Generationenprojekt Kohleausstieg Ist die Stromversorgung sicher?
Heute werden die zentralen Gesetze für den Kohleausstieg verabschiedet. Doch worum geht es genau? Und woher soll der Strom danach kommen?
Heute beschließen Bundestag und Bundesrat das Aus für die Kohle in Deutschland bis spätestens zum Jahr 2038. Kohleländer bekommen eine lange Übergangsphase und Milliardenhilfen für den Strukturwandel, Kraftwerksbetreiber hohe Entschädigungen. Die Bundesregierung sieht sich international als Vorreiter, weil Deutschland bis 2022 auch aus der Atomkraft aussteigt. Ganz anders sehen das Umweltverbände, die von einem "historischen Fehler" sprechen. Der Kohleausstieg komme zu spät und bringe dem Klima zu wenig. Zudem entspricht das Gesetz nicht den Empfehlungen der Kohlekommission. Dabei sind die erneuerbaren Energien längst im Aufwind.
Warum ein schnellerer Kohleausstieg kommen soll
Kohlekraftwerke werden zwar ohnehin nach und nach vom Netz genommen. Eigentlich aber wäre erst in den späten 40er Jahren Schluss gewesen für die Kohleverstromung. Das soll nun fürs Klima vorgezogen werden. Immer noch kommt nämlich viel Strom aus Kohlekraftwerken – obwohl der Ökostrom-Anteil in Deutschland stetig steigt. Wenn Braunkohle zu Strom wird, entsteht besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2). Eine von der Regierung eingesetzte Kommission aus Wirtschaft, Politik, Gewerkschaften und Umweltverbänden hatte sich Anfang 2019 darauf geeinigt, dass der Ausstieg spätestens bis 2038 abgeschlossen sein soll – aber schon damals ging das den Umweltverbänden zu langsam.
So sieht der Ausstiegspfad aus
Ziel des Kohleausstiegsgesetzes ist es, die Verstromung von Kohle in Deutschland bis spätestens Ende des Jahres 2038 – wenn möglich auch früher schrittweise und möglichst stetig auf null zu reduzieren. Dadurch sollen Emissionen verringert und Klimaziele erreicht werden. Das Gesetz sieht nun einen Fahrplan vor, bis wann wie viel Gigawatt Braun- und Steinkohleverstromung reduziert werden, zu Beginn ab 2020 passiert dies vor allem im Rheinischen Revier.
Aber reicht das fürs Klima? Umweltverbände sagen: Nein, bei weitem nicht. "Greenpeace wird weiter gemeinsam mit der gesamten Klimabewegung bei dieser und der nächsten Regierung für das Ende der Kohleverbrennung bis spätestens 2030 kämpfen", sagt Geschäftsführer Martin Kaiser und spricht von einem "Pseudo-Kohleausstieg".
Ist die Stromversorgung trotz Ausstieg gesichert?
Während des Kohleausstiegs soll in den nächsten Jahren immer wieder überprüft werden, ob die Stromversorgung gesichert ist und welche Folgen der Ausstieg auf die Strompreise hat. Steigen diese, sind Entlastungen vorgesehen, darauf hatte die Wirtschaft gepocht. Gleichzeitig konnten in der ersten Hälfte 2020 bereits über 50 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Die Stromproduktion aus Kohle nahm dagegen im ersten Halbjahr um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ab. Insgesamt waren Deutschlands Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke zusammen für weniger als 20 Prozent der gesamten Stromerzeugung verantwortlich. Gründe dafür waren auch der niedrige Gaspreis und der stabile CO2-Preis in der EU, der die Kohlestromproduktion verteuert. Dabei war die Nachfrage nach Strom Corona-bedingt niedrig – zudem waren die Wetterbedingungen für Solar- und Windkraft besonders günstig.
Um die Stromversorgung dauerhaft zu sichern, sind weitere Investitionen in erneuerbare Energien notwendig. Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) plädierten dabei Anfang 2020 in einer Studie im Auftrag von BUND ebenfalls für einen früheren Kohleausstieg bis 2030. Damit könnten 1,8 Milliarden Tonnen CO2 eingespart und die Pariser Klimaziele erfüllt werden. Notwendig sei dafür jedoch der Ausbau der erneuerbaren Energien auf mindestens 75 Prozent der Stromerzeugung.
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Was Kraftwerksbetreiber und Kohleregionen bekommen
Für Braunkohlekonzerne wie RWE sind für das vorzeitige Abschalten von Kraftwerken Milliarden-Entschädigungen geplant, dazu soll es einen Vertrag zwischen Bundesregierung und Unternehmen geben. Hilfen sollen auch Betreiber von Steinkohlekraftwerken bekommen. Die Koalition hatte sich auf den letzten Drücker noch auf neue milliardenschwere Förderprogramme geeinigt, um Kraftwerke umzurüsten, etwa auf Gas oder zum Einsatz von Biomasse oder Wasserstoff. Zudem sind höhere Entschädigungen für Stilllegungen vorgesehen.
Noch immer hängen Tausende von Jobs im Rheinland und in Ostdeutschland – in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier – an der Kohle. Damit Strukturbrüche vermieden werden, öffnet der Bund seine Schatulle: Vorgesehen sind bis 2038 Hilfen von insgesamt 40 Milliarden Euro, die den Kohleregionen in Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Brandenburg beim Umbau ihrer Wirtschaft sowie beim Ausbau der Infrastruktur helfen sollen. Die große Angst: Ganze Regionen könnten sonst wirtschaftlich abgehängt werden.
Bei den Hilfen geht es um direkte Finanzhilfen des Bundes für wichtige Investitionen der Kohleländer und ihrer Gemeinden und Infrastrukturmaßnahmen wie neue Bahnstrecken oder Straßen. Außerdem sind neue Bundesbehörden oder Forschungsinstitute geplant – damit sich darum neue Firmen ansiedeln.
Gleichzeitig soll es für die Kohlekumpel ein eng geknüpftes Sicherheitsnetz geben, zum Beispiel mit einem milliardenschweren Anpassungsgeld für Beschäftigte ab 58 Jahren, die die Zeit bis zum Renteneintritt überbrücken müssen, sowie einem Ausgleich von Renteneinbußen. Die große Frage aber ist: Klappt es, dass gut bezahlte Ersatzarbeitsplätze entstehen?
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP
- DIW