Mindestens 95 Tote in Spanien "Der schlimmste 'kalte Tropfen' dieses Jahrhunderts"
Schwere Unwetter erschüttern derzeit Spanien. Einige Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Besonders betroffen sind die Mittelmeerregionen des Landes.
Bei der schwersten Flutkatastrophe in Spanien seit fast 30 Jahren sind 95 Menschen ums Leben gekommen. Einige Menschen seien noch immer an unzugänglichen Orten eingeschlossen, sagte der Chef der Regionalregierung, Carlos Mazon, am Mittwoch. Die Notdienste waren weiterhin im Einsatz, um die am schlimmsten betroffenen Gebiete zu erreichen.
Mindestens 92 Tote gab es allein in der Region Valencia im Osten des Landes, wie der Notdienst der Region auf X mitteilte. Zwei weitere Leichen wurden in der benachbarten Region Kastilien-La Mancha geborgen, eine in Málaga im südspanischen Andalusien. Es wird derweil befürchtet, dass die Zahl der Opfer weiter ansteigen wird.
Zugleich rief er die Menschen zur Vorsicht auf: Die Flut sei noch nicht vorbei. Es ist die schwerste Flutkatastrophe in Spanien seit 1996, als bei Überschwemmungen nahe der Ortschaft Biescas in den Pyrenäen 87 Menschen starben und 180 verletzt wurden.
Wetterdienst spricht von "historischem Unwetter"
Der Wetterdienst Aemet in Valencia sprach in einer ersten Bilanz von einem "historischen Unwetter". Es habe sich "um die schlimmsten Kalten Tropfen dieses Jahrhunderts in der Region Valencia" gehandelt, schrieb Aemet auf X. "Kalter Tropfen" (gota fría) wird die Wettererscheinung genannt, die in der spanischen Mittelmeerregion in den Monaten September und Oktober häufig auftritt. Sie basiert auf stark schwankenden Temperaturen von Meer und Luft und entsteht, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben. In einigen Gemeinden seien mehr als 500 Liter pro Quadratmeter Regen heruntergekommen, so der Wetterdienst weiter.
Laut der Zeitung "El País" werden in der südöstlichen Provinz Albacete sechs Menschen vermisst. Anderen Blättern zufolge gelten die Unwetterwarnungen inzwischen für zehn der insgesamt 17 autonomen Gemeinschaften des Landes. Neben heftigen Regenfällen gab es auch Hagel und starke Windböen, wie der Wetterdienst Aemet mitteilte.
Urlaubsregionen am Mittelmeer besonders betroffen
Am Dienstag waren starke Regenfälle auf Ost- und Südspanien niedergegangen, hatten Straßen mit schlammigen Wassermassen geflutet und den Flug- sowie Zugverkehr beeinträchtigt. In einigen Gegenden gab es nach spanischen Medienberichten an einem einzigen Tag mehr Niederschlag als sonst in einem Monat. Es handele sich um eine "noch nie dagewesene Situation", sagte Mazón. Flüsse traten über die Ufer, vielerorts wurden Straßen, Häuser und Felder überschwemmt. Autos und Bäume wurden von den Wassermassen mitgerissen. Besonders betroffen waren die bei Urlaubern beliebten Mittelmeerregionen Andalusien, Murcia und Valencia.
Die Rettungskräfte hatten vor allem in der Region Valencia Probleme, alle Einsatzorte zu erreichen. Überschwemmte oder anderweitig blockierte Straßen machten den Einsatz von Hubschraubern nötig, erklärte José Miguel Basset von der Feuerwehr der Provinz Valencia der Nachrichtenagentur Europapress.
Im Ort Letur in der östlichen Provinz Albacete würden Einsatzkräfte mit Drohnen die ganze Nacht nach sechs vermissten Menschen suchen, sagte die Vertreterin der Zentralregierung in der Region Castilla-La Mancha, Milagros Tolón, am Dienstag dem spanischen Rundfunk TVE. "Die Priorität ist, diese Menschen zu finden."
Die spanische Regierung in Madrid setzte einen Krisenstab ein, der erstmals am späten Dienstagabend zusammentraf, um sich mit der Reaktion auf das Unwetter zu beschäftigen. Madrid entsandte eine auf Rettungseinsätze spezialisierte Militäreinheit nach Valencia, um die örtlichen Dienste zu unterstützen.
Regierungschef appelliert an Bevölkerung
"Ich verfolge mit Sorge die Berichte über vermisste Personen und die Schäden, die der Sturm in den letzten Stunden verursacht hat", erklärte der spanische Regierungschef Pedro Sánchez im Onlinedienst X und appellierte an die Bevölkerung, den Anweisungen der Behörden Folge zu leisten. "Seien Sie sehr vorsichtig und vermeiden Sie unnötige Reisen."
Für Mittwoch seien der Schulunterricht sowie alle Sportveranstaltungen gestrichen, teilte das Rathaus von Valencia mit. Parks blieben ebenfalls geschlossen. Zudem könnten alle Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zu Hause bleiben. Der nationale Bahnbetreiber ADIF erklärte, der gesamte Zugverkehr in der Region Valencia sei ausgesetzt, bis sich die Situation normalisiert habe. Zudem seien Hochgeschwindigkeitszüge zwischen Madrid und der Stadt Valencia bis "mindestens" 10 Uhr am Mittwoch gestrichen.
Regenfälle sollen bis mindestens Donnerstag anhalten
In Alora in der südlichen Region Andalusien retteten Einsatzkräfte mit Hubschraubern Menschen aus Autos und Häusern, nachdem ein Fluss über die Ufer getreten war. In Andalusien entgleiste laut Regionalregierung auch ein Hochgeschwindigkeitszug mit 276 Passagieren, es gab jedoch keine Verletzten.
Die staatliche Wetterbehörde AEMET rief die Alarmstufe Rot für die Region Valencia und die zweithöchste Alarmstufe für Teile Andalusiens aus. In beiden Regionen waren mehrere Straßen wegen Überschwemmungen blockiert.
Die Regenfälle sollen den Vorhersagen zufolge bis mindestens Donnerstag anhalten. Nach Angaben von Meteorologen wurde das Unwetter von kalter Luft ausgelöst, die sich über das warme Wasser des Mittelmeers bewegte und so zu Regenwolken führte.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
- lasprovinzias.es: "Emergencias eleva a 51 los muertos por la DANA en la Comunitat" (spanisch)