Flüssiger Datenverkehr Das steckt hinter dem neuen Wi-Fi 6
Köln (dpa/tmn) - Die Zahl der drahtlos mit dem Internet verbundenen Geräte steigt stetig. Laptops, PCs, Fernseher, Tablets und Smartphones stehen hier an erster Stelle.
Aber auch Smart-Home-Geräte von der vernetzten Leuchte bis zum schlauen Haushaltsgerät hängen daheim im WLAN. Da kann der Router schon einmal an seine Grenzen kommen: Streams ruckeln, Webseiten öffnen sich nur langsam.
Verbesserungen verspricht der neue WLAN-Standard Wi-Fi 6 (ax-WLAN). "Hier kommt eine Technik zum Einsatz, die auf das sperrige Kürzel OFDMA hört, womit die gesamte Bandbreite deutlich effizienter genutzt werden kann", erklärt Ernst Ahlers vom Fachmagazin "c't".
Während bei den bisherigen WLAN-Standards, also auch beim derzeit noch aktuellen Vorgänger Wi-Fi 5 (ac-WLAN), der Router quasi alle seine "Jobs" nacheinander abarbeitet, kann Wi-Fi 6 mehrere Teilnehmer gleichzeitig bedienen. "Stellt man sich die Luftschnittstelle des Netzwerks als mehrspurige Autobahn vor, können die Geräte mit Wi-Fi 6 jeweils eigene Fahrspuren nutzen", erklärt es Olaf Hagemann vom US-Netzwerktechnik-Spezialisten Extreme Networks.
Der Datenstau hat eine Ende
Bei Wi-Fi 6 laufe der Verkehr auf der Datenautobahn also stets flüssig, wohingegen bei vorherigen WLAN-Versionen schon mal ein Stau entstanden sei - weil es eben nur eine Fahrspur gab. Deutliche Geschwindigkeitszuwächse seien hingegen von Wi-Fi 6 zunächst nicht zu erwarten, meint Ernst Ahlers. "Unter wirklich optimalen Bedingungen schafft der neue Standard 1 Gigabit pro Sekunde (GBit/s), dazu aber müssen alle Komponenten mit dem neuesten Standard arbeiten und es darf auch kein weiterer User auf das Netz zugreifen."
Ein weiteres Plus von Wi-Fi 6 ist das verbesserte Sicherheitsniveau. "Zum Einsatz bei der Verschlüsselung der Funkverbindung kommt hier WPA3. Dabei wird der gleichbleibende WLAN-Schlüssel dazu verwendet, einen temporären Schlüssel für eine aktuelle Verbindung auszutauschen", erklärt Prof. Peter Richert von der Fachhochschule Münster. Dieses Verfahren mache es deutlich schwieriger, die Verschlüsselung zu knacken.
Gleichwohl hält Richert den Einsatz von Wi-Fi 6 im privaten Gebrauch noch für verfrüht. "Profitieren kann davon aktuell vor allem die Industrie, etwa in Fertigungsketten, wo viele Maschinen drahtlos gesteuert werden. Für Privathaushalte ist es eher noch ein "Nice-to-have"."
Gezielt aufrüsten ist noch nicht nötig
Deshalb rät Ernst Ahlers Verbraucherinnen und Verbrauchern auch noch davon ab, bereits jetzt gezielt in neue Geräte zu investieren. "Wer heute eine gut funktionierende Installation des Vorgängers Wi-Fi 5 hat, kann sich mit dem Austausch Zeit lassen." Der Experte rechnet damit, dass Wi-Fi 6 erst 2022 seine volle Wirkung entfalten kann.
Denn derzeit plant die Bundesnetzagentur, im zweiten Quartal 2021 einen zusätzlichen Frequenzbereich für WLAN bereitzustellen, nämlich den Bereich um 6 Gigahertz (GHz) herum. "Das heißt, das gesamte WLAN-Spektrum wird ausgebaut, was also für mehr Kanäle und eine Entzerrung insgesamt sorgen wird", erklärt Ahlers.
Das 6-GHz-WLAN wird auch als Wi-Fi 6E bezeichnet. Zwar wird dieser wie gewohnt abwärtskompatibel sein. Alle Vorteile dürften aber nur mit neueren, sogenannten Tri-Band-Geräten nutzbar sein, die neben dem neuen auch die bisherigen WLAN-Frequenzbereiche 2,4 und 5 GHz beherrschen. Unterm Strich also noch ein Grund mehr, mit Neuanschaffungen zu warten.
Aktuell sehen Experten den neuen Standard vor allem als sinnvoll für Campusnetze an. Das sind geschlossene Funknetze, in denen Firmen, Institutionen oder auch Veranstaltungszentren viele Nutzer gleichzeitig einbinden wollen. "Hier kann Wi-Fi 6 die Effizienz maßgeblich erhöhen und auch zu einem verbesserten Nutzererlebnis führen", erklärt Olaf Hagemann.
Viele viele Geräte gleichzeitig
"Wi-Fi 6 zielt auf sogenannte High-Densitiy-Szenarien ab, also Situationen, in denen sehr viele Geräte an einem Ort gleichzeitig eine Verbindung aufbauen wollen", sagt auch Max Pohl vom WLAN-Dienstleister Socialwave. Daher sei Wi-Fi 6 vor allem erst einmal ein Gewinn für Netze in Fabriken, Hotels oder bei Events.
Gleichwohl ist Pohl überzeugt, dass der neue Standard früher oder später auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommt. Aktuelle Smartphones wie die neuesten iPhones unterstützen Wi-Fi 6 bereits, positiv bemerkbar machen würde sich das bei den Nutzerinnen und Nutzern aber noch nicht, meint Pohl.
Nachteile müssen sie umgekehrt aber auch nicht befürchten: "Da Wi-Fi 6 rückwärtskompatibel ist, können auch Geräte, die bisher im Einsatz waren und einen der vorherigen Standards unterstützten, weiterhin im Netzwerk eingebunden und betrieben werden", erklärt Olaf Hagemann. "Allerdings kommen die wesentlichen Vorteile von Wi-Fi 6 nicht zum Tragen."