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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gefährliche Symbiose Zu viel Harmonie killt die Lust
Es gibt Paare, die scheinbar perfekt zueinander passen: Sie haben den gleichen Geschmack, pflegen die gleichen Hobbys, und gehen stets respektvoll und liebevoll miteinander um. Vor allem aber: Sie streiten nie! Doch gar nicht selten brechen Beziehungen solcher Vorzeigepaare plötzlich auseinander und jeder fragt sich: Wie konnte das nur kommen? Die Antwort klingt zunächst paradox: Es gab zu viel Harmonie.
Das Gefühl, mit dem Partner auf gleicher Wellenlänge zu sein, ist ein wesentliches Element einer gut funktionierenden Partnerschaft. Dazu gehören auch Übereinstimmung und ein harmonisches Miteinander. Doch es gibt auch eine Kehrseite der Medaille, sagt Eric Hegmann, Beziehungsexperte der Online-Partnervermittlung Parship und Autor: "Zu viel Harmonie kann auch unglücklich machen. Ein Paar sollte daher eine ausgewogene Mischung an Gemeinsamkeiten und Unterschieden beziehungsweise Ergänzungen mitbringen."
Frische Impulse besser als Symbiose
Lebt ein Paar in einer symbiotischen Beziehung miteinander, geht das immer auf Kosten der Individualität. Doch die totale Verschmelzung hat noch einen weiteren Nachteil, so Hegmann: "Der Einfluss von Außen bleibt aus, weil sich das Paar selbst genügt." Dabei sei ein soziales Netz aus Freunden wichtig, um immer wieder frische Impulse zu erhalten und sich mit anderen Blickwinkeln zu konfrontieren. Denn jedes Paar muss sich weiterentwickeln, sonst kommt die Liebe zum Stillstand. Und plötzlich gibt es außer Beziehung und Harmonie nichts Aufregendes mehr im Leben.
Harmonie geht auf Kosten der sexuellen Anziehung
Der Schlüssel für eine erfüllte Beziehung liegt daher nicht in der totalen Harmonie, sondern in einer gesunden Mischung von Nähe und Distanz. Zu viel Gleichklang führt zu Langeweile – nicht nur im Beziehungsalltag, sondern auch in der Sexualität. "Paartherapeuten werden sehr häufig damit konfrontiert, dass über die Jahre die sexuelle Anziehungskraft in einer Partnerschaft zugunsten des harmonischen Zusammenleben leidet", weiß Hegmann.
Zum einen sei dies ein ganz natürlicher Prozess, der in den meisten langfristigen Beziehungen zu beobachten sei. Wenn ein Paar jedoch ohnehin zu übertriebener Harmonie neigt, verstärkt sich das Problem. Dann, so Hegmann, müssten beide Partner an sich arbeiten. Ein lebendiges Liebesleben bedarf einer gewissen Spannung. Dem Partner zu zeigen, dass man andere Sehnsüchte hat als er und ihn mit neuen Ideen zu überraschen, macht gerade den Reiz aus.
Paare, die nie streiten, sind oft konfliktscheu
Wenn ein Paar seine Übereinstimmungen allzu offensichtlich nach außen trägt, ist meistens etwas faul. Nicht selten verbirgt sich hinter dem äußerlichen Einklang nämlich eine gewisse Konfliktscheu. Viele Probleme werden einfach unter den Teppich gekehrt, während es unter der Oberfläche gärt.
Hegmann empfiehlt daher, innerhalb der Partnerschaft eine Streitkultur zu entwickeln, bei der auch unliebsame Dinge offen heraus gesagt werden: "Ab und an muss die Luft gereinigt werden. Sonst besteht die Gefahr, dass symbolisch gesprochen ein lange unterdrückter Regen statt in einem Gewitter dann in einer Naturkatastrophe endet."
Hinter Harmoniesucht können sich Verlustängste verbergen
Doch Harmoniesucht kann noch andere Ursachen haben. Oft liegen Verlustängste zugrunde. Man will den Partner nicht verlieren, daher spricht man konfliktbeladene Dinge erst gar nicht an. Die Wurzeln hierfür liegen meist in der frühen Kindheit, in der bestimmte Verhaltensmuster gelernt wurden, die später zu Blockaden in der Beziehung führen können. In solchen Fällen empfiehlt Hegmann den Betroffenen, sich Hilfe bei einem Therapeuten oder Beziehungscoach zu suchen.