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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erziehung Die magische Formel: "Ich zähl bis drei ..."
Auf dem Spielplatz oder an der Supermarktkasse hört man es oft: ein zwischen den Zähnen herausgepresstes "Ich zähl bis drei" hören, mit dem Mütter und Väter versuchen, ihre Kinder zur Vernunft zu bringen. Macht diese Methode überhaupt Sinn? Und wann kommt man damit bei der Erziehung sicher nicht mehr weiter?
Man stellt Regeln auf und sie werden nicht eingehalten, man setzt Grenzen und sie werden überschritten. Fast alle Eltern kämpfen immer wieder mit diesem Problem. Schließlich ist es auch ein ziemlicher Balanceakt zwischen verständnisvoller Erziehung und eingeforderter Disziplin. Sieht man diese aber mal nicht als Zwang, Unterordnung und Verzicht, sondern als Zeichen von gegenseitigem Respekt und der Bereitschaft, Regeln einzuhalten, dann enden Erziehungsversuche auch nicht im lauten wütenden und damit letztendlich hilflosen Elternchaos. Da ist sich die Elterntrainerin und dreifache Mutter Christine Wermter sicher.
1-2-3-Magic
Die 1-2-3 Formel, auf die sich auch ihr Ratgeber mit dem gleichen Titel bezieht, beruht auf Thomas Phelans "1-2-3 Magic"-Methode. Der amerikanische Psychologe wollte so Eltern, aber auch Pädagogen, ein leicht zu erlernendes Hilfsmittel an die Hand geben, um verständnisvoll und geduldig konsequent zu sein. Sein Erziehungsratgeber wurde in 20 Sprachen übersetzt und über eine Million Mal verkauft.
Zwischen Stopp- und Startverhalten unterscheiden
Wobei man bei der 1-2-3 Formel darauf achten muss, ein sogenanntes Stopp-Verhalten (ein Verhalten, das beendet werden soll) von einem Start-Verhalten (einem Verhalten, das wir gerne öfter sehen würden) zu unterscheiden. Zimmer aufräumen, schlafen gehen, am Tisch sitzen bleiben, etwas üben, Sporttasche frühzeitig packen - all das sind Start-Verhalten. Und dafür ist die Methode völlig ungeeignet. Hier gilt es nämlich, die Motivation des Kindes zu wecken und es zu unterstützen.
Typisches Stopp-Verhalten hingegen sind schreien, streiten, andere auslachen, mit dem Essen spielen, andere an den Haaren ziehen oder bei einem wichtigen Telefonat zu stören. Richtig angewendet handelt es sich also nicht um eine unterschwellige Drohung, sondern um einige Sekunden Bedenkzeit, um die richtige Entscheidung zu treffen.
Spätestens nach der Grundschule verliert die Methode ihren Sinn
Die 1-2-3 Formel funktioniert am besten zwischen dem Kleinkindalter und der dritten, vierten Klasse. Dann allerdings wird nicht mehr so einfach respektiert, dass Eltern Regeln vorgeben wollen. Und schon gar nicht so. Denn welcher Zehnjährige und gar welcher Jugendliche will sich schon auszählen lassen? Er oder sie wird die Zählerei mit Sicherheit albern finden. Die Zeit der Verhandlungen beginnt. Und zwar, so Thomas Gordon in seinem Bestseller "Familienkonferenz", bis eine Lösung gefunden ist, die sowohl die Bedürfnisse der Kinder als auch die der Eltern befriedigt.
Bei einem Machtkampf verlieren alle Beteiligten
Hier kann man lediglich noch zum inneren Zählen greifen. Um sich selbst unter Kontrolle zu halten. "Bei der Drei lassen Sie eine Auszeit folgen - Sie verlassen den Raum." Es gibt Situationen, da ist es durchaus sinnvoll, eine Konfliktlösung ein wenig nach hinten zu schieben, die Gemüter sind zu erhitzt und ein Machtkampf bringt nie etwas. Außer Frust.
Das gilt übrigens auch für die ganz Kleinen. Befindet sich das Kind gerade mitten in der Trotzphase, muss man besonders behutsam mit ihm umgehen. Denn während eines Tobsuchtsanfalls ist es nicht möglich, auf diese Weise zu ihm durchzudringen. Beharrt man trotzdem darauf, könnte das nur zu einer unnötigen Eskalation führen.
Keiner weiß, was bei drei passiert …
Wichtig dabei ist, dass dem Kind bewusst ist, was passiert, wenn es die Entscheidung nicht im Sinne der Eltern trifft. Wermter bevorzugt die begrenzte Auszeit - für jedes Lebensjahr wird hier etwa eine Minute gerechnet. Doch man muss kein Befürworter der Auszeit sein, um die 1-2-3 Methode erfolgreich anzuwenden. Es gibt auch andere Folgen, die man einsetzen kann. Wobei diese umso unmittelbarer folgen sollten, je kleiner das Kind ist.
Wie sagt Frank Ramond in seinem Lied "Ich zähl bis drei" so schön? "Ein jeder folgt, steht stramm, pariert, weil keiner weiß, was bei drei passiert …" Wissen es die Eltern auch nicht, macht es definitiv keinen Sinn. Denn unsere Kinder merken schnell, wenn wir mit unserem Erziehungslatein am Ende sind. Und natürlich nutzen sie es dann aus. Man muss sich also absolut im Klaren darüber sein, dass man konsequent sein muss, wenn man bis drei zählen will. Man sollte vorher wissen, was bei drei passiert und das Kind sollte ebenfalls darüber informiert sein, dass sein Handeln gegen die Regeln bestimmte Konsequenzen haben wird, die ihm ziemlich sicher nicht gefallen werden.
Kindliche Wut muss man aushalten können
Hier liegt das nächste Problem. Es macht definitiv keinen Spaß, ein wütendes Kind auszuhalten. Und dass das Kind wütend wird, versteht sich von selbst, schließlich beschneidet man mit der Zählmethode meist seinen ausgeprägten Taten- und Unternehmungsdrang. Teilweise sind die Widerstände sogar so heftig, dass es innerlich wehtun kann - abhängig natürlich von Alter und Charakter des Kindes. Viele Eltern haben einfach keine Lust, sich einer solchen Auseinandersetzung zu stellen, in der man eventuell auch mal einiges aushalten muss.
Zu einer einmal getroffenen Entscheidung zu stehen, dazu gehört immer auch ein gewisser Mut. Und der fehlt vielen Eltern im Umgang mit ihren Kindern. Wobei hier nicht von sturer Prinzipientreue die Rede sein soll.
Kinder nehmen Eltern sinnvolle Grenzen nicht übel - im Gegenteil
Manchen fehlt es aber gar nicht am Mut, sie möchten mit ihren Kindern grundsätzlich auf einer Ebene kommunizieren. "Eltern, die es mit der Partnerschaftlichkeit in der Erziehung übertreiben, laufen Gefahr, sich vom Wohlwollen ihrer Kinder abhängig zu machen", so die sozialpädagogische Familienberaterin. "Sie fürchten, die Zuneigung der Kinder zu verlieren, wenn sie beharrlich auf der Einhaltung einmal gesetzter Regeln bestehen." Kurz gesagt, es könnte die Gefahr bestehen, dass das Kind einen weniger liebt, wenn es eine klare Grenze gesetzt bekommt. In dieser Hinsicht allerdings sind sich die meisten Fachleute einig, dass diese Sorge völlig unbegründet ist.