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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Virologe Drosten über Immunität Frühere Infektionen könnten vor dem Coronavirus schützen
Warum stecken sich manche Menschen trotz Kontakt mit Infizierten nicht mit SARS-CoV-2 an? Und wieso verläuft die Lungenkrankheit unterschiedlich schwer? Forscher der Charité haben eine mögliche Erklärung gefunden.
Nicht jeder Mensch, der sich mit dem Coronavirus infiziert, wird zwangsläufig schwer krank. Bei den meisten Patienten verläuft die Covid-19-Erkrankung mild. Sie entwickeln nur leichte Symptome, die einer Erkältung ähneln. Einige Infizierte weisen gar keine Symptome auf – und bekommen nicht einmal mit, dass sie sich angesteckt haben. Forscher untersuchen weltweit, woran das liegt.
Der Berliner Virologe Christian Drosten berichtet nun von einer neuen möglichen Erklärung, auf die seine Kollegen an der Berliner Charité gestoßen sind.
Coronavirus und Immunität: Studie an der Charité
Milde oder symptomlose Corona-Verläufe könnten nach Ansicht von Christian Drosten durch frühere Infektionen mit verwandten Erkältungs-Coronaviren erklärbar sein. Das sagte der Charité-Wissenschaftler am 24. April im NDR-Podcast "Coronavirus-Update".
Unter Berufung auf eine Studie eines Charité-Kollegen erläuterte Drosten, dass bereits "eine gewisse Hintergrundimmunität" in der Bevölkerung zu bestehen scheine.
Was bedeutet Hintergrundimmunität? Coronaviren sind schon seit den 1960er Jahren bekannt. Zu ihnen gehören eine ganze Reihe unterschiedlichster Krankheitserreger, die vor allem Erkältungen auslösen. Haben sich Menschen bereits mit älteren Coronaviren angesteckt, kann es passieren, dass sie eine Immunität gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 entwickelt haben. In diesem Fall sprechen Forscher von einer Hintergrundimmunität.
T-Helferzellen aus Vor-Corona-Zeiten
Wie Drosten berichtet, hat das Team um den Immunologen Andreas Thiel eine Studie zu sogenannten T-Helferzellen durchgeführt. Das sind Blutzellen, die der Immunabwehr dienen. Sie entstehen genau wie Antikörper nach einer durchgemachten Infektion, können aber nicht mit einfachen Antikörpertests nachgewiesen werden.
Den Forschern war bei Untersuchungen von Proben vor der Corona-Pandemie aufgefallen, dass 34 Prozent der Patienten reaktive T-Zellen aufwiesen, die bestimmte Teile des neuen Coronavirus erkannt hätten. Und das, "obwohl diese Patienten nie Kontakt mit SARS-CoV-2 hatten", sagte Drosten.
Die sogenannte Reaktivität sei normalerweise zu erwarten, wenn man bereits eine Erkrankung hinter sich habe. Dass diese Abwehrzellen trotzdem vorlagen, könne an durchgemachten Infektionen mit menschlichen Erkältungs-Coronaviren liegen, so der Virologe. Bisher bekannt seien vier Erkältungs-Coronaviren, die den Menschen befallen.
Laut der Studie könnten also manche Menschen nach einer Erkältung bereits immun gegen das Coronavirus sein. Drosten hatte bereits erklärt, dass 15 Prozent aller Erkältungen durch altbekannte Coronaviren hervorgerufen werden, die dem Erreger SARS-CoV-2 teils sehr ähneln.
Drosten warnt vor Überinterpretation der Ergebnisse
Drosten sprach von der ersten derartigen Beobachtung weltweit, er warnte aber auch vor einer Überinterpretation der Ergebnisse. Man dürfe nun keinesfalls annehmen, dass ein Drittel der Bevölkerung immun sei. "Es ist im Moment nur eine sehr interessante immunologische Beobachtung", so der Virologe.
Weitere Erklärungen für milde oder symptomlose Verläufe seien auch, dass die Betroffenen einfach weniger Viren aufgenommen haben oder dass sie ein besseres Immunsystem haben als diejenigen, die um ihr Leben kämpfen müssen.
Auf Basis dieser Untersuchung könnten nun weitere Beobachtungsstudien helfen, das neue Coronavirus besser zu verstehen.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- NDR-Podcast "Coronavirus-Update"
- Deutsches Zentrum für Infektionsforschung
- Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherche