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Kleinkinder: Der tägliche Kampf beim Anziehen


Im Schlafanzug in die Kita schicken?
Deshalb sind Kleinkinder beim Anziehen oft so bockig

Eltern von Kindergartenkindern kennen das morgendliche Drama, wenn sich ihr Nachwuchs partout nicht anziehen will oder ein Outfit bevorzugt, das nicht zur Jahreszeit passt. Doch Experten betonen, dass der Klamottenaufstand wichtig für die Entwicklung ist. Mit diesen strategischen Tipps überstehen Mütter und Väter diese Phase.

Aktualisiert am 02.02.2018|Lesedauer: 4 Min.
t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli
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In den sozialen Netzwerken und Foren wimmelt es von Erfahrungsberichten und Vorschläge leidgeprüfter Eltern. So erzählt eine Mutter: "Wenn mein Kind nicht das anzieht, was ich rauslege, muss es eben im Schlafanzug in die Kita." Eine andere will den Konflikt mit ihrem kleinen Sohn ohne "Wenn-Dann-Erziehung" lösen, indem er einfach anziehen darf, was er will, ungeachtet gewagter Farbkombination, haarsträubender Stilmixturen und Außentemperaturen.

Kleinkind: Nein, diesen Pulli trag ich nicht!Vergrößern des Bildes
Nein, den doofen Pulli trag ich nicht! (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Über eine Stunde nur für die Socken

Besonders anschaulich schildert Patrizia Cammarata in ihrem Mama-Blog "Das Nuf Advanced" die wiederkehrenden Diskussionen mit ihrem dritten Kind: "Das Anziehritual treibt mich zur Zeit in den Wahnsinn. Ich lüge nicht, wenn ich behaupte, dass das Anziehen morgens rund 1,5 Stunden in Anspruch nimmt. Dabei sind die Anforderungen nicht mal besonders hoch. Es geht ja nicht um Schuhe binden oder Krawatten knoten. Es geht um Socken. Ab 6 Uhr knie ich flehend vorm Kind und fordere es auf, die Socken anzuziehen. Wenn bei den anderen Kindern irgendein Trick irgendwann mal geholfen hat – bei Kind 3.0 hilft nichts. Kein 'Ich wette, ich bin schneller als duhuuu'. Da schaut mich Kind 3.0 nur gelangweilt an und stellt fest: 'Ja Mama. Du bist ja auch erwachsen'."

Kleider-Revolten sind wichtig für die Entwicklung

Experten empfehlen Müttern und Vätern, den stressigen Anzieh-Auseinandersetzungen erst einmal etwas Positives abzugewinnen und sich mit den Trotzköpfen zu arrangieren. Denn ab zwei Jahren kommen die Kinder in ihre Trotzphase, wollen zunehmend selbstständig sein und ihren Willen durchsetzen. Dazu gehört eben auch, um das Selbstbestimmungsrecht bei der Bekleidung zu kämpfen.

Der Psychologe Thomas Gordon rät in seinem Bestseller "Familienkonferenz", dem Kind mit "Ich-Botschaften" zu begegnen. Das vermittle, dass sie ihm die Verantwortung überlassen und ihm zutrauen, konstruktiv mit der Situation fertig zu werden.

Gordon argumentiert, dass Kinder nicht gesagt bekommen wollen, was sie tun müssen. Viel motivierender sei das Gefühl, eigene Lösungen finden und selbst auszuprobieren zu dürfen. Aufforderungen wie "du bist immer so langsam, zieh dich endlich an!", funktionierten deshalb selten. Besser sei es, das Kind mit bestärkenden Argumenten zum Anziehen zu bewegen. Sätze wie "ich finde es toll, wenn du dich schon selbst anziehen kannst. Aber ich habe es heute sehr eilig. Darf ich dir deshalb helfen?", könnten die Kleinen zur Kooperation bewegen.

Das kindliche Streben nach Unabhängigkeit respektieren

Auch der dänische Pädagogik-Guru Jesper Juul setzt bei "Kleider-Revolten" im Trotzalter auf die Toleranz der Eltern. "Diese Phase der kindlichen Entwicklung gleicht in gewisser Weise der Pubertät. Sie ist die erste Möglichkeit für das Kind, sich einen eigenen Raum zu erobern und eine aktivere, wechselseitige Beziehung zu seinen Eltern aufzubauen", schreibt Juul.

Juul erklärt, wie Eltern reagieren können, ohne den Konflikt zu befeuern. Zum Beispiel, wenn das Kind an einem kalten Wintertag unbedingt mit Sommerkleidung in die Kita will: "Man kann dann in der Situation selbst schlau sein und sagen: 'Okay, ich glaube, das ist jetzt ein bisschen kalt, was du da ausgesucht hast. Meiner Meinung nach ist das heute zu wenig. Ich packe jetzt andere Kleider ein und wenn es dir kalt wird, dann sagst du den Erzieherinnen Bescheid'."

Nicht alle Eltern halten solche sanften Lösungen für alltagskompatibel. Autorin und Dreifachmutter Tilda Beck, die lieber einen schreienden statt einen frierenden Zwerg zur Kita bringt, kommentiert dazu bei "Spiegel Online": "Ich stelle mir also vor, wie ich mit einem Berg angemessener Kleidung hinter meinen Kindern herlaufe, damit sie erfahren können, wie sich kalt und nass anfühlt? No, thanks!"

Ein Klamottenboykott kann viele Gründe haben

Schwierig sind Patentrezepte auch deshalb, weil es so viele Gründe für die Ablehnung bestimmter Kleidungsstücke geben kann: Der kleine Anton will zum Beispiel Omas uncoolen Strickpulli mit Wolken-Applikationen nicht mehr tragen, weil er deshalb schon mal gehänselt wurde. Anna besteht im Dezember auf dem zartrosa Feengewand aus Tüll, weil sie es beim Spielen im Kindergarten tragen will.

Clevere Strategien für Eltern

Mit ein paar kreativen Tricks können Eltern dem Zank entgegenwirken und ihre Nerven schonen. So hilft es etwa, Hektik zu vermeiden, indem man einfach früher mit der Kleiderprozedur beginnt. Dabei sollte man das Kind ruhig selbst werkeln lassen, aber immer Unterstützung anbieten.

Ebenfalls clever ist es, schon am Abend vorher gemeinsam mit dem Kind die Garderobe für den nächsten Tag herauszusuchen. Das stresst nicht und stärkt zudem das Autonomiebedürfnis des Nachwuchses.

Und im Winter kann das Prozedur für unwillige Knirpse attraktiver werden, wenn sie in Klamotten schlüpfen dürfen, die auf der Heizung kurz vorgewärmt wurden.

Keine Kompromisse bei Winterwetter

Durchsetzen sollten sich Eltern allerdings, wenn die Kinder bei Minusgraden sommerlich leich bekleidet aus dem Haus gehen wollen. So sind zum Beispiel dünne Söckchen nur dann erlaubt, wenn zusätzlich Leggings unter den Rock oder die Hose gezogen werden. Auf diese Weise kann der Nachwuchs seine modischen Vorstellungen umsetzen und Mama und Papa müssen nicht um die Gesundheit ihres Kindes fürchten.

Humor hilft!

Ebenfalls ein bewährtes Mittel ist Gelassenheit: Rechts einen gestreiften Kniestrumpf und links eine grüne Socke? Na und! Solange die Füße warm bleiben und die kleine Vogelscheuche glücklich ist, sollte das nicht so schlimm sein.
Dass elterliche Strategien manchmal vergeblich sind, hat Patrizia Cammarata erlebt. Doch die Bloggerin nimmt‘s mit Humor: "Dieses Kind! Es ist nicht zu knacken. Wenn es dann meine Verzweiflung spürt, legt es sein Patschehändchen mitfühlend auf meine Schulter und sagt: 'Wenn Du misch abends nisch ausziehst, musst Du misch morgens nisch anziehen, weisst Du?'. Ich bin also der Gnade des Kindes ausgesetzt. Es macht entweder mit oder nicht. (…) Und ich, ich bin ein stiller, tiefer See. Ommmmmm!"

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