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Ivermectin gegen Corona? Das steckt hinter dem Hype um das Wurmmittel


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Hype um Medikament
Das steckt hinter der vermeintlichen Corona-Arznei Ivermectin


Aktualisiert am 19.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Ivermectin: Das Medikament wird eigentlich bei Pferden angewendet.Vergrößern des Bildes
Ivermectin: Das Medikament wird eigentlich bei Pferden angewendet. (Quelle: NurPhoto/imago-images-bilder)
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Im Kampf gegen die Corona-Pandemie sind nicht nur Impfstoffe, sondern auch Medikamente von Bedeutung. Besonders bei Impfgegnern ist das Mittel Ivermectin beliebt. Allerdings wird davor von vielen Seiten gewarnt.

Remdesivir, Dexamethason, Molnupiravir: Die ersten Medikamente gegen das Coronavirus wurden bereits erfolgreich getestet und teilweise sogar für die Covid-Therapie zugelassen. Vor allem bei Impfgegnern gibt es aktuell allerdings nahezu einen Hype um das Mittel Ivermectin.

In Österreich ist das Medikament bereits ausverkauft, wie Medienberichte behaupten. Dabei ist nicht erwiesen, dass es wirklich gegen das Coronavirus helfen kann – im Gegenteil: Es wird sogar vor gefährlichen Nebenwirkungen gewarnt.

Was ist Ivermectin und wofür wird es verwendet?

Der Wirkstoff Ivermectin ist in einigen bereits zugelassenen Medikamenten für die Behandlung von Milben und parasitischen Fadenwürmern enthalten. In der EU sind Ivermectin-Tabletten als Wurmmittel für Menschen zugelassen, Ivermectin-Hautpräparate hingegen werden für die Behandlung von Hauterkrankungen wie Rosacea verwendet.

Zudem ist das Mittel für eine Vielzahl von Tierarten zugelassen, auch bei ihnen werden innere und äußere Parasiten mit Ivermectin behandelt, weshalb es auch als Wurmmittel bekannt ist.

Was steckt hinter dem aktuellen Hype um Ivermectin?

Vor allem aus Österreich gibt es aktuell viele Meldungen, dass Ivermectin teilweise bereits ausverkauft sei – obwohl es rezeptpflichtig ist. Es wird vermutet, dass der Hype vom Chef der impfkritischen österreichischen Partei FPÖ, Herbert Kickl, ausgelöst wurde. Anfang November hatte der laut WDR einen "Plan B" gegen Corona präsentiert: Statt einer Impfung helfe die frühzeitige Behandlung gegen SARS-CoV-2. In diesem Plan B spielte auch Ivermectin eine Rolle.

Hilft Ivermectin wirklich gegen das Coronavirus?

Tatsächlich gibt es Studien, in denen die Wirksamkeit von Ivermectin gegen das Coronavirus erprobt wird. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet, hat Ivermectin allerdings keine Zulassung für die Behandlung von Covid-Patienten. Zudem habe eine Metaanalyse von 14 randomisierten klinischen Studien gezeigt, dass es keinen Hinweis auf eine Wirksamkeit in Bezug auf Sterblichkeit, Hospitalisierung oder Verlauf bei einer Covid-19-Erkrankung gebe. Mehrere klinische Studien seien noch nicht abgeschlossen.

Wie die Europäische Arzneimittelagentur (Ema) berichtet, haben Laborstudien zwar ergeben, dass Ivermectin die Vermehrung von SARS-CoV-2 blockieren könnte – allerdings nur bei einer viel höheren Konzentration als in den bisher zugelassenen Dosen. Zudem seien die meisten von der Ema überprüften Studien zu Ivermectin "klein und wiesen zusätzliche Einschränkungen auf".

Zwei Auswertungen von Ergebnissen jeweils mehrerer Studien kamen zu dem Schluss, dass das Medikament die Rate von Krankenhauseinweisungen verringern kann und die Lebensgefahr senkt, berichtet hingegen die Vereinigung der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa). Eine andere Metaanalyse hingegen sah demnach keinen solchen Effekt. Auch in einer Placebo-kontrollierten Studie mit jüngeren Patienten in Kolumbien brachte die Behandlung keinen Vorteil. Das Unternehmen MSD bewertet die bisherigen Ergebnisse für die Covid-19-Therapie negativ.


Die Ema und auch das RKI raten sogar davon ab, Ivermectin außerhalb klinischer Studien einzusetzen. In Tschechien wird das Mittel aber mit einer Sondergenehmigung eingesetzt. Und in Großbritannien wurde eine laufende Studie mit Covid-19-Patienten um einen Ivermectin-Arm ergänzt, um die Eignung oder Nicht-Eignung des Medikaments mit robusten Daten zu klären.

Auch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA warnt vor der Einnahme von Ivermectin, um das Coronavirus zu behandeln oder einer Erkrankung vorzubeugen. Die Behörde warnt vor allem vor der Einnahme von jenen Mitteln mit dem Wirkstoff Ivermectin, die eigentlich nur für Tiere zugelassen sind: "Verwenden Sie niemals Medikamente, die für Tiere bestimmt sind, bei sich selbst oder anderen Personen. Tierische Ivermectin-Produkte unterscheiden sich stark von denen, die für den Menschen zugelassen sind. Die Verwendung von tierischem Ivermectin zur Vorbeugung oder Behandlung von Covid-19 beim Menschen ist gefährlich."

Welche Nebenwirkungen drohen bei der Einnahme von Ivermectin?

Die Ema erklärt dazu, dass Ivermectin in den Dosierungen, die bereits für andere Behandlungen zugelassen sind, gut verträglich ist. Allerdings nehmen die Nebenwirkungen zu, wenn die Dosen derart erhöht würden, wie es notwendig wäre, um möglicherweise eine Wirkung gegen das Coronavirus zu erzielen. Eine Toxizität – also eine Giftigkeit – könne nicht ausgeschlossen werden.

Das Robert Koch-Institut warnt unterdessen bereits vor einem "Risiko der schwerwiegenden Toxizität bei unkontrollierter Anwendung". Zu möglichen Nebenwirkungen zählen zudem laut RKI:

  • Fieber
  • Juckreiz
  • Hautödem
  • Kopfschmerzen
  • Müdigkeit
  • Erbrechen oder Übelkeit
  • erhöhte Leberwerte
  • Asthma-Anfälle

Mediziner warnen in einem Bericht im "The New England Journal of Medicine" ebenfalls vor der giftigen Wirkung des Medikaments. Die tierärztliche Verwendung habe in den USA zugenommen und auch die Verschreibungen für den Menschen seien 24-mal so hoch wie vor der Pandemie.

Einige der Patienten mussten wegen der toxischen Wirkung einer Überdosierung von Ivermectin ins Krankenhaus eingeliefert werden, sie berichteten zudem davon, dass sie das Medikament vorsorglich eingenommen hatten, ohne an Covid-19 erkrankt gewesen zu sein.

Die Patienten aus dem US-Bericht klagten unter anderem über Magen-Darm-Beschwerden, Verwirrtheit, Schwäche, Sinken des Blutdrucks, Schwindel, Sehstörungen, Hautausschlag, Juckreiz, Nesselsucht oder gar Krampfanfälle. In besonders schlimmen Fällen kann eine Überdosierung laut FDA sogar zu Koma oder Tod führen.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Europäische Arzneimittelagentur (Ema): "EMA advises against use of ivermectin for the prevention or treatment of COVID-19 outside randomised clinical trials Share", 22. März 2021.
  • FDA: "Why You Should Not Use Ivermectin to Treat or Prevent COVID-19", 3. September 2021.
  • vfa - Die forschenden Pharma-Unternehmen: Therapeutische Medikamente gegen die Coronavirusinfektion Covid-19, 16. November 2021.
  • Studie: "Toxic Effects from Ivermectin Use Associated with Prevention and Treatment of Covid-19", 20. Oktober 2021.
  • RKI: "Medikamentöse Therapie bei COVID-19 mit Bewertung durch die Fachgruppe COVRIIN am Robert Koch-Institut".
  • WDR: "Warum das Entwurmungsmittel Ivermectin nicht gegen Corona hilft", 17. November 2021.
  • NTV: "Anti-Wurmmittel in Oberösterreich ausverkauft", 16. November 2021.
  • Eigene Recherche
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