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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schlechte Angewohnheiten Wie man Kindern Daumenlutschen und Nasebohren abgewöhnt
Daumenlutschen
Das Nuckeln und Saugen ist etwas völlig Natürliches. Es stillt beim Baby das angeborene Saugbedürfnis, ähnlich wie beim Saugen an der Brust. Auch Kleinkinder haben dieses Bedürfnis noch, es beruhigt sie, wenn sie an ihrem Daumen lutschen können. Das Problem: Nuckeln die Kinder zu lange an Daumen oder Schnuller, kann das Schäden an den Zähnen und Fehlstellungen am Kiefer hervorrufen.
Die Kinder drücken mit dem Daumen die oberen Zähne nach vorne und die unteren Zähne nach hinten. Folge kann der sogenannte "offenen Biss" sein. Das bedeutet, dass beim Zusammenbeißen die Zähne keinen Kontakt haben; zwischen den oberen und unteren Zahnreihen entsteht eine große Lücke.
Daumenlutschen sanft abgewöhnen
Spätestens ab dem Kindergartenalter sollten Sie deshalb sanft aber bestimmt auf das Daumenlutschen eingehen und mit dem Kind trainieren, dass es den Daumen nicht ständig im Mund hat. Oftmals ist es den Kleinen irgendwann peinlich, vor ihren Kindergartenfreunden oder später den Klassenkameraden am Daumen zu lutschen.
Nuckelt Ihr Kind noch mit sechs Jahren oder älter massiv am Daumen, kann es sein, dass es psychisch stark angespannt ist. In diesem Fall kann ein Gang zum Kindertherapeuten, autogenes Training für Kinder oder Kinderyoga helfen.
Gelegentlich werden von konservativen Pädagogen oder Kinderärzten äußerst rabiate Methoden zur Abgewöhnung des Daumenlutschens empfohlen. Doch moderne Erziehungsberater raten davon dringend ab. "Wer Kindern übel riechende und widerlich schmeckende Flüssigkeiten auf den Daumen träufelt oder ihnen gar in der Nacht die Hände festbindet, hat nichts von der Not einer schlechten Angewohnheit verstanden", so der Familientherapeut Paul Suer.
"Genauso gut könnte man einen Menschen mit zusammen gebundenen Händen vor seine Lieblingsspeise setzen. Wird er deshalb sein Lieblingsessen nicht mehr mögen? Wohl kaum." Ein Nuckelkalender kann helfen, dem Kind das Nuckeln auf sanfte Weise abzugewöhnen. Darin wird jeder Tag ohne Daumenlutschen mit einem Smiley markiert und nach einer bestimmten Anzahl bekommt das Kind eine Belohnung.
Zähneknirschen kann auf Stress hindeuten
Im Gegensatz zum Jugend- und Erwachsenenalter ist das Zähneknirschen bei Babys und Kleinkindern zwischen dem achten Lebensmonat und dem dritten Lebensjahr ein natürliches Entwicklungsphänomen. In diesem Alter schießen die neuen Milchzähne durch die Zahnleiste und wachsen in die Mundhöhle hinein.
Durch das Zähneknirschen schleifen sich die Kauflächen gegenseitig ab, damit die Zähne der unteren Zahnreihe exakt zur Zahnlänge der oberen Zahnreihe passen. Die Kinder "beißen ihre Zähne ein", wie es im Jargon der Zahnärzte heißt. Dieser notwendige Schleifvorgang ist also kein Indiz für psychische oder stressbedingte Probleme beim Kind.
Bei älteren Kindern kann das Zähneknirschen auf eine Überfunktion der Kiefermuskulatur hinweisen. Bruxismus ist der medizinische Ausdruck für Zähneknirschen oder das Aufeinanderpressen der Kiefer während des Schlafens beziehungsweise unter Stress. Nachts entladen sich die Anspannungen und der Stress des Tages. Beobachten Sie bei Ihrem Kind, dass es nachts knirscht, gehen Sie mit ihm zum Zahnarzt.
Dieser wird die Zähne Ihres Kindes auf "abgeknirschten" Schmelz und auf kieferorthopädische Probleme der Zähne untersuchen. Er wird auf ungewöhnliche Abnützung der Zähne achten, beispielsweise auf Risse in der Zahnhartsubstanz, Empfindlichkeit und eventuelle psychische Faktoren, die zum Knirschverhalten beitragen könnten. Darüber helfen Entspannungsrituale wie Vorlesen oder eine heiße Tasse Kakao vor dem Zubettgehen, damit das Kind besser schläft.
Fingernägelkauen gar nicht erst einreißen lassen
Bei Kindern ist Nägelbeißen weit verbreitet. Es beginnt im Alter zwischen vier und sechs Jahren, nimmt bis zum zwölften, dreizehnten Lebensjahr zu und hört dann irgendwann während der Pubertät meist wieder auf. Auch wenn sich das Problem von alleine wieder lösen sollte, abgebissene Nägel sehen nicht schön aus. Außerdem kann Nägelkauen zu Entzündungen des Nagelbetts führen und auch zu Gebissfehlstellungen.
Achten Sie am besten schon im Kleinkindalter darauf, dass diese Gewohnheit nicht einreißt. Spätestens wenn Sie merken, dass Ihr Kind vor allem in aufregenden Situationen wie beispielsweise bei Stress in der Schule, Zeitdruck, Ärger mit den Freunden oder in der Familie an den Nägeln kaut, sollten Sie es dabei unterstützen, mit dem Kauen aufzuhören.
Denn wenn sich die bloße Angewohnheit beim Kind zur Strategie entwickelt, Stress abzubauen, wird es umso schwieriger damit wieder aufzuhören. Das sieht man nicht zuletzt daran, dass auch einige Erwachsene diese schlechte Angewohnheit noch nicht abgelegt haben. Laut einer Studie der Universität Heidelberg zum Thema "Nägelkauen bei Erwachsenen" sind schätzungsweise zehn bis 15 Prozent der Deutschen Nagelbeißer.
Wenn das Nägelkauen stressbedingt ist, kann das Kind üben, Stress mit Ersatzhandlungen wie Fingerspiele mit einem Stift abzubauen.
In der Nase bohren ist nicht gefährlich
Eine sehr lästige und auch etwas eklige, allerdings gänzlich ungefährliche Angewohnheit ist das Nasebohren. Vor allem Kleinkinder sind sehr entdeckungsfreudig. Kein Wunder also, dass sie auch die verschiedenen Löcher des Körpers erforschen. Aber auch viele ältere Kinder scheinen sich unglaublich dafür zu interessieren, was in ihrer Nase los ist.
"Popeln ist zwar extrem unappetitlich, gesundheitsschädlich ist es aber nicht – auch wenn ein Popel mal im Mund landet", erklärt Kinder- und Jugendärztin Gunhild Kilian-Kornell, Sprecherin des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. "Nur scharfe Fingernägel oder Gegenstände, die zum Popeln benutzt werden, können zu Verletzungen führen."
Aber auch wenn keine gesundheitlichen Schäden drohen, ist ein popelndes Kind in vielen Situationen peinlich. Eltern müssen das Nasebohren nicht akzeptieren und sollten das auch nicht dauerhaft. Sie können dem Kind verdeutlichen, dass sich andere Menschen davor ekeln. Wenn Ihr Kind nicht weiß, wo es seine Finger lassen soll, kann ein "Beschäftigungsball" helfen.
Schlechte Angewohnheit oder bewusste Provokation?
Für Eltern ist es wichtig, einzuschätzen, ob sich eine schlechte Angewohnheit unbewusst entwickelt hat, oder ob der Nachwuchs mit provozierendem Verhalten einfach nur seine Grenzen ausloten will. Wenn Ihr Kind sich in aller Öffentlichkeit in den Schritt fasst, genüsslich an den Haaren kaut, sich all drei Minuten räuspert oder sich demonstrativ am Po kratzt, wenn Sie zusammen an der Supermarktkasse stehen, will es oft nur herausfinden, wie Sie auf dieses Benehmen reagieren. Böse meint es das nicht. Es testet einfach immer wieder Ihre Reaktion und freut sich, wenn es Sie etwas aus der Reserve locken kann.
Drehen Sie doch einfach mal den Spieß um und überlegen sich, wie Sie die Situation mit Humor entschärfen können. Beim Beispiel des Po-Juckens fragen Sie einfach: "Na, juckt´s? Soll ich dir helfen?" Wenn Sie Ihr Kind in aller Öffentlichkeit am Po kratzen, so wird das ihm wahrscheinlich sehr viel peinlicher sein als Ihnen.