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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Eine Gruppe besonders betroffen Geschlechtskrankheiten: Ausbreitung besorgt Expertin
In Deutschland sind Geschlechtskrankheiten wieder auf dem Vormarsch. Betroffen ist vor allem eine Bevölkerungsgruppe. Eine Expertin erklärt, woran das liegt und wie man sich schützen kann.
Immer mehr Menschen in Deutschland infizieren sich mit Geschlechtskrankheiten. Das zeigen Daten des Robert Koch-Instituts (RKI).
In Berlin häuften sich in den letzten Jahren laut dem RKI vor allem in der Innenstadt die Syphilis-Fälle. Die "jüngeren Bezirke" der Stadt liegen zudem an der Spitze einer Auswertung, die die deutschen Großstädte und Berliner Bezirke miteinander vergleicht: Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitte meldeten 2022 Inzidenzen von über 90 – und damit einen mehr als neunmal so hohen Wert wie im Bundesdurchschnitt.
Sexuell übertragbare Krankheiten (STI) stellen eine große Bedrohung für Wohlbefinden und körperliche Gesundheit dar. Beispielsweise ist eine Infektion mit dem HI-Virus nach wie vor nicht heilbar und erfordert eine lebenslange Therapie.
Wie man sich vor Geschlechtskrankheiten am besten schützen kann, erklärt Dr. Schlossberger, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie, im Gespräch mit t-online. Sie verdeutlicht, warum es in Deutschland zu einem erneuten Anstieg der STIs kommen konnte, obwohl Erkrankungen wie die Syphilis hierzulande schon fast Geschichte waren.
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"Seit 2010 ungefähr hat sich die Zahl der sexuell übertragbaren Erkrankungen verzehnfacht", sagt Dr. Schlossberger.
In Deutschland sind Geschlechtskrankheiten wieder auf dem Vormarsch. Das zeigen Daten des Robert-Koch-Instituts:
Wurden 2013 noch weniger als 2.000 Hepatitis-B-Fälle registriert, waren es 2023 fast 23.000.
Eine deutliche Zunahme der gemeldeten Fälle verzeichnet das RKI im selben Zeitraum auch bei Syphilis und Gonorrhoe, besser bekannt als Tripper.
Dagegen liegen die diagnostizierten HIV-Fälle mit rund 2.300 auf einem eher stabilen Niveau. Die Gründe für diese Entwicklung sind laut Dr. Schlossberger vielfältig.
"Es gab riesengroße Aufklärungskampagnen HIV betreffend. Und die Leute haben dann doch endlich, also muss man schon sagen, nach 20, 30 Jahren gemerkt, was das für eine wirklich schwierige Erkrankung ist. Und es wurde auch angenommen, die Aufklärungskampagnen, das heißt, es wurde sich wirklich geschützt in diesem Bereich. Zusätzlich konnten die HIV-Fälle, die schon da waren, sehr gut behandelt werden. Die sind quasi symptomfrei, werden dann gar nicht mehr mit eingerechnet. Und das ist eine Erkrankung, die wir ganz gut im Griff haben. Ähm, komischerweise sind aber alle anderen Erkrankungen dann so ein bisschen hinten runtergefallen und es gab irgendwie plötzlich gar nichts mehr außer HIV im Kopf der Menschen. Das ist das Problem."
Ein weiterer Grund: Die fortschreitende Digitalisierung. Dank verschiedenster Dating-Apps können Menschen heute wesentlich bequemer und schneller Sexpartner finden.
"Also wir haben erstmal diesen Treiber Nummer eins: so nach dem Motto na ja, ich kann schon mal immerhin kein HIV mehr bekommen. Das ist das eine. Und dann wird an das andere überhaupt nicht mehr gedacht. Nummer zwei ist, dass diese Nachlässigkeit verstärkt wird durch dieses Onlinedating, das muss man schon sagen. Also man trifft sich, man hat einmal Sex und dann geht man wieder auseinander. Das ist ja unfassbar einfach geworden und für so einen One-Night-Stand, dann ergreift man jetzt auch nicht die großen Maßnahmen, da denkt man in dem Moment gar nicht dran. Also das ist auch etwas, was ganz potenziell wichtig ist. Wir müssen schon sagen, dass es eher die 20- bis 40-Jährigen betrifft, manchmal sogar noch jünger. Also was die HPV-Zahlen betrifft, liegen wir sogar unter 20 Jahren. Deswegen wird ja auch dazu angehalten, möglichst die Kinder schon auch impfen zu lassen. Kinder in Anführungsstrichen, also ab dem zwölften Lebensjahr. Ähm, weil sich natürlich auch die sexuelle Aktivität ein bisschen nach vorne verlagert hat. Das ist einfach so durch die Entwicklung, die hormonelle Entwicklung der Heranwachsenden."
Hier ist vor allem Aufklärung gefragt. In der breiten Öffentlichkeit, aber auch in Schulen.
"Wir müssen in der Beziehung auch mehr Aufklärung gruppenbedingt sozusagen machen, dass man sagt, na ja, es wäre nicht schlecht, das auch in einen gewissen Sexualkundeunterricht und so was reinzunehmen, dass es eben nicht nur HIV gibt, weil das wissen sie noch von ihren Eltern, aber alles andere wissen sie eben nicht“
Vor allem eine Erkrankung erlebte zuletzt einen erheblichen Anstieg.
"Was uns die meisten Sorgen macht, ist die Syphilis. Wo man schon gedacht hat, das wäre eigentlich eine Erkrankung, die es schon gar nicht mehr gibt. Die aber, muss man auch sagen, natürlich auch durch eine gewisse Zuwanderung aus Ländern, in denen es schon überhaupt keine Aufklärung gibt, auch mit einbezogen ist, dass das ja dann immer weitergegeben wird. Also wir haben gedacht, wir hätten das erledigt mit der Syphilis schon in den Siebzigern und jetzt steigt das halt enorm an, weil es eben nicht ernst genug genommen wurde. Und die Syphilis ist eine Erkrankung, die man ernst nehmen kann, denn sie kann letztendlich in letzter Konsequenz zum Tode führen.“
Um dem vorzubeugen, ist ein Arztbesuch unumgänglich. Betroffene sollten hier keinesfalls wegen möglicher Schamgefühle untätig bleiben.
"Oft ist es ja leider so, dass bei infizierten Patienten das auch ein natürlicher Scharm-Effekt ist, also dass die sagen, sie sehen es ja meistens durch Hautveränderungen im Genitalbereich schon mal als erstes von der Syphilis umändern und die dann sagen nee, also jetzt schäme ich mich, jetzt gehe ich überhaupt nicht zum Arzt. Man muss wirklich damit zum Arzt gehen, weil man leider ansteckend ist. Also man kann nicht einfach so weitermachen, gerade in seinem Sexualleben und um sich herum alle möglichen Leute anstecken, das ist nicht okay."
Die „Deutsche Aidshilfe“ empfiehlt insbesondere Personen mit häufig wechselnden Sexpartnern, sich regelmäßig auf sexuell übertragbare Infektionen testen zu lassen.
Wer von sexuell übertragbaren Infektionen besonders betroffen ist und welche Rolle Dating-Apps dabei spielen, sehen Sie hier oder oben im Video.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigenes Interview mit Dr. Schlossberger
- Mit Informationen des Robert-Koch-Instituts
- Mit Videomaterial von GettyImages