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Volkswagen: VW-Angestellte gehen auf die Straße – so ist die aktuelle Lage


Autobauer in der Krise
"Volkswagen gehört nicht allein den Aktionären"


26.09.2024 - 13:06 UhrLesedauer: 4 Min.
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Beschäftigte von Volkswagen demonstrieren vor Beginn der Tarifverhandlungen von Volkswagen und IG Metall vor dem Schloss Herrenhausen. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa)

Trommeln, Sirenen, Bengalos: Die VW-Angestellten gehen gegen die Sparpläne des Konzerns auf die Straße. In der Branche löst das Unruhe aus.

In Wolfsburg herrscht Krisenstimmung: Volkswagen hat die Beschäftigungsgarantie für Angestellte aufgekündigt, Werkschließungen und Entlassungen stehen im Raum. Die Belegschaft war zunächst geschockt, doch mittlerweile klingt es eher nach Verärgerung. Mit Trillerpfeifen und Bengalofeuern protestierten am Mittwoch laut IG Metall mehr als 3.000 Angestellte in Hannover gegen den Sparkurs.

"Volkswagen gehört nicht allein den Aktionärinnen und Aktionären! Volkswagen gehört auch uns. Der Belegschaft", sagte die Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo bei der Kundgebung zum Auftakt der Tarifverhandlungen.

Die Tarifverhandlungen waren eigentlich erst für Ende Oktober angesetzt, wurden angesichts der Krise aber vorgezogen. Neben der Entgelterhöhung geht es nun auch um weitere Themen wie die Beschäftigungssicherung, Auszubildende und Leiharbeiter. Zudem bleibt die IG Metall bei ihrer Branchenforderung von sieben Prozent mehr Lohn sowie 170 Euro mehr für Auszubildende.

"Werksschließungen als Drohkulisse"

Bei VW sei es neben der Wirtschaftlichkeit schon immer auch um die Beschäftigungssicherung gegangen, so Cavallo. Das gehöre zur DNA von Volkswagen. Nun fahre die Chefetage "Werksschließungen als Drohkulisse auf" und verängstige die Belegschaft mit Schlagzeilen über Massenentlassungen.

Doch der Ernst, mit dem nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch Experten und Politik derzeit über den Zustand des Wolfsburger Konzerns sprechen, lässt befürchten, dass es sich zumindest nicht nur um eine Drohkulisse handelt. Denn während VW in den vergangenen Jahren auch magere Ergebnisse als Erfolge und Schritte in die richtige Richtung auswies, hat das Unternehmen nun umgeschwenkt: "Volkswagen produziert in Deutschland zu teuer", so die klare Aussage.

Bisherige Kostenreduzierungen reichten nicht aus, so Konzernchef Oliver Blume Anfang September. "Meine Kollegen, VW-Chef Thomas Schäfer und Thomas Schmall, arbeiten mit ihren Teams deshalb an weiteren Maßnahmen." Demnach muss gespart werden; eine Maßnahme ist die Aufkündigung der Haustarifverträge, die Mitte 2025 auslaufen. Doch genau die daraus resultierende Unsicherheit treibt die Belegschaft nun auf die Straße und die Politiker an den Verhandlungstisch.

Die Konzernseite wirbt unterdessen um Verständnis. Vor dem Beginn der Tarifverhandlungen wurden an sechs Standorten Flugblätter verteilt, in denen der Konzern die Belegschaft zu Zugeständnissen auffordert. "Volkswagen produziert in Deutschland zu teuer" steht auf dem Papier, das t-online vorliegt. Die Aktion fand an den Standorten Wolfsburg, Hannover, Braunschweig, Salzgitter, Emden und Kassel statt.

Krise kommt nicht überraschend

Dabei waren die Probleme, auf die der Konzern zusteuerte, für Branchenkenner keine Überraschung, wie etwa für die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA). "Ich bin überrascht, wer alles überrascht ist", sagt Hildegard Müller im Gespräch mit t-online. Aus ihrer Sicht hängt die aktuelle Krise auch an einer Reihe von politischen Entscheidungen zu Bürokratie, Energiepreisen und hohen Steuern. "Wir weisen seit langer Zeit darauf hin, dass die deutsche Automobilwirtschaft absolut wettbewerbsfähig ist, der deutsche Standort aber schon lange nicht mehr", so Müller.

Hinzu kommt starke Konkurrenz vor allem im E-Autobereich aus China. Die Hersteller dort bringen deutlich mehr Modelle zu günstigen Preisen auf den Markt. Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer warnte daher Anfang September: "Europa gerät damit gegenüber China beim Aufbau der klimaschonenden Mobilität immer stärker ins Hintertreffen."

Die Europäische Union wirft der chinesischen Regierung zudem Marktverzerrung durch staatliche Subventionen vor und hat zuletzt Ausgleichszölle verhängt. Eine Maßnahme, die vor allem deutsche Autobauer kritisch sehen, da sie um ihren eigenen Marktzugang in China fürchten.

Problem geht über VW hinaus

Das spürt nicht nur VW. Auch andere deutsche Autobauer haben mit sinkenden Absätzen zu kämpfen. BMW und Mercedes korrigierten zuletzt ihre Gewinnerwartungen nach unten. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wurden im August nur noch 27.024 Pkw mit elektrischem Antrieb zugelassen. Das waren 68,8 Prozent weniger als ein Jahr zuvor und rund 12 Prozent weniger als im Juli. Aber die Krise betrifft nicht nur E-Autos: Auch die Anzahl der Gesamtzulassungen sank um 27,8 Prozent auf 197.322 Pkw.

Im aktuellen Ifo-Geschäftsklimaindex zeigt sich zudem, wie sich die Stimmung im gesamten verarbeitenden Gewerbe eintrübt. Der Wert sank von 86,6 auf 85,4 und ist damit der vierte Rückgang in Folge und der niedrigste Wert seit Juni 2020. Vor allem die aktuellen Geschäfte führen dabei zu dem schlechten Ergebnis, aber auch die Zukunftserwartungen fielen pessimistischer aus als noch zuvor, denn der Auftragsmangel habe sich verschärft.

Streiks ab Dezember möglich

Das könnte weitreichende Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben. Denn die Automobilbranche ist eine Kernindustrie in Deutschland. Laut dem Wirtschaftsministerium erwirtschaftete die Branche im Jahr 2023 einen Umsatz von gut 564 Milliarden Euro und beschäftigte knapp 780.000 Menschen.

Branchenvertreter äußern sich bereits besorgt. Der Verband Netzwerk Automobilzulieferer Sachsen (AMZ) etwa fürchtet eine Abwanderung von Unternehmen ins Ausland. Die Sorge ist nicht unbegründet, auch auf Europa insgesamt bezogen. VW beispielsweise hat erst kürzlich die Produktion des Kleinwagens Polo von Spanien nach Südafrika verlagert.

Der AMZ fordert daher die Politik auf, die aktuellen Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Als Vorbild verwies er auf die Hilfen zur Transformation in Kohleregionen wie der Lausitz. Die genaue Höhe des Investitionsbedarfs könne nicht beziffert werden, heißt es auf Nachfrage.

Tatsächlich hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Vertreter der deutschen Automobilindustrie am Montag zu einem kurzfristig anberaumten digitalen Gipfel empfangen. Im Vorfeld hatte es weitreichende Forderungen, etwa zu einer "Abwrackprämie 2.0", gegeben. Mehr zu den Details lesen Sie hier. Letztlich sicherte Habeck der Branche zwar Unterstützung zu, konkrete Maßnahmen verkündete er aber nicht.

Bei Volkswagen gehen zunächst einmal die Tarifverhandlungen weiter. Sollte es keine Einigung geben, wären ab Mitte 2025 betriebsbedingte Kündigungen möglich. Bereits im November würde aber die sogenannte Friedenspflicht enden. Warnstreiks wären dann ab dem 1. Dezember möglich. Zuletzt hatte die Volkswagen-Belegschaft im Jahr 2018 für einen Warnstreik die Arbeit niedergelegt.

Verwendete Quellen
  • Grundsatzrede von Daniela Cavallo
  • Gespräch mit Hildegard Müller (VDA)
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