Dauermüde und gestresst Wie Mütter mit jahrelangem Schlafentzug fertig werden
Alle Eltern leiden unter chronischem Schlafmangel, zumindest phasenweise. Ein Schlafforscher gibt Tipps, damit fertig zu werden.
Neugeborene schlafen bis zu 16 Stunden am Tag. Theoretisch müsste Müttern dabei auch Zeit zum Schlafen bleiben.
Babys schlafen meist nur wenige Stunden am Stück
Das Problem ist allerdings, dass Säuglinge von diesen 16 Stunden die wenigsten am Stück schlafen. Sie haben Bedürfnisse, die möglichst sofort befriedigt werden wollen, und zwar rund um die Uhr. Alle zwei, drei Stunden hat das Baby Hunger, es sucht Nähe oder muss die Windel gewechselt bekommen. Schlafmangel ist da programmiert.
"Frauenschlaf ist leichter störbar"
"Frauenschlaf ist generell leichter durch Geräusche oder Stress störbar als Männerschlaf, eben damit sie die Kinder hören", erklärt der Schlafmediziner Michael Feld. Er ergänzt: "Bereits in der Schwangerschaft bereitet sich Körper der Frau durch Hormonveränderungen auf leichteren Schlaf und häufigeres Wachwerden vor. Aber dann – zum Glück – meist auch auf leichteres Wiedereinschlafen.“
Die Qualität ist wichtiger als die Dauer
Beim Schlaf sei nicht unbedingt die Dauer, sondern die Qualität entscheidend. Dann könne man Schlafmangel, so Feld, sehr lange aushalten, ohne davon krank zu werden. Im Alltag allerdings macht sich der Schlafentzug bemerkbar.
"Etwa ein Drittel der Eltern steckt ihn gut weg, ein Drittel hat leichte Probleme, ein weiteres Drittel bekommt Schwierigkeiten bis hin zum Burnout oder einer chronischen Schlafstörung. Das hängt stark von der Genetik, der Robustheit, der Partnerschaft, den Bedingungen und auch dem Baby ab."
Lange Schreiphasen in der Nacht
Viele Neugeborene haben in den ersten Wochen Anpassungsschwierigkeiten. Lange Schreiphasen, in denen sie durch nichts zu beruhigen sind, treten bevorzugt nachts auf – ohne ersichtlichen Grund. "Das Baby verarbeitet nachts, was es tagsüber erlebt hat", erklärt Sabine Heil, Fachberaterin für Emotionelle Erste Hilfe in Fulda. Das Schreien sei der Versuch, wieder ins vegetative Gleichgewicht zurück zu kommen.
Was das Weinen bedeutet
Damit das gelingen kann, braucht das Baby das Gefühl, geborgen zu sein. Das Weinen kann aber auch ein Ausdruck von Belastung oder Stress während der Schwangerschaft und Geburt sein. "Es ist, als ob das Kind einem noch mal erzählen wolle, was es erlebt hat", sagt Heil.
Diesen Spannungsprozess kann man dem Baby nicht abnehmen, aber es ist wichtig, ihn anzunehmen. Eltern, die sich dabei überfordert fühlen, sollten nicht zögern, sich dafür professionelle Hilfe zu suchen.
Wie kommt der Autoschlüssel in den Kühlschrank?
Versteht man das Weinen des Babys, fällt es leichter, mit dem Schlafentzug fertig zu werden. Denn die Auswirkungen können massiv sein: Konzentrationsschwierigkeiten, Reaktionsverlangsamung, heruntergefahrene Immunabwehr – die Liste ist lang. Dass viele Mütter ihre Autoschlüssel im Kühlschrank wiederfinden oder mit Hausschuhen zum Einkaufen gehen, ist ein Indiz für dauernde Übermüdung.
Schlafmangel kann kritisch werden
Doch nicht nur die körperlichen Folgen sind gravierend, auch die emotionalen. Wer dauerhaft zu wenig Schlaf bekommt, wird auch emotional instabil. Mütter verzweifeln, wenn das Baby gefühlt die ganze Nacht schreit und sie ihm anscheinend nicht helfen können. Irgendwann kann aus der Verzweiflung Wut werden.
Ein stundenlang vermeintlich ohne Grund schreiendes Kind kann eine völlig übermüdete Mutter an ihre Grenzen bringen. Das ist normal. Wichtig ist, sich seine Gefühle nicht zu verbieten und sie trotzdem im Griff zu haben. Sie wahrzunehmen, ihnen aber auf keinen Fall nachzugeben. Heil rät, sich dabei Hilfe zu holen.
Um Hilfe bitten
"Am besten ist natürlich, wenn der Partner unterstützend eingreift. Aber dieses Privileg haben nicht alle Frauen. Im zweiten Schritt kann man die Familie oder Freunde um Hilfe bitten. Wenn jemand mal tagsüber aufs Kind schaut und man selbst sich ein bisschen ausruhen kann, dann hilft das, die nächste Nacht leichter zu überstehen."
Zudem gibt es zahlreiche Beratungsstellen. "In der Emotionellen Ersten Hilfe haben wir verschiedene Werkzeuge, die wir einsetzen, zum Beispiel entspannungsfördernde Atemtechniken." Wenn die Mutter dann in der Lage ist, sich selbst zu beruhigen, kann sie auch wieder für ihr Kind da sein.
Powernapping ist Gold für die Gesundheit
Viele Paare schlafen in dieser Phase getrennt, damit wenigstens einer von beiden morgens einigermaßen ausgeruht ist. Dass sie in der ersten Zeit mit Baby zu wenig Schlaf kommen würden, darauf stellen sich Eltern von Anfang an ein. Doch dass dieser Zustand mehrere Jahre andauern kann, überrascht doch viele.
Umso wichtiger ist es, jede Möglichkeit zum Schlafen zu nutzen. Sich nicht, sobald das Kind mal schläft, hektisch in Aktivitäten zu stürzen – Küche putzen, schnell das Online-Banking erledigen, Wäsche aufhängen, sondern sich selbst etwas Gutes zu tun, zum Beispiel sich mal wieder die Nägel lackieren und mit der Freundin telefonieren. Oder einfach mal hinlegen. Powernapping nennt man das.
Die Ansprüche herunterschrauben
"Da muss man nicht unbedingt schlafen, da reicht es schon, zu dösen. Füße hoch, Körper in die Horizontale, Muskeln entspannen und Augen zu. 15 bis 20 Minuten machen schon den Nachmittag leichter schaffbar und sind gesundheitsförderlich", erklärt der Kölner Somnologe.
Also Fünfe gerade sein lassen und sich klar machen, dass der Haushalt auch mal warten kann. Es ist eine der ersten Lektionen im Leben von Eltern: Die Ansprüche an den Partner und an sich muss man herunterschrauben. Das Leben ist mit einem Kind nicht mehr komplett planbar und es wird immer wieder Wichtigeres geben als einen perfekten Haushalt.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.