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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Arzt klärt auf Hype um Abnehmspritze – diese Nebenwirkungen gibt es
Als Wundermittel angepriesen sorgt die Abnehmspritze mit dem Wirkstoff Semaglutid aktuell für einen Hype. Was ist dran?
Der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk sorgte mit der Markteinführung seiner Abnehmspritze in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen. Viele fragen sich nach dem Hype um das neue Wundermittel: Welche Alternativen gibt es, um ein gesundes Körpergewicht zu erreichen? Denn die Abnehmspritze ist kein Lifestyle-Medikament.
Prof. Dr. Thomas Kurscheid, Arzt für Ernährungs- und Sportmedizin sowie Adipologe und Digital-Health-Experte Dr. Gerd Wirtz erklären hier und in ihrem Podcast "Gesund & Gesund", welche Alternativen es gibt und warum diese besser langfristig wirken.
Prof. Dr. Thomas Kurscheid
Facharzt für Allgemeinmedizin sowie Ernährungs- und Sportmediziner mit eigener Praxis in Köln. Sein Spezialgebiet ist die Präventionsmedizin. Er ist bekannt als TV-Experte u.a. für WDR, ARD, RTL und SAT.1 sowie durch Bestseller wie "Mein Bleib-Gesund Buch".
Gemeinsam mit Prof. Dr. Volker Limmroth und Dr. Gerd Wirtz gibt Kurscheid in seinem Podcast "Gesund & Gesund – Besser und länger leben" praktischen Gesundheitsrat und einen Überblick über Innovationen in der Medizin.
Dr. Gerd Wirtz
Neurophysiologe, Medizin-Moderator und Digital Health Experte. Sein Spezialgebiet ist die Zukunftsmedizin.
Die Fakten: Jede(r) zweite Deutsche ist übergewichtig. Und nicht nur hierzulande ist die chronische Krankheit Fettleibigkeit ein Problem: Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die sogenannte Adipositas weltweit mittlerweile epidemische Ausmaße angenommen. So sind in Europa fast 60 Prozent der Erwachsenen und annähernd jedes dritte Schulkind betroffen. Die Folgen sind gravierend, denn übergewichtige Personen haben ein stark erhöhtes Risiko für eine Vielzahl von Folgeerkrankungen, etwa Bluthochdruck oder Diabetes. Viele klagen zudem unter anderem über Knie- und Rückenbeschwerden.
Emotionales Essen als Auslöser für Übergewicht
Seit dem Jahr 2020 ist Adipositas als Krankheit anerkannt, doch noch immer zögern viele Krankenkassen die Übernahme von wichtigen Behandlungen hinaus oder verweigern sie ganz. Man muss es noch mal klar sagen: Adipositas ist eine chronische Erkrankung. Dementsprechend ist die Therapie kein Kurzzeitprojekt, vergleichbar einem Sprint, sondern eher ein Marathonprojekt, das eine langfristige Behandlung erfordert. Während eine Ernährungsberatung in der Regel übernommen wird, streiken die Krankenkassen häufig bei multimodalen Programmen, die aus Ernährungsberatung, Bewegungscoaching, medizinischer Begleitung und Verhaltenstherapie bestehen.
Dabei liegt das Hauptproblem häufig genau dort, nämlich beim sogenannten "emotionalen Essen". Stark übergewichtige Menschen agieren ihre Gefühle häufig über das Essen aus, sie belohnen oder trösten sich über die Nahrungsaufnahme. Selbst wenn sie wollen, schaffen sie es deshalb ohne professionelle Unterstützung nicht, abzunehmen.
Ist die Abnehmspritze ein Gamechanger?
Die Abnehmspritze: An der Diskussion über die Abnehmspritze des dänischen Pharmakonzerns Novo Nordisk kam man in den letzten Wochen kaum vorbei. Doch ist sie wirklich ein solcher Gamechanger, wie es häufig geschildert wird? Und wie funktioniert sie überhaupt?
Das Medikament Wegovy, das in der Spritze steckt, enthält den Wirkstoff Semaglutid, der die Wirkung des körpereigenen Hormons GLP-1 nachahmt.
So wird die Entleerung des Magens verzögert, die Ausschüttung des Hormons Insulin gefördert und in der Folge der Appetit gemindert. Außerdem hilft es, den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Studien haben bewiesen, dass in einem Behandlungszeitraum von 1,5 Jahren so etwa durchschnittlich 15 Prozent Gewichtsreduktion erreicht werden können, was ausreichend ist, um Begleiterscheinungen zu mindern oder ganz zu beseitigen. 38 Prozent der Studienteilnehmer nahmen sogar 20 Prozent ab.
In Deutschland ist Wegovy bei Erwachsenen ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 zugelassen. Außerdem ab einem BMI von 27, wenn das Übergewicht Folgekrankheiten wie Diabetes Typ 2 oder Bluthochdruck auslöst. Jugendliche ab 12 Jahren erhalten die Spritze, wenn sie an Adipositas leiden oder ihr Körpergewicht 60 Kilogramm überschreitet. Die Spritze muss nur einmal in der Woche mit einem Pen in die Bauchhaut oder in den Oberschenkel injiziert werden.
Die Kosten liegen bei 300 Euro pro Monat, häufig benötigen die Patienten aber nicht die volle Dosis, was die Kosten senken kann, zum Teil auf 150 Euro pro Monat. Laut Novo Nordisk wird bereits an der Entwicklung einer Tablette gearbeitet, was die Einnahme noch einmal vereinfachen würde.
Die Nebenwirkungen des Medikaments
Die Nebenwirkungen: Bei all der Euphorie sollte man nicht vergessen, dass die Spritze ein Medikament ist und dass die Injektion zu Übelkeit, Erbrechen oder Aufstoßen sowie im schlimmsten Fall zu Schilddrüsen-Karzinomen oder Entzündungen der Bauchspeicheldrüse führen kann.
Die Gefahren der Spritze und die Alternativen: Die Spritze ist ein Gamechanger, aber sie ist kein Allheilmittel. Dass mit der Dauer der Anwendung eine Gewöhnung des Körpers an den Wirkstoff und infolgedessen ein Jo-Jo-Effekt eintritt, ist ziemlich sicher. Das kann erst recht beim Absetzen der Spritze eintreten. Darum darf die Spritze keinesfalls als Ersatz für gesunde Lebensgewohnheiten betrachtet werden. Ausreichend Bewegung, Verhaltenstherapie und Ernährungsberatung sind ebenso wichtig und sollten stets als Begleitung zur Spritze eingesetzt werden.
Drei Tipps von den Profis
Die Praxistipps der "Gesund & Gesund"-Experten:
Tipp 1: Wer sein Gewicht im Blick behalten will, sollte sich für den Kauf einer Analyse-Waage entscheiden, denn sie hilft dabei, das eigene Gewicht richtig zu interpretieren. So zeigt sie neben dem Gewicht auch das Fett-Muskel-Verhältnis an. Das ist wichtig, denn hinter steigenden Kilos muss nicht unbedingt eine ungesunde Entwicklung stecken. So kann das Gewicht durch Muskelwachstum konstant bleiben, obwohl der Fettwert gleichzeitig abnimmt. Wichtig ist dabei, sich möglichst zur gleichen Zeit zu wiegen und im Blick zu behalten, ob man kurz zuvor getrunken hat, denn Wasser treibt Gewicht in die Höhe. Und Achtung: Bei Frauen wird im Laufe des Zyklus Wasser eingelagert, was viele Waagen als Fett interpretieren. Wiegen Sie sich daher am besten nicht täglich. Einmal die Woche reicht.
Tipp 2: Es gibt zahlreiche, empfehlenswerte digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) in Form von Apps, die nicht nur vom Bundesgesundheitsministerium zugelassen sind, sondern auch von der Kasse übernommen werden. So kann ein digitales Ernährungstagebuch eine tolle Unterstützung beim Abnehmen sein. Die App meldet sich regelmäßig und fragt, ob ausreichend (und gesund) gegessen wurde, ob man sich bewegt hat, und zeigt auf Wunsch an, wie viele Kalorien Nahrungsmittel haben. Hier finden Sie DiGAs: diga.bfarm.de.
Tipp 3: Ihren Body-Mass-Index behalten Sie mit dem BMI-Rechner im Blick. Beispielsweise mit dem Rechner der Deutschen Adipositas-Gesellschaft: adipositas-gesellschaft.de.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigene Recherche
- Podcast Gesund & Gesund