Kinderpalliativzentrum in München Hier werden sterbende Kinder betreut
Auf den kleinen Betten sitzen Teddys und auf dem Tisch türmt sich buntes Plastikspielzeug: Im Kinderpalliativzentrum in München-Großhadern erinnert nur wenig an ein Krankenhaus. Hinter den bunten Mauern vermutet niemand das große Leid der kleinen Patienten.
Seit Mitte April bietet das neue Zentrum Platz für bis zu acht Kinder und deren Familien. Es ist das erste Kinderpalliativzentrum Süddeutschlands, ein zweites gibt es in Datteln in Nordrhein-Westfalen. Die meisten ihrer Patienten hätten eine angeborene Krankheit, am häufigsten seien Nervenkrankheiten, sagt Leiterin Monika Führer. Das höchste Ziel der Ärztin und ihres 25-köpfigen Teams sei es, den Gesundheitszustand der Kinder so weit zu stabilisieren, dass sie wieder nach Hause können. Aber: "Manche Kinder sterben hier auch."
"Einer der schwersten vorstellbaren Schicksalsschläge"
Auf dem Flur des Kinderpalliativzentrums brennt dann eine große Kerze für sie, auf kleinen Kärtchen stehen die Namen der Toten. Anders als bei erwachsenen Palliativpatienten spiele für Kinder vor allem die Anwesenheit der Eltern eine große Rolle, sagt Führer. Sie können rund um die Uhr hier sein und werden auch psychologisch betreut. Wenn das eigene Kind vor einem selbst gehen müsse, dann sei das "immer falsch herum - einer der schwersten vorstellbaren Schicksalsschläge", sagt Führer.
Neurologische Ursachen am häufigsten
In Deutschland sterben jährlich über 4000 junge Menschen unter 20 Jahren. "Wir gehen davon aus, dass 50 bis 70 Prozent der Kinder mit lebenslimitierenden Erkrankungen in Deutschland neurologische Diagnosen und Symptome haben", sagt Maja von der Hagen. Sie leitet die Abteilung Neuropädiatrie an der Technischen Universität Dresden. Gemeinsam mit Silke Nolte-Buchholtz, ärztliche Leiterin des Brückenteams für pädiatrische Palliativversorgung an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, und weiteren Kinderneurologen hat sie 2015 einen Arbeitskreis "Palliativversorgung in der Neuropädiatrie" gegründet.
Akutstationen für schwer kranke Kinder oft ungeeignet
"Ziel der pädiatrischen Palliativversorgung ist es, eine optimale Lebensqualität für Kinder mit lebenslimitierenden Erkrankungen und ihre Familien zu erreichen. Dafür braucht es eine flächendeckende spezialisierte Versorgung, um die Kinder in der Häuslichkeit begleiten zu können", sagt Nolte-Buchholtz.
Die Abläufe auf einer Akutstation seien häufig nicht der geeignete Rahmen für eine Familie mit einem lebensbegrenzt erkrankten Kind. Die stationäre Versorgung im Kinderpalliativzentrum ermögliche eine familiäre Atmosphäre, gepaart mit einem hohen Maß an Fachkenntnis.
Wenn der rote Drache kommt
Bereits seit 2003 gibt es am Klinikum der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität eine ambulante Versorgung für Kinder mit einer lebensverkürzenden Krankheit. Momentan betreut das Team rund 50 junge Patienten aus der Region. Die Mitarbeiter fahren jeden Tag bis zu 100 Kilometer, um der heimischen Versorgung, "dem größten Wunsch der meisten Kinder und Eltern", so Führer, nachzukommen.
Neben der medizinischen Versorgung führt ihr Team viele Gespräche. "Jüngere Kinder fragen nicht nach der Zukunft, sie leben im Jetzt", sagt sie. Häufig hätten sie bildliche Vorstellungen vom Tod. "Ich kann mich an einen kleinen Jungen erinnern, der die Vorstellung hatte, dass ihn ein roter Drache abholen würde." Dieses tröstliche Bild habe dem Kind sehr geholfen, aber auch seiner Familie.
Jugendliche wollen noch viel erleben
Jugendliche verstünden den Tod hingegen vollständig, sagt die Ärztin. "Sie fragen danach, was sie nicht mehr erleben können." Oft gehe es darum, noch etwas Bestimmtes zu erreichen, "zum Beispiel den 18. Geburtstag, den Führerschein oder einen Freund oder eine Freundin gehabt zu haben".
Führer selbst weiß sehr genau, warum sie heute hier ist. In ihrer früheren Laufbahn als Ärztin habe sie immer wieder das Gefühl bekommen, Familien mit dem bevorstehenden Tod des Kindes alleine zu lassen. Aber heute weiß sie: "Auch wenn wir als Ärzte nicht mehr heilen können, gibt es noch sehr viel, was wir tun können."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.