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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kindergarten So meistern Kinder und Eltern die Eingewöhnung in der Kita
Der Kindergarten ist etwas, auf das die meisten Kleinen sich sehr freuen. Doch dann kommt der erste Tag und plötzlich sieht alles ganz anders aus. Dass Mama oder Papa wirklich weggehen, ist den meisten vorher nicht richtig bewusst. Die ersten Wochen in der neuen Einrichtung sind weder für das Kind noch für die Eltern besonders einfach. Aber nach ein paar Monaten haben sich die Kleinen normalerweise gut eingelebt. Aber ein unvorbereiteter Start in den Kindergarten kann schiefgehen. Mit diesen Tipps erleichtern Eltern ihren Kindern die Kita-Eingewöhnung.
Der Besuch eines Kindergartens ist wichtig für die Kindesentwicklung. Das Kind lernt, sich "abzunabeln", erfährt soziale Regeln noch einmal ganz anders als zuhause, sucht sich seine eigenen Freunde, sein Immunsystem wird mit Virenstürmen vertraut gemacht und ganz nebenbei wird das Kind auch von Jahr zu Jahr mehr an das Thema Schule herangeführt - soweit die Theorie. In der Praxis fällt es oft weder dem Kind noch den Eltern leicht, diesen Schritt des Loslassens zu gehen. Es kommt vor, dass Mamas auch nach Wochen noch mit Tränen in den Augen aus Kindergärten kommen - während ihre Kleinen innen herzzerreißend schreien. Aber es gibt auch Eltern, die völlig verblüfft oder sogar verärgert reagieren, dass ihr Kind immer noch nicht "freiwillig" im Kindergarten bleibt. Sie vermuten, dass es trotzt oder sie ausspielen will. Das aber ist nicht der Fall - da ist sich Jutta Belzl-Bock, Leiterin des Gunda-Fuchs-Kinderhauses in Nürnberg, ganz sicher.
Trennungsschmerz der Kinder nicht unterschätzen
"Hier ist es auch vonseiten der Erzieher wichtig, auf die Eltern zuzugehen und ihnen nahezubringen, dass jede Entwicklung in Ordnung ist, egal wie das Kind regiert. Es ist richtig, wie es ist. Manche Kinder brauchen einfach mehr Zeit zum Ablösen. Ein solcher Übergang verläuft auf einer sehr emotionalen Ebene. Auf beiden Seiten", erklärt die Kita-Leiterin und fügt schmunzelnd hinzu: "Man kann das eigentlich mit der ersten Phase des Verliebtseins vergleichen. Da tut es ja auch so weh, wenn der andere geht!"
Kindergartenstart: Gut geplant ist halb gewonnen
Eltern gewöhnen ihre Kinder deshalb besser schon im Vorfeld an Abschied und Trennung. Dies gelingt zum Beispiel mit Spielnachmittagen bei einem anderen Kind oder mit der Übernachtung bei den Großeltern, rät Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Das geliebte Stofftier oder ein Schmusetuch erleichtern ebenfalls die Eingewöhnungsphase.
In der Regel brauchen die Dreijährigen zwischen sechs Wochen und einem Vierteljahr, bis sie sich an den Kindergarten nicht nur gewöhnt haben, sondern einen frühmorgens auch mit einem fröhlichen Winken "entlassen". Bei den einen geht es eben schneller, während die anderen etwas mehr Zeit brauchen.
Kinder sind Spezialisten im Erkennen unterdrückter Gefühle
Egal, welchen Charakter das eigene Kind aufweist, es braucht die Sicherheit durch die Eltern. Die Sicherheit, dass es dort, wo man es lässt, gut aufgehoben ist. Denn Kinder sind wahre Meister darin, elterliche Unsicherheiten aufzuspüren. Wenn sie merken, dass einem nicht wohl dabei ist, sie in der Einrichtung zu lassen, dann werden sie sich umso schwerer tun, loszulassen - selbst nach Wochen noch. Die Gründe fürs elterliche Unwohlsein sind vielfältig. Häufig müssen Frauen wieder arbeiten, wollen sich aber eigentlich noch gar nicht von ihrem Kind trennen. Oder sie haben wieder ein Baby und befürchten, dass Größere könnte sich abgeschoben fühlen. Manchmal bestehen auch am Konzept der Einrichtung Zweifel. "Wir wollten Julia unbedingt in einen Waldkindergarten geben. Aber wir haben keinen Platz bekommen", erinnert sich eine Mutter. "Ich habe ewig gebraucht, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass mein Kind, statt draußen herumzutoben, drinnen den Vormittag am Maltisch verbringt." Die Kinder spüren die Unsicherheit oder Unzufriedenheit der Eltern und spiegeln sie.
Jeden Morgen das heulende Elend
Wenn man sich entschieden hat, dann sollte man das auch konsequent aber liebevoll vertreten. Ungeduld, Drohungen, Versprechungen, Unentschlossenheit und lange Diskussionen verunsichern die Kinder nur und führen höchstens zu noch mehr Tränen, die den Eltern fast das Herz brechen. Erstaunlicherweise versiegen sie, kaum dass Mama oder Papa außer Hörweite sind. "Es ist wichtig, die Gefühle des Kindes ernst zu nehmen. Wir sagen den Kindern, dass wir ihren Kummer und ihren Schmerz verstehen, und geben ihnen damit Rückmeldung. Aber natürlich arbeiten wir auch mit Tricks", erläutert Belzl-Bock. Das eine Kind liebt Überraschungen, das andere möchte auf den Schoß genommen werden - das ist sehr individuell. Auch hier ist wieder die Sensibilität der Erzieher gefragt. "Wenn Eltern verunsichert sind, dann vereinbaren wir mit ihnen, dass sie uns nach fünf bis zehn Minuten anrufen können. Bis dahin ist meistens alles wieder in Ordnung und das Kind weint nicht mehr."
Das Gespräch mit den Erziehern im Kindergarten suchen
Es gibt auch Kinder, die anfangs sehr gerne in den Kindergarten gehen, nach einer Weile aber plötzlich nicht mehr bleiben wollen. "Darauf muss man gefasst sein", erklärt Jutta Belzl-Bock. "Ganz oft passiert das, wenn Kinder eine Krankheit ausbrüten. Aber auch familiäre Ereignisse können einen zurückwerfen. Manchmal sind das in unseren Erwachsenenaugen Kleinigkeiten, die aber für das Kind so prägnant sind, dass die Phase der Ablösung in den Hintergrund tritt." Hier ist genaues Hinsehen gefragt. In einem Gespräch mit den Erziehern lässt sich oft herausfinden, welches Problem dahinter stecken könnte. Hat man selbst eine Vermutung, weil zum Beispiel eine Scheidung ansteht, dann kann man die Erzieher auch bitten, im Hinblick darauf ein besonderes Augenmerk auf das Kind zu haben.
Fällt Einzelkindern das Eingewöhnen in den Kindergarten schwerer?
Kinder, die bereits Krippen- oder Tagesmuttererfahrung haben, tun sich in der Regel leichter. War das Kind bis zum Eintritt in den Kindergarten nur bei den Eltern, dann liegt es nahe, dass es etwas mehr Zeit brauchen wird, bis es sich integriert hat. Ob ein solches Kind aber das Gefühl hat, vom Thron zu stürzen und in die Menge zu fallen oder ob ihm das Spielangebot der Erwachsenen nicht mehr genügt und es ganz heiß darauf ist, mit anderen zu spielen, das hängt stark von der Offenheit der Familienstruktur ab.
Nach einem halben Jahr voll integriert
Belastung und Stress aber, da ist sich der Entwicklungspsychologe Hartmut Kasten sicher, bedeutet der neue Lebensabschnitt für fast jedes Kind. Eine reibungslose Umstellung auf die Veränderungen im Alltag ist eher die Ausnahme. Da ist es völlig okay, dass die Kinder in den ersten Wochen etwas weniger belastbar und manchmal auch ziemlich empfindlich sind. Doch diese Zeit geht vorbei. "Insgesamt betrachtet haben die 'Neuen' nach Ablauf von zwei Monaten annähernd alle Kompetenzen und sozialen Fertigkeiten erworben, die sie benötigen, um den Alltag im Kindergarten erfolgreich und mit positiven Gefühlen zu bewältigen", schreibt der Frühpädagoge in seinem Buch "4-6 Jahre - Entwicklungspsychologische Grundlagen". Nach seiner Ansicht ist das Kind aber trotzdem erst nach einem halben Jahr voll integriert.
Der Kindergartenalltag muss verarbeitet werden
Grundsätzlich gilt aber für alle Kinder, auch wenn sie sich bereits in den ersten Wochen gut eingelebt haben: Man darf nicht vergessen, dass sie in diesem Alter noch lange nicht in der Lage sind, ihre eigenen Kräfte richtig einzuschätzen. Eine kleine Pause nach dem Kindergarten, in der man sich zum Beispiel auf das Sofa kuschelt und ein, zwei Bücher vorliest, hilft dem Kind, wieder zu einer inneren Ruhe zu finden. Wie viel Entspannung ein Kind dann braucht, ist nicht nur typabhängig, es hängt auch von der Einrichtung ab. Handelt es sich um ein offenes Konzept, in dem sehr viele Kinder fast den ganzen Tag frei herumwuseln, ist das etwas anderes als eine feste kleine Gruppe, in der strikte Regeln herrschen. Auch macht es einen Unterschied, ob das Kind von neun bis zwölf im Kindergarten ist oder den ganzen Tag.
Dem Kind Zeit geben - im wahrsten Sinne des Wortes
Bemerken Eltern, dass ihr Kind im Kindergarten innerlich noch nicht richtig angekommen ist, dann versuchen sie häufig, ihren Nachwuchs so schnell wie möglich wieder zu holen. Ihn sozusagen "zu befreien". Manchmal aber ist es besser, das Kind an einem oder zwei Tagen ein bisschen länger in der Einrichtung zu lassen. Denn gerade nachmittags, wenn weniger Kinder da sind und Freispielzeit ist, findet man gut neue Freunde. Und nichts hilft besser gegen Trennungsschmerz.