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Micro-Chip statt Pille - Verhütungsmittel der Zukunft


Verhütung auf Knopfdruck
Chip soll 16 Jahre vor Schwangerschaft schützen

spiegel-online, Julia Merlot

Aktualisiert am 20.08.2014Lesedauer: 4 Min.
Verhütung mithilfe eines Chips: Die Idee für das Implantat soll von Bill Gates stammen.Vergrößern des Bildes
Verhütung mithilfe eines Chips: Die Idee für das Implantat soll von Bill Gates stammen. (Quelle: microchips)

Antibabypille, Spirale, Verhütungsstäbchen, Kondome - die Liste der verfügbaren Verhütungsmittel ist lang. Derzeit arbeiten Forscher an einer neuen Methode. Das Prinzip klingt verlockend: Einmal unter die Haut gepflanzt und per Fernbedienung aktiviert, gibt ein winziger Chip über 16 Jahre hinweg Hormone ab, die vor Schwangerschaften schützen. Stoppen lässt sich das Gerät einfach per Fernsteuerung.

Die Idee für das Implantat soll Microsoft-Mitbegründer Bill Gates persönlich gehabt haben. Seine Stiftung unterstützt das Projekt mit umgerechnet etwa 3,4 Millionen Euro. Demnach richtet sich die Erfindung vor allem an Frauen in Entwicklungsländern, wo Verhütungsmittel oft noch rar sind. Aber auch in westlichen Staaten könnte der Chip eine zuverlässige und vor allem komfortable Alternative sein, hoffen die Forscher. Lästige Erinnerungswecker wären damit Geschichte, das Vergessen der Pille unmöglich.

Hightechversion der Verhütungsstäbchen

Das etwa zwei mal zwei Zentimeter kleine Implantat gibt monatlich immer zur gleichen Zeit die gleiche Menge Hormone ab. "Der Verhütungschip enthält einzelne Dosen eines bereits breit eingesetzten Progestins", erklärt Robert Farra von der Firma MicroChips, die von Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge, Massachusetts, gegründet wurde und das Implantat entwickelt. Progestine sind heute bereits in Antibabypillen, Hormonspiralen und Verhütungsstäbchen enthalten. Sie hemmen den Eisprung und schützen so vor einer Schwangeschaft.

Die Hormondosen werden in einzelnen Kammern auf dem Chip gespeichert. "Ein kleiner Computer und eine Uhr auf dem Chip sorgen dafür, dass genau zur richtigen Zeit jeden Monat immer die gleiche Progestin-Menge abgegeben wird", so Farra. Eine Batterie sendet dann Strom durch den Chip. Der Strom lässt ein Verschlusssiegel aus Titan und Platin schmelzen, sodass das Hormon aus der Kammer ins Gewebe fließt.

Durch die exakte Dosierung erhoffen sich die Entwickler geringere Nebenwirkungen als bei Verhütungsstäbchen oder der Hormonspirale. Die etablierten Verhütungsmethoden geben das Geschlechtshormon kontinuierlich aber nicht immer in exakt der gleichen Menge ab. Zudem hält der Chip deutlich länger als Hormonstäbchen - und er lässt sich per Fernbedienung abschalten, falls die Frau schwanger werden möchte. Eingesetzt wird der Chip in einer halbstündigen Operation unter lokaler Betäubung.

Riskante Sicherheitslücke

Getestet wurde der Mikrochip bislang allerdings nur an acht Frauen mit Knochenschwund, die 2012 ein Osteoporosemedikament über das Implantat bekommen haben. Die Verhütungsvariante soll 2016 erstmals am Menschen erprobt werden und 2018 auf den Markt kommen. Bis dahin müssen jedoch noch wesentliche Fragen geklärt werden:

  • "Es bleibt abzuwarten, ob der Chip in der jetzigen Form wie gewünscht als Minipille wirkt oder als Pille danach", sagt Thomas Rabe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF). Entscheidend für die Wirkung sei letztlich nicht, wie viel Hormon abgegeben wird, sondern wie es der Körper aufnimmt. "Das kann sogar zwischen einzelnen Personen variieren." Auch, wenn eine Kapsel um das Implantat wächst, kann sie die Hormonaufnahme und damit die Wirkung verändern.
  • Probleme macht derzeit auch die Datensicherheit. Chip und Fernbedienung kommunizieren per Funk und dieses Signal ist bislang nicht verschlüsselt. "Jemand könnte das Implantat also auch ohne Fernbedienung ein oder abschalten", sagt Rabe. Die Amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA will Tests am Patienten erst zulassen, wenn die Datenübertragung sicher ist. Die Forscher hoffen, dass das bis nächstes Jahr der Fall sein wird.

Auch, was die Chips kosten werden, ist noch nicht klar. Sie könnten aber durchaus mit bisherigen Methoden konkurrieren, vor allem wenn man bedenke, dass das Implantat 16 Jahre hält, berichtet Farra.

Insgesamt sind die Erwartungen an die Chiptechnik hoch: "Es gibt keinen Zweifel, das implantierbare Mikrochips herkömmliche Methoden in der nahen Zukunft ablösen werden", schreiben Forscher in einer Übersichtsstudie vom April 2014. Die Wissenschaftler erwarten, dass Medikamentenchips in den kommenden Jahrzehnten so weiterentwickelt werden, dass sie eines Tages Medikamente je nach Bedarf im Körper eigenständig dosieren. Interessant ist das vor allem für die Behandlung chronischer Krankheiten.

Auch Rabe hält die Entwicklung von Medikamentenchips in der Medizin für sinnvoll. Besonders großes Potenzial sieht er bei der Gabe von Insulin, das sich Diabetiker in der Regel mehrfach am Tag selbst spritzen müssen. Einen Chip hierfür gibt es aber noch nicht.

Mikrochip - Vom Versuchslabor in die Klinik

Der erste Mikrochip seiner Art wurde bereits in den 90er Jahren von einem Team um Robert Langer am MIT entwickelt. Schließlich gründeten die Forscher die Firma MicroChips Technology. 2006 gab es erste Tierversuche, in denen etwa Ratten mit Hirntumor eine Chemotherapie per Chip erhielten.

2011 testeten die Forscher das Implantat erstmals am Menschen. Damals bekamen acht Patientinnen mit Osteoporose ihre Medikamente statt aus der Spritze über den Chip. Bei allen bis auf einer schlug die Behandlung an, auch nachdem eine Kapsel aus Bindegewebe um das Implantat gewachsen war. Allerdings lässt eine Studie mit acht Patienten keine statisch gesicherten Aussagen zu.

Bei Krankheiten, die üblicherweise mit Medikamenten aus Spritzen behandelt werden, könnte der Chip das häufige Stechen überflüssig machen und somit Haut und Gefäße schonen. Derzeit arbeitet MicroChips auch daran, das Implantat für die Abgabe von Interferon fit zu machen, mit dem die Autoimmunkrankheit Multiple Sklerose behandelt wird.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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