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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Pornos Wie Pornos die Beziehung verändern
Eine Softporno-Sammlung hinten im Regal oder ab und zu ein Aufenthalt im Ü-18-Bereich der Videothek: So sah vor einigen Jahren noch der Pornokonsum vieler Menschen aus. Doch das Verhalten hat sich rasant geändert: Freizugängliche Seiten im Internet machen es möglich. Die Abbildung jeder Fantasie, jedes Fetischs und die damit verbundene Befriedigung sind rund um die Uhr nur einen Klick entfernt. Was aber macht das mit uns, unserer Sexualität und wie schlägt es sich in der Partnerschaft nieder?
Was gut gerankt ist, mögen Frauen nicht
Im Internet findet sich ein riesiger Markt kostenlos zugänglicher Pornofilme. Umfragen haben ergeben, dass ein Drittel der Männer sich mittlerweile täglich Pornos anschauen. Bei Frauen hingegen sind es nur acht Prozent. So unterschiedlich die Nutzung ist, so unterschiedlich sind auch die Bedürfnisse. Denn was im Schmuddelfilm oftmals ausgiebig gezeigt wird, ist nicht das, was sich die meisten Frauen im Bett wünschen. Ejakulat im Gesicht, Anal- oder Gruppensex spielen nur in der Fantasie weniger Partnerinnen eine Rolle. Es sind aber genau die Filme, die im Netz das beste Ranking vorweisen.
Pornos können der eigenen Intimität schaden
Auch werden Dinge dargestellt, die in der Realität kaum eine Frau begeistern. Dazu gehören ein unsanfter, harter Umgang mit der Vagina, Dirty Talk ohne Grenzen und ein generell respektloser Umgang mit dem weiblichen Körper. Hier besteht die Gefahr, dass dieses Verhalten als normal und richtig verstanden wird, vor allem, wenn der Pornogucker jung ist und seine sexuelle Identität noch nicht komplett entwickelt hat. „Es ist wahrscheinlich, dass eine Konditionierung mit unwirklichem Rollenverhalten und extremen Sex-Fantasien einen ungezwungenen Umgang mit Intimität später problematisch gestalten kann, da die Realität mit einem Porno kaum etwas zu tun hat“, sagt Eric Hegmann, Beziehungsexperte bei der Partnerschaftsbörse Parship und Autor.
Makellose Körper und endlose Potenz
Das gilt für makellose Körper mit einem perfekte anmutendem Intimbereich ebenso wie für die scheinbar völlig natürliche, unendliche Potenz der Darsteller. Auch ist echter Sex längst nicht so routiniert, wie solcher im Film. „Ein Porno kann Leistungsdruck bei beiden Geschlechtern fördern: Frauen und Männer denken, sie müssten immer wollen und können“, sagt Hegmann. Wichtig ist es deshalb, sich klar zu machen, dass ein Porno in der Regel ein Industrieprodukt und dementsprechend künstlich ist. Hier werden meist männliche Potenz und weibliche Bereitschaft schlicht mit dem Ziel egoistischer Triebbefriedigung transportiert. Dieser Zusammenhang ist den meisten aber klar, wie eine Umfrage unter 7606 Befragten des Zeitschrift FHM ergab. Dem Ergebnis zufolge haben nur 29 Prozent den Wunsch nach einem Sexleben wie im Pornofilm. 53 Prozent sprachen sich dagegen aus.
Sexfilm kann nicht alle Sinne erfassen
Den meisten ist eben doch eines klar: „Zu echter Intimität gehören mehr Sinne, als beim Betrachten eines Films angesprochen werden. Den Umgang mit der Partnerin, die Bereitschaft, sich fallen zu lassen, die Partnerin führen oder sich führen zu lassen, kann Pornografie nicht wirklich vermitteln“, so der Beziehungsexperte. Eines kann der Porno nämlich nicht abbilden: Sex ist am schönsten, wenn Gefühle im Spiel sind. Wenn es nicht nur um die eigene Befriedigung geht, sondern auch darum, dem anderen Genuss oder sogar Höhepunkte zu schenken. Am besten wäre es also, die eigenen sexuellen Sehnsüchte mit dem Sexleben in der Beziehung in Einklang zu bringen. Doch das anzusprechen und mit dem Partner gemeinsam einen Weg zu suchen, bislang geheime Wünsche auszuleben, trauen sich nur die wenigsten. So entsteht ein Tabu, das alle Sehnsüchte jenseits des gelebten Beziehungssex umfasst.
Heimlicher Konsum verunsichert Partnerin
Schaut nun der Partner deshalb gerne und heimlich Pornofilme im Internet, kann sich das auf die Partnerschaft auswirken. Allerdings sei das abhängig von Faktoren wie dem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Partner und dem Ausmaß des Konsums, so Hegmann. "Im besten Fall animiert Pornografie zu einem lustvollen Miteinander der Partner und sorgt für neue Impulse in einem gewohnten oder ritualisierten Liebesleben. In vielen Fällen aber verunsichert der Konsum des Partners die Partnerin", beschreibt der Experte das Problem. Zwar komme das auch in der umgekehrten Konstellation vor, allerdings deutlich seltener.
Mangelndes Selbstbewusstsein, Zurücksetzung, Frust
Das Wissen über den Konsum führe oftmals zu mangelndem Selbstbewusstsein, Zurücksetzung, Frust und auch zu Vorwürfen wie: „Wenn das deine Fantasie ist, warum bist du dann mit mir zusammen?“. Und auch derjenige, der heimlich Pornos schaut, kann davon im realen, zwischenmenschlichen Leben, beeinflusst werden. Das könne dann zu Rückzug und Entfremdung, schlechtem Gewissen und Selbstvorwürfen führen. „Das ist natürlich Gift für das Wir-Gefühl und die sexuelle Basis“, findet der Beziehungsexperte.
Die richtige Dosis suchen und finden
Wichtig ist es deshalb, mit dem Partner darüber zu sprechen, sobald wegen der Pornos ein Ungleichgewicht oder komisches Gefühl in der Partnerschaft entsteht. Denn wie andere Wünsche, sollte auch das Wissen über einen Porno-Konsum nicht zum Tabu werden. „Im ersten Schritt geht es darum, die Perspektive des Partners zu erfassen: Warum sieht er Pornografie, was gefällt ihm, was regt ihn an und in welchen Bezug setzt dies die Partnerin? Auf der anderen Seite soll er erkennen, welche Ängste sie dadurch durchlebt, was sie abstößt und wie sie denkt, dass er sie wahrnimmt“, rät Hegmann. So kann man einen gemeinsamen Weg für die richtige Dosis Porno in der Beziehung finden und auch die Vorlieben des Partners besser kennenlernen.