"Spoofing" Israel stört Terroristen-Raketen – aber auch Zivil-Flugzeuge
Raketen der Hamas- und Hisbollah-Terroristen sollen in die Irre geführt werden. Allerdings ist auch der zivile Luftverkehr betroffen.
Die Nachricht verbarg sich in einem Absatz am Ende einer Ankündigung des israelischen Militärs. Es eine Sperrzone von vier Kilometern an der libanesischen Grenze eingerichtet worden, hieß es zunächst. Außerdem, so verkündete die israelische Armee, "wurde GPS in aktiven Kampfgebieten entsprechend verschiedenen betrieblichen Erfordernissen eingeschränkt. Bürger in der Region sollten sich darüber im Klaren sein, dass GPS-Einschränkungen zu vorübergehenden Störungen bei standortbasierten Anwendungen führen können."
Mit den Anwendungen waren Navigationssysteme wie die Karten von Google oder Apple gemeint. Doch die Auswirkungen sind offensichtlich wesentlich größer. Nach einem Bericht des amerikanischen Magazins "Politico" stört Israel die Signale der GPS-Satelliten in großem Umfang. So seien kommerzielle Flugzeuge in den Tagen nach dem Terror-Angriff der Hamas am 7. Oktober zeitweise nicht auf Computerbildschirmen von Flugtrackern zu sehen gewesen.
Der Fachbegriff für diese Störung ist "Spoofing": Damit wird Flugzeugen oder auch Raketen vorgegaukelt, an einer bestimmten Position zu sein – tatsächlich sind sie aber ganz woanders.
Hisbollah-Raketen sollen in die Irre geführt werden
Der US-Experte Todd Humphreys, der an der Universität von Texas arbeitet, spricht vom einem der deutlichsten Hinweise von "Spoofing", die er jemals gesehen hat. Ein Student habe ihn auf die Veränderungen bei Flugdaten nach dem 7. Oktober hingewiesen. Mit der elektronischen Abwehrmaßnahme können Raketen zum Beispiel von der Hisbollah in die Irre geführt werden, wenn sie GPS als Steuerungshilfe benutzen.
Israel habe Piloten angewiesen, bei der Landung sich nicht auf das GPS zu verlassen, sagte Zach Clements, der an der texanischen Universität arbeitet. Gegenüber "Politico" gab es keine weiteren Stellungnahmen Israels. Allerdings gilt derzeit ohnehin eine Warnung an Airlines, den Flughafen Tel Aviv nicht anzufliegen.
Vorfall nahe der iranischen Grenze
Die Gefahr von gesteuerten und präzisen Luftangriffen ist für Israel real: Die Hisbollah verfügt über ein großes Waffenarsenal, das auch Raketen mit einem Navigationssystem einschließt. In den vergangenen Tagen hatte es immer wieder Angriffe der Terroristen aus dem Libanon gegeben, allerdings in geringem Umfang und mit geringer Reichweite. Die gefährlicheren Mittelstreckenraketen blieben bislang noch am Boden. Zwar hat sich die Hisbollah mit der Hamas solidarisch erklärt, derzeit scheint sie aber noch nicht eine weitere Front im Norden Israels eröffnen zu wollen. Dennoch scheint sich Israel zumindest vorzubereiten.
Im September berichtete "Politico", dass wegen ähnlicher "Spoofing"-Maßnahmen unbekannter Herkunft über dem Iran und dem Irak ein Business-Jet fast in den iranischen Luftraum geflogen wäre. Betroffen sei der Airway UMB688 gewesen – eine Art virtuelle Autobahn in der Luft für den Flugverkehr. Teilweise habe es komplette Ausfälle bei Navigationsinstrumenten gegeben.
Die Hamas verfügt zwar auch über Raketen, die Reichweiten der Raketen liegen aber weit auseinander: Die gängigsten Modelle sollen eine Reichweite von fünf bis zehn Kilometern besitzen und haben keine eigene Navigation. Die Hisbollah hingegen soll über moderne Raketen des Typs Scud und Fateh-110 verfügen, die über ein eigenes Navigationssystem verfügen.
Es sei "durchaus möglich", dass Israel das GPS manipuliert, um sowohl die Raketen vom Kurs abzulenken als auch die Fähigkeit der Hamas, zu navigieren und Bodenangriffe zu starten, zu beeinträchtigen, sagte Brian Weeden, der bei der US-Luftwaffe im Bereich von ballistischen Raketen arbeitete.
Israelische Firma baut Abwehrgerät
Dass GPS-Daten elektronisch verändert werden, ist bereits aus dem Ukraine-Krieg bekannt. Dort werden Drohnen und Raketen damit abgelenkt. Vera Tavares, eine Sprecherin der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit sagte gegenüber "Politoco", ihre Daten zeigten, dass aktuelle GPS-Störungen und "Spoofing" in Gebieten rund um Konfliktgebiete, im östlichen Mittelmeer und rund um die Ostsee sowie in der Arktis verzeichnet worden seien.
Elektronische Abwehrmaßnahmen haben in Israel eine längere Tradition. Die Firma InfiniDome, die sich zwischen Haifa und Tel Aviv befindet, arbeitet nach Angaben ihres Mitbegründers Omer Sharar seit sieben Jahren an Geräten, die wiederum gegen das Spoofing helfen sollen. Das berichtet die Webseite GPS-World.
Ein Gerät, um eine bestimmte GPS-Frequenz zu stören, kostet nur knapp 100 Euro. Umso wichtiger ist es für Israel, solche Geräte unwirksam zu machen. Hier kann das InifiniDome-Gerät zum Einsatz kommen.
Gerade im Hinblick auf eine Bodenoffensive kann es wichtig sein, dass Truppen und die Luftwaffe GPS-Signale benutzen können, selbst wenn man selbst den Gegner verwirren will. Fraglich ist, ob auch die Hamas eine ähnliche Technologie zur Verfügung hat, um von Israel gestörte Signale wieder zu bereinigen. Und: Das "Spoofing" hilft nur gegen geführte Raketen. Die selbstgebauten Geschosse, die von der Hamas teilweise aus Wasserrohren gebaut wurden, können damit nicht erreicht werden.
- politico.com: "Israel’s using widespread GPS tampering to deter Hezbollah’s missiles" (englisch)
- gpsworld.com: "GPS jamming in Israel" (englisch)
- missilethreat.csis.org: "Missiles and Rockets of Hezbollah" (englisch)
- safeaispace.net: "Notam A1092/23" (englisch)