Unsicherheit im Depot Wie umgehen mit russischen Wertpapieren?
Düsseldorf (dpa/tmn) - Schon seit Wochen ist der Handel mit russischen Wertpapieren stark eingeschränkt. Deutsche Anlegerinnen und Anleger können kaum mehr tun, als die Aktienkurse ihrer Titel auf der Mattscheibe zu verfolgen. Kauf und Verkauf sind derzeit praktisch nicht möglich. Was also tun?
Haben Deutsche Anteile russischer Unternehmen in ihren Depots, handelt es sich in aller Regel um Hinterlegungsscheine, sogenannte ADRs (American Depository Receipts) oder GDRs (Global Depository Receipts). Diese Hinterlegungsscheine verbriefen das Eigentum an einer Aktie und werden stellvertretend für diese gehandelt. Inhaberinnen und Inhaber der Scheine profitieren wie gewohnt von Kurssteigerungen und Dividendenausschüttungen.
Häufig geben US-amerikanische Kreditinstitute die Hinterlegungsscheine aus, die die eigentlichen Aktien hinter den Verbriefungen halten. Der Grund für diese Vorgehensweise: Es erleichtert den internationalen Handel.
Russisches Gesetz soll internationalen Börsenhandel stoppen
Nun ist es aber so: Seit Anfang April zwingt ein russisches Gesetz heimische Unternehmen, das Geschäft mit den Hinterlegungsscheinen zu beenden. Die Verbriefungen sollen in Aktien umgewandelt und der Handel nach Russland verlagert werden. So will sich Russland westlicher Kontrolle entziehen.
Viele ADR- beziehungsweise GDR-Programme seien darum mittlerweile von russischen Unternehmen gekündigt worden, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Darum würden viele von ihnen, darunter auch eines der wichtigen Gazprom-Programme, im August dieses Jahres auslaufen.
Option eins ist keine wirkliche Option
Für Anlegerinnen und Anleger ist das Wertpapier damit nicht futsch. Sie haben nach Auslaufen der Programme bis zu einem Jahr Zeit, ihre Verbriefungen bei der ausgebenden Bank einzureichen und sie gegen Aktien zu tauschen. Verbraucherinnen und Verbraucher werden darüber von ihrer depotführenden Bank informiert.
Der Haken: Stand jetzt ist dieser Umtausch für die allermeisten gar nicht möglich. Aufgrund von Sanktionen bräuchte es dazu nämlich ein Depot bei einem russischen Kreditinstitut. "Genau da liegt auch das Problem für betroffene Privatanleger", sagt Jürgen Kurz. "In der Regel ist es ihnen schlicht unmöglich, ein solches Depot zu eröffnen." Über das Depot bei einer deutschen Bank lässt sich der Deal nicht abwickeln.
"Wurden die DRs bis zum Ende der jeweiligen Frist nicht eingereicht, wird die jeweilige US-Bank versuchen, die Aktien zu veräußern", so Kurz. Doch auch dafür müssten die Sanktionen fallen. Gelingt der Bank der Verkauf, erhielten Besitzer von Hinterlegungsscheinen den Erlös abzüglich Kosten und Gebühren, sagt Kurz. "Ob das gelingt, und falls ja, zu welchem Preis, ist völlig offen."
Von Option zwei rät der Experte ab
Spekulanten nutzen die derzeit unübersichtliche Lage aus und bieten Anlegerinnen und Anlegern an, ihre quasi eingefrorenen Verbriefungen zu übernehmen - in der Hoffnung, sie seien bald wieder handelbar. Im Gegenzug erhalten Anleger ein wenig Geld. Weil es sich bei diesem Verkauf laut Kurz um ein Privatgeschäft handelt, ist der Deal trotz Sanktionen möglich. Die Wertpapiere wandern dann lediglich von einem Depot in ein anderes.
Jürgen Kurz rät Anlegerinnen und Anlegern aber davon ab, auf solche Angebote einzugehen. "Die Übernahmeofferten sind lächerlich niedrig", sagt er. "Das ist ein bisschen Bauernfängerei." Zwar könne das jetzt, wenn man die Titel loswerden will, eine Lösung sein. Doch Kurz zufolge bekommen Betroffene in der Regel so wenig Geld, dass der Verlust bei nahe 100 Prozent liegt.
"Verglichen damit ist das Risiko, erst einmal abzuwarten, kaum höher", sagt er. "Zumindest dürfte der Preis, den amerikanische Banken erzielen, sobald der Handel irgendwann wieder möglich sein sollte, selbst nach Abzug der Kosten höher ausfallen."
Vor diesem Hintergrund sind die Handlungsoptionen zurzeit also sehr beschränkt. Kurz empfiehlt Investorinnen und Investoren abzuwarten - viel mehr könnten sie aktuell nicht tun.