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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Einfach erklärt Strombörse: Wie funktioniert der Handel mit Energie?

Der internationale Stromhandel findet über spezialisierte Börsen statt, analog zum Aktienhandel. Diese Handelsplätze erlauben Energieversorgern, Preise aktiv und flexibel zu steuern.
Energieversorger haben zwei Möglichkeiten, ihren Strom zu kaufen: entweder direkt beim Erzeuger – das kann ein Kohlekraftwerk, aber auch ein Betreiber von Solar- oder Windkraft-Parks sein – oder über die Strom- und Energiebörsen.
Bei der Strombörse, also einer auf elektrische Energie spezialisierten Energiebörse, wird Strom ähnlich wie Aktien an der Wertpapierbörse gehandelt. Beide sind ähnlich aufgebaut und organisiert. Das bedeutet, dass sich Anbieter und Nachfrager in Reihenfolge der Höhe ihrer Gebote gegenüberstehen. Dabei erhält in der Regel das günstigste Angebot den Zuschlag. Bei den Nachfragern steht derjenige an erster Stelle, der das höchste Gebot abgibt.
Historie
Mitte der 1980er-Jahre wurden Börsensysteme für Energieträger von dem US-Konzern Enron initiiert. In Europa startete die erste Strombörse hingegen erst 1993 (Nord Pool in Norwegen). Die erste Strombörse ist noch immer der wichtigste Energiehandelsplatz für nordeuropäische Staaten. Aktuell ist sie im Besitz von Euronext. Der Börsenverbund hält 66 Prozent Anteil an der Nord Pool.
Aber auch in Deutschland gibt es eine Strombörse – die European Energy Exchange (EEX) mit Sitz in Leipzig. Sie wurde 2002 gegründet und ist aktuell die größte Strombörse auf dem europäischen Kontinent. An der EEX werden neben Strom, Erdgas, Kohle und Emissionsrechten (CO2-Zertifikaten) auch Agrar- und Umweltprodukte gehandelt. Die Börsenteilnehmer stammen aus über 30 Ländern.
Wie funktioniert eine Strombörse?
Die Strombörse funktioniert ähnlich wie die Börse für Wertpapiere. Allerdings handeln hier Energieversorger, Industrieunternehmen und Broker Strommengen für unterschiedliche Zeiträume. Dieser Handel, beziehungsweise das Angebot und die Nachfrage, beeinflussen die Höhe des Strompreises.
Der Stromhandel erfolgt dabei über zwei verschiedene Märkte: den Terminmarkt und den Spotmarkt.
Die meisten Stromlieferanten sind sowohl auf dem Spotmarkt als auch auf dem Terminmarkt tätig. Dabei nutzen sie den Handel auf dem Terminmarkt, um den größten Teil ihres Strombedarfs beziehungsweise den ihrer Kunden abzudecken. Er bildet sozusagen die Basis ihrer Tarife. Einen kleinen Teil der Energie beziehen die Energieversorger über den Spotmarkt. Auf diesem können sie den Strombedarf decken, der tagesaktuell fehlt.
Terminmarkt
Auf dem Terminmarkt kaufen und verkaufen Marktteilnehmer ihren Strom für die Zukunft ein. Das heißt, dass hier Langzeitlieferverträge geschlossen werden. Die Lieferzeiträume reichen von Wochen bis hin zu sechs Jahren. Die Lieferung des gekauften Stroms erfolgt demnach nicht direkt, sondern erst zum vereinbarten Zeitpunkt.
Mit dem Stromhandel auf dem Terminmarkt sichern sich Unternehmen gegen Preisschwankungen ab. Das hilft ihnen zudem, ihre Tarife entsprechend zu kalkulieren.
Ein Vorteil des Terminmarkts für Stromanbieter ist, dass sie dank langfristiger Planung ihre Tarife stabil gestalten können. Für die Kunden bedeutet dies Schutz vor Preisschwankungen und -sprüngen. Zudem haben Verbraucher so die Chance, stets die verschiedenen Tarifmodelle und Anbieter zu vergleichen und bei Bedarf zu wechseln. Das wiederum fördert die Transparenz und Auswahlmöglichkeiten.
Viele Grundversorger setzen auf Langzeitverträge. Aus zwei Gründen: Einerseits müssen sie einen Basistarif anbieten, andererseits verfügen sie über einen festen Kundenstamm und können so den künftigen Strombedarf besser einschätzen. Diese Strategie führt jedoch zu höheren Kosten in der Grundversorgung. Das liegt an den Langzeitlieferverträgen und der unsicheren Preisentwicklung beim Strom, die den Einkauf von Strom verteuert. Denn anders als beim kurzfristigen Handel können Nachfrager nicht allzu lange auf ein mögliches Strompreis-Schnäppchen warten.
Was ist die Grundversorgung?
Die Grundversorgung bildet die Basis für die Energielieferung. Sie basiert auf gesetzlichen Regelungen von der Entstehung bis zur Kündigung des Vertrags, inklusive der Preisgestaltung. Alle deutschen Privathaushalte haben einen Anspruch auf eine Grundversorgung, wobei der Vertrag automatisch durch Energieentnahme am Zählpunkt zustande kommt. Das bedeutet, dass Kunden in der Grundversorgung beim regionalen Grundversorger landen, solange sie sich nicht um einen alternativen Energieanbieter und/oder -vertrag kümmern. Kunden in der Grundversorgung profitieren von unbefristeten Laufzeiten und kurzen Kündigungsfristen. Zudem gibt es gesetzliche Vorgaben, die Preisänderungen in der Grundversorgung regeln und einschränken.
Spotmarkt
Der Spotmarkt ist der Handelsplatz für kurzfristige Stromgeschäfte an der Strombörse. Das heißt, dass es im Gegensatz zum Terminmarkt, auf dem Strom für die Zukunft gehandelt wird, am Spotmarkt um die unmittelbare Versorgung (Lieferzeit zwischen 24 und 48 Stunden) mit Elektrizität geht.
Dabei läuft der Handel wie folgt: Die Marktteilnehmer geben auf dem Spotmarkt bis 12 Uhr mittags Gebote für jede Stunde des Folgetages ab. Dann wird der Strompreis nach dem Merit-Order-Prinzip festgelegt. Das bedeutet, dass die günstigsten Angebote zuerst berücksichtigt werden, bis die Nachfrage gedeckt ist. Dabei wird der Nachfrager mit dem höchsten Gebot zuerst bedient. Der Strompreis orientiert sich dabei am teuersten noch benötigten Kraftwerk. Meist ist es ein Gaskraftwerk, gefolgt von einem Kohlekraftwerk.
Der Handel auf dem Spotmarkt ist wichtig, da Strom aktuell noch nicht in großen Mengen und nicht langfristig gespeichert werden kann – es fehlt an Batteriespeichern. Die Stromanbieter kaufen daher etwas weniger als ihren berechneten Bedarf auf dem Terminmarkt ein, um nicht auf "zu viel teurem" Strom sitzenzubleiben beziehungsweise diesen notgedrungen zu einem schlechteren Preis wieder an der Strombörse anbieten zu müssen. Ist absehbar, dass ihr Stromangebot für ihre Kunden tatsächlich nicht ausreicht, kaufen die Stromanbieter die Differenz an der Strombörse ein.
Der EPEX-Spotmarkt wird in zwei verschiedene Handelssegmente unterteilt: den "Day-Ahead-Markt" und den "Intraday-Markt":
Day-Ahead-Markt
- Hier wird der Strom gehandelt, der für den nächsten Tag benötigt wird.
- Die Marktteilnehmer geben bis 12 Uhr mittags ihre Gebote für jede Stunde des Folgetages ab.
- Anschließend wird der Strompreis nach dem Merit-Order-Prinzip festgelegt: Die günstigsten Angebote werden zuerst berücksichtigt, bis die Nachfrage gedeckt ist. Der Preis orientiert sich dabei am teuersten noch benötigten Kraftwerk.
- Mit dem Handel auf dem "Day-Ahead-Markt" können Händler den Energiebedarf einen Tag im Voraus planen beziehungsweise die Deckung sicherstellen.
Intraday-Markt
- Hier wird Strom gehandelt, der noch am selben Tag benötigt wird.
- Die Marktteilnehmer können noch wenige Minuten vor Lieferung den benötigten Strom kaufen oder den überschüssigen Strom verkaufen.
- Besonders für Betreiber erneuerbarer Energien ist dieser Markt wichtig, da die tatsächliche Einspeisemenge von Wind- und Solarstrom oft (wetterbedingt) erst kurzfristig feststeht.
- Durch den Intraday-Markt können Stromproduzenten flexibel auf Wetteränderungen reagieren.
Allerdings schwanken die Strompreise auf dem Spotmarkt stark. Denn sie hängen vor allem davon ab, wie viel Strom zu einem bestimmten Zeitpunkt erzeugt wird beziehungsweise vorhanden ist und wie hoch die Nachfrage/der Bedarf ist. An sonnigen oder windreichen Tagen gibt es oft ein Überangebot an Strom – insbesondere, wenn es sich dabei noch um ein Wochenende oder Feiertage handelt, an denen die energieintensive Gewerbe-, Versorgungs- und Industriebranche zurückgefahren ist. Das kann die Strompreise an der Börse senken – in manchen Fällen sogar in den negativen Bereich. An Tagen mit wenig Wind oder Sonne steigen die Preise dagegen stark an.
Seit 2025 müssen Stromanbieter allerdings auch dynamische Stromtarife anbieten. Diese Tarife spiegeln den aktuellen, an der Strombörse gehandelten Strompreis wider. Verbraucher bekommen demnach den aktuellen Strombörsenpreis direkt weitergereicht (zuzüglich der Steuern, Abgaben, Umlagen und Entgelte).
Ein Vorteil des Spotmarkts für Verbraucher ist, dass sie Energie besonders günstig oder sogar zu negativen Preisen nutzen können – ideal, wenn sie beispielsweise das E-Auto aufladen oder energieintensive Geräte wie den Trockner betreiben. Der Nachteil der dynamischen und flexiblen Stromtarife ist, dass die Strompreise im Tagesverlauf erheblich schwanken. Darüber hinaus müssen sich Verbraucher nach dem aktuellen Strompreis richten und somit die aktuellen Kosten überprüfen, um den besten Zeitpunkt für ihren Verbrauch zu finden.
Merit-Order-Prinzip in der Kritik
Das Merit-Order-Prinzip steht seit der Energiekrise 2021/2022 in der Kritik. Auslöser ist die drastische Preiserhöhung, die in der Zeit vollzogen wurde.
Der Hauptkritikpunkt sind die hohen Strompreise, die primär durch die Gaskraftwerke bestimmt werden. Dadurch ist der Strompreis unmittelbar an den Gaspreis gekoppelt. Das heißt, sobald Erdgas teurer wird, steigt auch der Preis für Strom. Zudem erhalten alle Stromerzeuger denselben Preis vom selben teuren Anbieter (beispielsweise dem Gaskraftwerk). Dadurch profitieren die Anbieter, die ihren Strom besonders günstig erzeugen (aus erneuerbaren Energien) und sich somit bereichern können. Die erneuerbaren Energien machen demnach große Gewinne. Im Gegensatz zu den Betreibern der Gaskraftwerke, die mit den Einnahmen gerade einmal ihre Produktionskosten decken können.
Weiterhin wird kritisiert, dass bei der Merit-Order die Umweltfolgekosten sowie die konstanten Kosten nicht berücksichtigt werden. Stattdessen wird nur auf die Kosten geachtet, die sich verändern, heißt es. Die EU strebt daher Reformen an.
Wer kann an der Strombörse handeln?
Direkten Zugriff auf die Strombörse haben vor allem Energieversorger, Großabnehmer und spezialisierte Händler. Sie kaufen Strom entweder über die Börse oder den sogenannten OTC-Handel (Over-the-Counter), bei dem Verträge außerhalb der Börse direkt zwischen Käufer und Verkäufer abgeschlossen werden. Teilweise werden für den Vertragsabschluss auch Broker genutzt – das ist an der Strombörse nicht der Fall. Der Strompreis beim OTC-Handel ist fast genauso hoch oder niedrig wie der an der Strombörse.
Seit Inkrafttreten des Solarspitzengesetzes dürfen auch Privatpersonen, die eine PV-Anlage besitzen, auf dem Spotmarkt ihren erzeugten Strom verkaufen beziehungsweise direkt vermarkten. Dann meist via OTC-Handel.
Wie beeinflusst die Strombörse den Strompreis für Privathaushalte?
Privathaushalte bekommen die Entwicklungen des Strompreises an der Strombörse kaum oder gar nicht zu spüren – zumindest nicht, wenn sie einen Basistarif abgeschlossen haben. Denn rund die Hälfte der Stromkosten setzt sich aus Steuern, Abgaben und Netzentgelten zusammen. Sinken die Preise an der Börse, profitieren nur die Verbraucher, die entsprechende Stromtarifmodelle nutzen – beispielsweise dynamische oder variable Stromtarife, bei denen der aktuelle Strompreis plus Steuern, Abgaben und Entgelte direkt an den Verbraucher weitergegeben wird.
- enpal.de "merit-order"
- bmwk.de "Energiepreise"
- verivox.de "Strombörse"
- next-kraftwekre.de "Energbiebörse EEX"
- lichtblick.de "Wie funktioniert die Strombörse?"
- eon.de "Strombörse"