und da ist noch jemand, der die Schnucken zum Fressen gerne hat: der Wolf. Der mystische Jäger ist zurück in der Lüneburger Heide. Mehrere Rudel durchstreifen das weite Areal, beinah sinnbildlich stehen sie für die Wiederkehr der alten Zeit, als die Natur noch im Gleichgewicht war. Und die Schäfer begegnen dem Jäger nicht wie anderswo feindselig. Die ein oder andere gerissene Schnucke kommentiert ein Schäfer mit: "Die haben doch auch Junge. Und die wollen doch auch was fressen."
Die ersten geführten Wanderungen auf den Spuren der Wölfe sind in Arbeit. Bis es soweit ist, können Gäste die Tiere im Wolfcenter Dörverden erleben. Das unabhängige Kompetenzzentrum ist als Mischung aus Zoo, Museum, Tagungsort und mit Übernachtungsmöglichkeiten im Baumhaus ein echter Tipp.