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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kinderpsychologie Wir und die anderen - das unterscheiden schon Kleinkinder
Die guten Sachen für uns, die schlechten für die anderen - schon Kleinkinder entscheiden zwischen bekannt und fremd und entwickeln eine Gruppenzugehörigkeit. In einem Experiment der Universität Erfurt konnten Forscher nun zeigen, dass Kinder im Lauf der Entwicklung stärker dazu neigen, sich fremden Gruppen gegenüber zu distanzieren und sie möglicherweise abzuwerten. Umso wichtiger sei es, Kinder zu Fairness gegenüber anderen zu erziehen, sagen Psychologen.
Die Fähigkeit, sich einer Gruppe zugehörig zu fühlen, nennen Psychologen Eigengruppenpräferenz. Sie bildet sich früh in der kindlichen Entwicklung heraus. Schon Säuglinge schauen länger zu jemandem, der die eigene Sprache spricht, als zu anderen Menschen. 14 Monate alte Kinder imitieren eher Gesten von Erwachsenen, die ihnen zuvor eine Geschichte in ihrer Sprache vorgetragen haben, als von jenen, die in einer fremden Sprache gesprochen haben. Forscher deuten dies als Erkenntnis "das habe ich schon einmal gehört, der gehört zu mir".
Schimmelbrot und Hundekot für die "anderen"
Die Psychologen David Buttelmann und Robert Böhm wollten herausfinden, welche Motivation stärker ist - die Aufwertung der eigenen oder die Abwertung der anderen Gruppe. Dafür beobachteten sie in einem Experiment 81 sechs- und achtjährige Kinder. Sie wurden in zwei Gruppen eingeteilt und mussten bei einem Computerspiel Gegenstände entweder an ihre eigene Gruppe, an die andere Gruppe oder in eine neutrale Box verteilen.
Es zeigte sich, dass die Kinder positiv besetzte Dinge wie Fahrrad, Teddybär oder Süßigkeiten sich selbst zuordneten, negative Sachen wie verschimmeltes Brot, Regenwürmer und Hundekot den anderen zuspielten. Achtjährige taten dies in viel stärkerem Maß als Sechsjährige, Jungs häufiger als Mädchen.
Abwertung der anderen wird im Schulalter stärker
Bei den negativ besetzten Gegenständen zeigte sich ein interessanter Unterschied: Während die jüngeren Kinder solche Objekte vor allem von der eigenen Gruppe wegsortierten - entweder zur anderen Gruppe oder in die neutrale Box - schoben die Achtjährigen das Unerwünschte häufiger zu den anderen.
Buttelmann und Böhm schließen daraus, dass zunächst die Eigengruppenaufwertung stärker ist und später die Fremdgruppenabwertung als mögliche Motivation hinzukommt.
Warum sich die Altersgruppen und Geschlechter unterscheiden, können die Wissenschaftler mit dieser Studie nicht erklären. Ein möglicher Ansatzpunkt: "Die Gruppendynamik wird mit dem Alter wichtiger. Mit dem Schuleintritt sind Kinder in Klassen eingeteilt, machen Gruppenarbeit oder Mannschaftssport", erklärt Buttelmann. Jungen fänden sich beispielsweise beim Fußball häufiger in Wettbewerbssituationen als Mädchen.
Plädoyer für integrative und internationale Kitas
Kinder könnten aber lernen, andere und fremde Dinge nicht so stark auszugrenzen. Dazu sollen sie so früh wie möglich Kontakt zu Mädchen und Jungen haben, die beispielsweise anders aussehen, eine andere Sprache sprechen oder behindert sind. Möglichkeiten dazu bieten integrative oder internationale Kindergärten. "Wenn ich positiven Kontakt zu Fremden habe, nähere ich mich ihnen automatisch an", erklärt Buttelmann. Eltern und Pädagogen sollten schon früh damit anfangen, Kinder für Gleichheit zu sensibilisieren und gegen Abgrenzung zu erziehen, lautet das Fazit der Studie.