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Allzweckwaffe Wasserstoff? Ein paar Fragen bleiben offen


Regierung beschließt Milliarden-Plan
Die Allzweckwaffe Wasserstoff lässt ein paar Fragen offen

Von dpa, reuters
Aktualisiert am 10.06.2020Lesedauer: 3 Min.
Wasserstofftankstelle: Das Bundeskabinett hat beschlossen, eine Wasserstoff-Industrie aufzubauen (Symbolbild).Vergrößern des Bildes
Wasserstofftankstelle: Das Bundeskabinett hat beschlossen, eine Wasserstoff-Industrie aufzubauen (Symbolbild). (Quelle: Arnulf Hettrich/imago-images-bilder)
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Die Suche nach klimaschonenden Technologien läuft mit Hochdruck. Wasserstoff soll eine Lösung sein, meint zumindest das Bundeskabinett. Doch es gibt auch Kritik an der Allzweckwaffe.

Als erste Umsetzung des Konjunkturpakets hat das Bundeskabinett nach Angaben der Regierung die lange umstrittene Strategie zum Aufbau einer Wasserstoff-Industrie beschlossen. Damit will Deutschland weltweit die Nummer eins bei der Technologie werden. Das Konzept sieht dafür zusätzliche Mittel von neun Milliarden Euro vor. Bis spätestens 2040 sollen Elektrolyse-Kapazitäten von zehn Gigawatt aufgebaut werden.


Dies entspricht der Leistung von zehn Atomkraftwerksblöcken. Gefördert werden soll die Produktion durch Abgabe-Befreiungen für Strom aus Wind oder Sonne, mit dem Wasserstoff aus Wasser erzeugt werden soll. Zwei Milliarden Euro stehen zudem für Konzepte mit internationalen Partnern besonders in Europa bereit.

Wie Wasserstoff das Klima retten soll

Wenn weniger Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangen soll, muss weniger Kohle, Erdöl und Erdgas verbrannt werden. Nicht immer kann Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse fossile Brennstoffe so direkt ersetzen, wie wenn ein E-Auto mit Strom statt mit Sprit fährt. Hier kommt Wasserstoff ins Spiel. Die technischen Details sind eher etwas für Chemie-Interessierte: Wasserstoff entsteht zum Beispiel durch Elektrolyse von Wasser, das in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Dafür braucht es elektrische Spannung, also Strom.

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Wasserstoff kann Brennstoffzellen betreiben, etwa für Lastwagen. Aus Wasserstoff können gasförmige und flüssige Kraft- und Brennstoffe gemacht werden. Man spricht dabei oft von Power-to-X: Aus Strom, Power, entsteht etwas anderes, X. Und er speichert Energie, was wichtig ist, wenn der Strom komplett aus Erneuerbaren kommen soll.

Produktion hat auch einen Haken

Je nachdem, aus was Wasserstoff gewonnen wird und woher der Strom kommt, gibt es unterschiedliche Namen: Grüner Wasserstoff entsteht mit erneuerbaren Energien aus Wasser und ist der Liebling der Klimaschützer. Grauer Wasserstoff dagegen wird aus fossiler Energie hergestellt, etwa aus Erdgas. Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff entstehen rund 10 Tonnen CO2 – kein guter Deal für das Klima. Als blau wird Wasserstoff bezeichnet, wenn das CO2 gespeichert wird, also nicht in die Atmosphäre gelangt. Die Methoden dafür sind umstritten. Türkiser Wasserstoff wird aus Methan gewonnen.

Der Bund hat schon viele Hundert Millionen Euro in die Forschung zum Wasserstoff gesteckt, weitere, milliardenschwere Förderprogramme laufen. Im großen Konjunkturpaket gegen die Corona-Krise sind weitere 7 Milliarden Euro für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien vorgesehen und 2 Milliarden für internationale Partnerschaften. Denn es wird längerfristig so viel Wasserstoff gebraucht, dass Deutschland den nicht alleine produzieren kann – allein schon wegen der enormen Strommengen, die dafür notwendig sind.

Erzeugungsanlagen in den nächsten zehn Jahren

Bis 2030 sollen in Deutschland Erzeugungsanlagen von bis zu fünf Gigawatt Gesamtleistung entstehen, heißt es in der Wasserstoff-Strategie. Diese sollen etwa ein Siebtel des erwarteten Bedarfs herstellen. Der Rest muss importiert werden. Die SPD wollte eigentlich doppelt so viel Kapazität.

Umstritten war auch, welche Rolle nicht-grüner Wasserstoff spielen soll. In der Strategie heißt es nun, dass nur grüner Wasserstoff "auf Dauer nachhaltig" sei – aber auf dem weltweiten und europäischen Markt auch blauer oder türkiser Wasserstoff gehandelt werde, der daher auch in Deutschland "eine Rolle spielen und, wenn verfügbar, auch übergangsweise genutzt" werde.

Markt soll geschaffen werden

Ziel ist es, neben der Förderung von Investitionen auch einen Markt für Wasserstoff zu schaffen, damit Unternehmen überhaupt im großen Stil auf Wasserstoff-Produktion setzen. Denn bisher ist oft die Rede von einem "Henne-Ei-Problem": Es ist nicht genug Wasserstoff da, um Anwendungen voranzubringen - und es gibt nicht genug Anwendungen, um in die Produktion einzusteigen.

Im Gespräch ist unter anderem eine Quote für Kerosin, also Flugzeug-Treibstoff, in Höhe von mindestens zwei Prozent für das Jahr 2030, oder eine Quote für klimafreundlichen Stahl. Beschlossen ist das aber nicht. Die Produktion von grünem Wasserstoff soll zudem über eine Befreiung von der Ökostrom-Umlage gefördert werden, die Bürger mit der Stromrechnung zahlen.

Wofür der Wasserstoff verwendet werden soll

Klar ist, dass etwa die Stahl-, Chemie- und Zementbranche ihn braucht, um CO2-Emissionen zu drücken. Auch "Teile des Wärmemarkts" hat die Regierung "im Blick", wie es in der Strategie heißt. Und wie sieht es beim "Klimaschutz-Sorgenkind" Verkehr aus? "Sowohl im Luft- als auch im Seeverkehr sind für die Dekarbonisierung klimaneutrale synthetische Kraftstoffe erforderlich", heißt es in der Strategie. Das bezweifelt keiner, auch Brennstoffzellen in Bussen, Zügen und Lkw sind ziemlich unstrittig.

Der Satz "Auch in bestimmten Bereichen bei PKWs kann der Einsatz von Wasserstoff eine Alternative sein", kommt dagegen bei Umweltschützern eher schlecht an: Sie werfen der Branche vor, nicht auf batterieelektrische Fahrzeuge umsteigen zu wollen, in denen Strom effizienter genutzt wird als über der Wasserstoff-Umweg.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Nachrichtenagentur Reuters
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