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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kommunikation mit Kindern Zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus
Sie fragen sich, warum Ihr Kind Sie immer wieder dazu bringt, laut zu werden? Warum es nie erzählen mag, wie es in der Schule war und wieso Sie immer das Gefühl haben, dass Sie sich den Mund fusselig reden und trotzdem nichts passiert? Dann könnte es sein, dass Sie sozusagen auf UKW senden und das Kind empfängt auf Mittelwelle. Hier finden Sie Tipps, um gemeinsam auf eine Wellenlänge zu kommen.
"Als ich noch voll im Berufsleben stand, habe ich dauernd Seminare zum Thema Kommunikation besucht. Aber wie man mit einem Kind redet, das hat mir niemand beigebracht", stöhnt Barbara, als ihre zehnjährige Tochter nach einem heftigen Streit gerade wieder Türen schlagend verschwunden ist.
Trotz aller guten Vorsätze landet Barbara fast täglich bei dauerndem "Nein", bei "Wenn nicht, dann.." oder "Mach jetzt endlich!". Befehle, Ermahnungen, Schimpfen, unterschwelliger Tadel - all das ruft bei Kindern das Gleiche hervor wie bei uns: Widerstand macht sich breit. Die Folge: Geschrei, Tränen, Machtkämpfe und der große Frust auf beiden Seiten.
Viel reden hilft nicht viel
Heutzutage wird viel mehr mit Kindern diskutiert, besprochen, verhandelt und erklärt. Man will nicht mehr wie früher nur befehlen, anordnen und durchsetzen. Aber dann landet man doch immer wieder an diesem Punkt, obwohl man eigentlich wollte, dass das Kind einen versteht, die Handlungen nachvollziehen kann. Das macht jedoch nicht immer Sinn. Denn oft ist der Standpunkt der Eltern für die Kinder, vor allem wenn sie noch klein sind, gar nicht klar. Sie hören leere Worthülsen, lange Erklärungen, denen sie noch gar nicht folgen können und reagieren verständnislos. Denn eigentlich wünschen sie sich Klarheit.
Die eigenen Bedürfnisse klar formulieren
"Manchmal verstehen Kinder nicht, was ihre Eltern möchten. Denn diese bleiben zu unverbindlich und sprechen nicht von sich", erklärt der Familienberater Jan-Uwe Rogge in seinem Buch "Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhört & wie Sie zuhören, damit Ihr Kind redet". Seine Erfahrung zeigt, dass viele häuslichen Dramen verhindert werden könnten, wenn die Eltern klarer und authentischer wären und zu ihren Bedürfnissen stehen würden. "Wobei klar und authentisch nicht heißt, lautstark anzuordnen und zu schreien, sondern ruhig und eindeutig zu sagen, was sie erwarten. Und zu sich und zu seinen Bedürfnissen zu stehen meint nicht, sich wie ein Oberbefehlshaber aufzuspielen und in den Kindern Bodentruppen zu sehen, sie man nach Lust und Laune herumkommandieren kann, sondern 'Ich' zu sagen: 'Ich möchte…', 'ich erwarte…', 'ich will nicht…'"
Eine Ich-Botschaft hat nichts mit Egoismus zu tun
Kinder brauchen, ganz egal, wie alt sie sind, klare Ansagen. Befehle, Gejammer und Klagen bringen nichts. Mit Aussagen wie "Sei bitte pünktlich, ich mache mir sonst Sorgen", "Bitte warte einen Moment, ich möchte Papa etwas zu Ende erzählen und dann spiele ich mit dir" oder "Ich ärgere mich, wenn ich merke, dass du mich angeschwindelt hast. Darüber sollten wir später reden, du wirst einen Grund gehabt haben" kommt man viel weiter.
Für viele klingen Ich-Botschaften dieser Art zunächst etwas ungewohnt. Manchmal kommt auch die Befürchtung dazu, dass man, wenn man seine Gefühle so offen zur Schau trägt, seine Autorität verlieren könnte. Das Gegenteil aber ist der Fall, denn Eltern werden glaubwürdiger durch das Aussprechen eigener Empfindungen, da ist sich Doris Heueck-Mauss ganz sicher. "Ich-Botschaften richten die Aufmerksamkeit auf das erwünschte Verhalten; so hat der andere eine Wahlmöglichkeit", schreibt die Psychologin in ihrem Buch "So rede ich richtig mit meinem Kind".
Das eigene Kind vorurteilsfrei wahrnehmen
Wichtig ist hierbei, dass das Kind beziehungsweise der Jugendliche nicht verurteilt wird, sondern lediglich eine Rückmeldung über sein Handeln bekommt - mit den jeweiligen Auswirkungen. Dass man weder direkt noch indirekt beschuldigt und die Sache von der Beziehung trennt. Denn was nicht kränkend ist, löst auch keine emotionalen Abwehrreaktionen aus. Allerdings ist auch hier Vorsicht geboten, denn es gibt Ich-Botschaften, die eigentlich keine sind. "Ich fasse es nicht, das ist ja wieder typisch für dich" oder "Ich bin sauer, du hast mir den Tag verdorben" sind destruktive Aussagen, die mit Sicherheit Widerstand hervorrufen werden. Der wird auch nicht lange auf sich warten lassen, wenn man die Persönlichkeit des Kindes angreift. "Immer machst du…", "nie kannst du…" oder "du bist so…" sind hier die typischen Beispiele. "Derart vorgefasste Meinungen sind wie eine Wand, an der jeder Vertrauensversuch abprallt", erklärt Jan-Uwe Rogge. "Wenn Sie solche Wände niederreißen, werden Sie ganz neue Seiten an sich und Ihrem Kind entdecken."
Sieger und Verlierer
Es kommt nicht nur darauf an, was man sagt, sondern auch wie man es sagt. Mimik, Gestik und Tonfall transportieren viel mehr, als uns bewusst ist. Denn nur sieben Prozent dessen, was wir sagen, wird über den Sinn und den Inhalt der Worte vermittelt, 55 Prozent macht die Körpersprache aus und 38 Prozent der Klang der Stimme und die Art des Sprechens, so die Forschungsergebnisse des amerikanischen Kommunikationspsychologen Albert Mehrabian von der Universität in Kalifornien. Ein durch die Lippen gepresstes "Schatzi, würdest du jetzt bitte deine Schuhe anziehen" ist für ein Kind eher verwirrend. Denn die Worte passen nicht zum Rest.
Offene Kommunikation als Türöffner zum Herzen
Es ist wichtig, im Kontakt mit dem Kind zu bleiben. Ein gutes Beispiel sind die Hausaufgaben - ein häufiger Konfliktherd zwischen Eltern und Kindern. Statt einem "Jetzt konzentrier dich endlich mal! Du hast doch einfach keine Lust und denkst nur an dein blödes Fußball" wäre es besser, dem Kind zu spiegeln, was man wahrnimmt, aufmerksam seine Signale aufzunehmen und entsprechend darauf zu reagieren. Vor allem sollte man nicht davon auszugehen, dass das Kind einen sowieso nur provozieren will - denn in den allermeisten Fällen ist dem nicht so. "Fällt dir Mathe heute schwer, weil du dich so auf das Fußballspiel freust oder brauchst du vielleicht einfach eine kleine Pause?" bewertet weder das Verhalten des Kindes noch seine Wünsche, gibt lediglich wider, dass man spürt, dass das Kind abgelenkt und blockiert ist. "Ihr Kind wird sich verstanden, angenommen und respektiert fühlen."
Die Ratgeberautorin Heueck-Mauss ist selbst Mutter zweier Kinder und kennt die Fallen des sprachlichen Umgangs miteinander. "Offene Kommunikation ist ein Türöffner zum Herzen! Sie festigt den Selbstwert des Kindes, verbessert die Beziehung und macht Ihr Kind selbstkritisch und frei von der Meinung anderer."
Mit Wertungen vorsichtig sein
Kommt ein Kind nach Hause und erzählt zum Beispiel, dass ein Freund nicht mehr mit ihm spielen möchte, dann hört es häufig Antworten wie "Na komm, wird so schlimm schon nicht sein. Morgen vertragt ihr euch wieder!" oder "Naja, wirst schon auch deinen Teil dazu beigetragen haben. Wasch dir schnell die Hände, Essen ist fertig". In beiden Fällen hat das Kind das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, nicht verstanden zu werden. Besser wäre "Komm her zu mir, du siehst ja ganz traurig aus. Magst du erzählen, was passiert ist?"
Ein paar Minuten ungeteilte Aufmerksamkeit zeigen tolle Ergebnisse
Zuhören bedeutet, sich Zeit zu nehmen, wobei wenige Minuten der vollständigen Aufmerksamkeit oft schon genügen. Dann hat das Kind die Möglichkeit, sich zu öffnen und fühlt sich angenommen.
In jedem Alter ist es wichtig, dass Kinder wissen, dass sie immer kommen können. In der Regel ist es möglich, sich diese paar Minuten Zeit zu nehmen und bewusst zuzuhören. Aber natürlich gibt es Situationen, in denen das nicht geht. Dann ist es aber entscheidend, dem Kind genau zu signalisieren, dass und warum man jetzt gerade keine Zeit hat und wann man für es da sein wird: "Bitte warte einen Moment, bis ich das Baby gewickelt und schlafen gelegt habe. Dann können wir beide ungestört einen Kakao trinken und du erzählst mir alles in Ruhe".
"Wie war es heute?" "Schön."
Kinder, die gerade von Kindergarten oder Schule heimkommen, braucht man eigentlich gar nicht zu fragen, wie es war. Man wird lediglich ein "schön", ein "doof" oder Ähnliches zu hören bekommen. Kinder müssen das Erlebte oft erst verarbeiten, brauchen Zeit und Raum zum Erzählen. Größere Kinder reagieren mit solchen Antworten oft auch instinktiv auf eine gut gemeinte, aber letztlich leere und floskelhafte Frage beziehungsweise eine, die in manchen Familien einen regelrechten Verhörcharakter eingenommen hat. Sie wollen nicht ausgefragt werden. Sie wollen, dass ihnen jemand zuhört, Interesse zeigt, an dem was sie erlebt haben. Kurze Rückfragen, ein Zusammenfassen des Gehörten und das Wiederaufnehmen einzelner Worte im Sinne von "'Doof' hast du gesagt. Was meinst du damit?" können hier sehr hilfreich sein und zeigen dem Gegenüber, dass man genau hinhört und vor allem mitdenkt.
Eltern müssen nicht perfekt sein
Letztendlich darf man sich trotz aller Ratschläge aber auch nicht verbiegen. Es liegt nicht immer an Kommunikationsfehlern. Manchmal ist es einfach nicht der richtige Zeitpunkt, herrscht schlechte Laune - vieles hängt von der Tagesform der Beteiligten ab. Niemand, so Jan-Uwe Rogge, erwartet, dass Eltern ihre ganze Energie in die Vermeidung von Fehlern stecken. "Und für Heranwachsende ist es ermutigend, mit Menschen aus Fleisch und Blut zusammenzuleben und nicht mit pädagogischen Obergurus, die alles wissen und können."