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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schulkind & Jugendliche Mobbing und Störungen machen Unterricht unmöglich - ist das Schulalltag?
Wer ist eigentlich für Mobbing zuständig? Wer muss sich darum kümmern, dass sich etwas ändert? Eltern, Lehrer, Schulamt, Schüler oder gar die Polizei? Ein Elternbrief einer "ganz normalen" hessischen Schule rückt jetzt dieses Thema in den Fokus: Wegen Mobbing und Disziplinlosigkeit sei kein geordneter Unterricht mehr möglich, heißt es da - ist das wirklich "ganz normal", repräsentativ für alle Schulen oder doch nur ein lokales Phänomen? Ist das Alltag an durchschnittlichen Schulen in unserem Land, nicht nur in sozialen Brennpunkten?
Kein geordneter Unterricht mehr möglich
Eher versehentlich sei der Brief durch einen Zeitungsartikel an die Öffentlichkeit gelangt, bestimmt war er eigentlich doch nur für die Eltern der Georg-Büchner-Schule (GBS) in Darmstadt, beteuert der Schulleiter. Christof Ganß hat eine Lawine losgetreten mit seinem Schreiben. Zwischen Panik und Zustimmung schwanken die Elternreaktionen. Ganß beklagt “äußerst problematische Zustände in diesen Klassen, aber auch im privaten Umfeld". "Erhebliche Disziplinprobleme”, die Unterricht zeitweise verhindern, Schüler würden regelrecht am Lernen gehindert, Störungen, bis hin zu tätlichen Angriffen auf die Lehrkräfte habe es gegeben, sowie Mobbing im privaten und schulischen Bereich. Schüler würden ausgegrenzt, verächtlich gemacht, beleidigt, körperlich angegriffen. Für den Schulleiter hat das “Problem eine Dimension erreicht, die das menschliche Zusammenleben erschwert und schulisches Arbeiten verhindert.”
Stinknormaler Schulalltag?
Trotzdem sagt Ganß auf Nachfrage der Eltern-Redaktion von t-online.de: “Die Georg-Büchner-Schule ist ein stinknormales Gymnasium”. Ist das normaler Alltag an unseren Schulen? Oder klingt das Beschriebene dramatischer als es tatsächlich ist? Hinter vorgehaltener Hand erzählen Eltern, die tätlichen Angriffe auf Lehrkräfte hätten im Werfen von Kreidestücken bestanden, die durch den Klassenraum flogen und den Lehrer trafen.
Deutschlands Lehrer hilflos
Deutschlands Lehrer wirken hilflos in dem Versuch, Ordnung und Disziplin in ihre Klassen zu bringen. Dabei sollten sie doch als Erziehungsprofis wissen, wie das geht, denken sich Eltern. “Ganz bestimmt sind wir keine zweite Rütli-Schule”, beteuert Ganß.
"Das gibt Ärger und ist anstrengend"
“Das Problem ist am Gymnasium angekommen”, sagt GBS-Schulelternsprecher Karl-Wilhelm Heselmann gegenüber eltern.t-online.de. Kommen die Kinder an das Gymnasium hätten sie aber schon zehn Jahre Erziehung von anderen Seiten hinter sich. Dabei ist die GBS eine Schule mit gutbürgerlichem Klientel, nicht übermäßg viele Problemfamilien, kein sozialer Brennpunkt. Heselmann findet den Schritt der Schulleitung mutig und richtig, frühzeitig das Problem anzusprechen und aufzurütteln. Aber er ahnt: “Das gibt Ärger und ist anstrengend.”
Zusatzstunden für Extremklassen
Die Darmstädter Schule bleibt nicht tatenlos. In der extremen Problemklasse - eine sechste Klasse - gibt es nun jede Woche zwei Zusatzstunden, um beispielsweise das Problem “verbale Gewalt” in den Griff zu bekommen. Man arbeitet mit der Kontaktpolizistin zusammen, mit Schulpsychologen, die Klassenfahrten sollen thematisch in Zukunft entsprechend ausgerichtet werden, Schulsozialarbeit endlich etabliert werden. Verpflichtender Zusatzunterricht am Spätnachmittag und an Samstagen wird angekündigt - dazu ist der Schulleiter laut hessischem Schulgesetz weisungsbefugt. Vieles ist Zukunftsmusik, viele erfolgversprechende Ansätze an deutschen Schulen erstickt die Geldknappheit jedoch schon im Keim.
Eltern in der Pflicht
Ganß sieht ganz massiv die Eltern in der Pflicht: In seinem Elternbrief mahnt er Fleiß, Ordnung, Sauberkeit an und das genaue Hinschauen im privaten Umfeld, wo sich die Kinder herumtreiben, speziell in welchen sozialen Netzwerken.
Man arbeitet dort außerdem gemeinsam mit Elternvertretern an einer Erziehungsvereinbarung, einem Vertrag zwischen Eltern, Schule und Schülern. Gegenstand einer solchen Vereinbarung können so selbstverständlich klingende Dinge sein wie das Kind pünktlich zur Schule zu schicken, nach einem gesunden Frühstück, ebenso aber auch, es anzuhalten, keine Gewalt - verbal oder körperlich - anzuwenden. Eltern sollen aktiv, informiert und interessiert am Schulleben teilnehmen.
Negative Tendenzen stoppen
Die Schulleitung der GBS bezeichnet auf Nachfrage die geschilderten Zustände als Ausnahmen, als negative Tendenz, die mit Sorge beobachtet wird, und die es zu stoppen gilt. Ganß findet, es sei keine Lawine, die er losgetreten habe, das klinge zu sehr nach Zerstörung, er hofft, dass Dinge in Bewegung geraten und neu gestaltet werden.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar der Eltern-Redaktion