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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aktiv- & Skiurlaub Verschlungene Pfade durch das Gebirge im Meer
Die Mittelmeer-Insel Korsika ist bekannt für feinste Sandstrände und malerische Buchten. Auch dass man im Urlaub auf Korsika ausgezeichnet wandern kann, ist kein Geheimnis. Doch das "Gebirge im Meer" bietet darüber hinaus optimale Voraussetzungen für Touren mit dem Mountainbike. Die Trails auf Korsika sind zwar durchaus anspruchsvoll, lohnen aber jede Mühe. Sehen Sie mehr in unserer Foto-Show: Mit dem Mountainbike auf Korsika.
Korsika will erobert werden
Das Dörfchen Nonza thront gut 200 Meter über steil ins Meer abfallenden, schwarzen Felsen. Prunkstück dieser 200-Seelen-Gemeinde ist der zinnengekrönte Wehrturm. Als die Franzosen diesen wuchtigen Turm im Jahre 1768 belagerten, wurden sie aus sämtlichen Schießscharten heftigst beschossen. Dem französischen Kommandanten wurde es mulmig. Er versprach der Besatzung des Turms ehrenvollen, freien Abzug. Daraufhin erschien der greise Korse Iacopo Casella. Allein - aber bis an die Zähne bewaffnet. Über ein raffiniertes System von Seilzügen hatte er sämtliche Gewehre bedient. Die Franzosen waren beeindruckt. Sie hielten ihr Versprechen und ließen den Helden ziehen.
Dies ist nur eine kleine historische Anekdote. Sie zeigt aber, wie wehrhaft die Korsen sind. Wichtig zu wissen, weil die Trails ebenso schwer unterzukriegen sind. Mit gerade mal 180 Kilometern Länge und einer maximalen Breite von 60 Kilometern stellt Korsika zwar eher ein bescheidenes Inselchen dar. Aber die stark zerklüftete Westküste mit ihren tief eingeschnittenen Fjorden und das ausnahmslos bergige Inland sorgen für eine schweißtreibende Topografie. Das enorm steile Relief Korsikas gipfelt mit dem Monte Cinto bei 2710 Metern. Einer Vielzahl weiterer 2000er verdankt die Insel den Beinamen "Gebirge im Meer".
Ein Mountainbike-Guide ist unersetzlich
An sich optimale Voraussetzungen. Trotzdem haben Biker so ihre liebe Müh mit Korsika. Wer auf eigene Faust loszieht, der wird schnell klasse Passagen entdecken. Doch meist sind die Trails schon bald von massigen Felsen verblockt. Dann muss das Bike stundenlang geschultert werden. Oder die Macchia, ein für mediterrane Gefilde typischer, schier undurchdringlicher Buschwald, hat den vermeintlichen Trail fest im Würgegriff. Dieses kunterbunte Potpourri wild wuchernder Kräuter wie Cistrose, Ginster, Baumheide, Erdbeerbaum, Myrte bedeckt gut die Hälfte der Insel. Oftmals mehrere Meter hoch, bildet die Macchia einen undurchdringlichen Irrgarten.
Deshalb ist ein Guide wie Yann unersetzlich. Yann Bartos ist diplomierter Mountainbiker, zur Hälfte Deutscher, und kennt die Trails wie seine Westentasche - eine optimale Besetzung. Wie entscheidend sein Knowhow ist, erfahren wir schon auf der ersten Tour durch die Desert des Agriates. Dieser Landstrich ist keine Wüste im eigentlichen Sinn. Im Frühjahr steht sie sogar in voller Blüte, aber weh dem, der sie unterschätzt. Ihren Wüstentitel trägt sie vielmehr wegen ihrer Abgeschiedenheit. Steile Abfahrten auf losem Geröll, kantig gestuftem Fels und schwer einzuschätzenden Rinnen lassen die Dämpfer zappeln. Der Trail führt durch ein Naturschutzgebiet direkt zum Meer. Von dort an führt ein brettharter Aufstieg über eine mit Felsen gespickte Piste hoch zum Boca de Vezzu. Auf diesen 35 Kilometern gibt es nix. Keine Kneipe, keinen Schluck Trinkwasser, keine Menschenseele. Nur Greifvögel. Geduldig kreisen sie über den Helmen und hoffen darauf, dass wenigstens einer sein Flickzeug vergessen hat.
In der Bucht von Calvi
Der nächste Leckerbissen aus Yanns Schatzkiste führt uns zur hufeisenförmig eingekerbten Bucht von Calvi. Die wuchtigen Gipfel ringsherum wirken unerhört hoch und verströmen eine Aura wie die Anden. Die Fahnen an den Masten der luxuriösen Jachten flattern leise in der frischen Morgenbrise. Nur langsam erwacht die Altstadt, die von einer monströsen Zitadelle überragt wird. 1794 bissen sich die Engländer beim Versuch Calvi einzunehmen, genau an diesem Meisterwerk genuesischer Baukunst die Zähne aus - und Lord Nelson verlor dabei sein "legendäres" Auge.
Auf der Calvi vorgelagerten Halbinsel "La Revellata" ziehen sich Singletrails wie schmale Seidenfäden durch das üppige Grün der Macchia. Zahlreiche Badebuchten locken mit schillernd türkis-farbenem Wasser. Der Einstieg gehört zur Kategorie pures Vergnügen, der Uphill zur Kapelle de la Serra dagegen ist beinhart. Endlich oben entschädigt der Rundblick über den Golf und die lückenlose Zahnreihe des Inselmassivs. Der Downhill über ausgewaschene Erdwege und sandige Anlieger zurück zu den Eisdielen Calvis bekommt die höchste Auszeichnung - ein echtes Sahnestück.
Auf den Trails im Hinterland
Richtig episch wird es auf unser Tour im Inselinneren. Wir starten in Casamaccioli. Visavis der Paglia Orba, deren gewaltiger Gipfelaufbau aussieht wie eine Sprungschanze. Über schattige Waldpisten ackern wir uns empor. Auf knallharten Downhills mit etlichen tückischen Bodenwellen verlieren wir gewaltig an Höhe. Immer wieder verbarrikadieren ganze Herden verwilderter Hausschweine den Trail. Während wir etwas zaudern, zeigt uns Yann wie's geht. Höflich, aber bestimmt rein in die Viecherei! Nur so geben die rosa-gescheckten Wegelagerer die Piste frei - wenn auch mit heftigem Protestgrunzen. Beim Piscine d'Aitone, einer Art Mini-Karibik-Ableger mitten unter 50 Meter hohen Lariccio-Kiefern, waschen wir uns in kristallklaren Gumpen den Staub vom Körper. Völlig ausgelutscht, aber dafür sauber erreichen wir den 1477 Meter hohe Col de Vergio. Über unzählige Kehren fliegen wir die Passstraße hinunter.
Kurz vor Casamaccioli steigt Yann voll in die Eisen. Sein Geheimtipp heißt "Chez Josette". Von außen sieht das Restaurant aus wie das Vereinsheim eines Viert-Liga-Klubs. Innen wirkt es keinen Deut besser: Kitschige Bilder, ein Wildsauschädel von Spinnweben umrankt... Doch dann kommt sie. Josette ist klein, rundlich und einfach klasse. Ihre Aura durchströmt den Raum, und prompt fühlen wir uns wie bei Muttern. Überflüssig zu sagen, dass der frisch erlegte Wildsau-Braten göttlich schmeckt! Auch so eine Adresse, die wir ohne Yann nie und nimmer angesteuert hätten. Korsika ist top - aber nur mit Guide.
Weitere Informationen:
Kostenlose Infos & Kartenmaterial gibt es beim Französischen Fremdenverkehrsamt, Postfach 100128, 60001 Frankfurt/M., kein Info-Telefon, Anfragen per Post oder Mail (info.de@franceguide.com), http://de.rendezvousenfrance.com/de, www.visit-corsica.com.
Anreise: Bastia, Calvi und Ajaccio sind von allen größeren Flughäfen Europas erreichbar. Günstig in der Nebensaison bei Air France und Air Inter. Bike gratis im Rahmen des Freigepäcks. Fähren fahren an Frankreich und Italien nach Calvi, Bastia, Ajaccio, Propriano und Ile Rousse, zum Beispiel Corsica Ferries (Tel. 089/3899910, www.corsicaferries.com). Für Bahnfahrer gibt es die Radfahrer-Hotline der DB Tel. 01805/151415 oder www.bahn.de.
Tourenanbieter/Bikeverleih: Das Team von Algajola Sport et Nature bietet Outdoor-Fans ein umfangreiches Programm und vermietet auch ordentliche Leihbikes (www.algajola-sportetnature.com).
Übernachtung: Eine preiswerte Alternative zu Hotels und Pensionen bieten die zahlreichen Gites d'Etappe. Meist zusätzlich mit Kochgelegenheit und heißer Dusche ausgestattet, pro Person circa 10 Euro, infos@gites-corsica.com. Etwas spartanisch, aber nicht minder interessant nächtigt man in den Franziskanerklöstern Korsikas. In Calvi befindet sich die einzige Jugendherberge Korsikas. Die meisten Campingplätze sind nur in der Saison von Mai bis Oktober geöffnet. Wild campen ist verboten, in Anbetracht der zahlreichen Waldbrände nicht ohne Grund.
Literatur/Karten: Die ungewöhnlichste, dafür amüsanteste und treffendste Beschreibung bietet der Band XX. von Goscinny/Uderzo: Asterix auf Korsika, EHAPA Verlag. Weiterhin empfehlen sich zur Einstimmung die Novellen von Prosper Mérimée: Mateo Falcone, Reclam Nr. 9795 und Colomba, Reclam Nr. 1244. Reiseführer: Schröder/Pagenstecher, Korsika, Verlag Martin Velbinger, 21 Euro, (sehr informativ & unterhaltsam); detaillierte Streckenbeschreibungen der Hauptstraßen bietet: H. Thöne/W. Kettler, Korsika per Rad, Verlag Wolfgang Kettler, 13 Euro.