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Ex-Bild-Chefredakteur: Julian Reichelt, sein reicher Förderer und die CDU


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Comeback des Ex-"Bild"-Chefs
Die CDU-Verstrickungen des Julian Reichelt

  • Lars Wienand
  • Jonas Mueller-Töwe
Von Lars Wienand und Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 17.02.2023Lesedauer: 6 Min.
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Julian Reichelt: Seine Karriere im Springer-Verlag ist vorbei – nun ist sein Spielfeld die Meinungsmache bei YouTube. (Quelle: Eventpress Radke/imago-images-bilder)
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Ein milliardenschwerer Unternehmer macht Meinung und mit Julian Reichelts Krawall-Format gemeinsame Sache. Reden will er darüber nicht. Auch nicht über seine Kontakte in die Politik.

Die Welt ist düster durch die Augen von Julian Reichelt. "Linke Ideologen" und "grüne Sozialisten" bedrohen das Land. Sie wollen Weihnachten zerstören. Sie wollen Deutschland ins soziale Elend stürzen. Ganz zu schweigen von der Kriminalität. Und den Migranten. Gibt es die Demokratie in Deutschland noch? Man könnte es mit der Angst zu tun bekommen.

Nach seinem Ende als Chefredakteur der "Bild" wegen seines Umgangs mit Frauen tobt Reichelt sich in sozialen Netzwerken aus. Die Videos, die er und sein Team für YouTube produzieren, sind eine Dauerwerbesendung gegen Rot und Grün und ein Trommelfeuer auf die CDU, nach rechts zu rücken. "In die Mitte, zur Mehrheit", nennt Reichelt das. Themen, die angeblich nur die AfD behandele, müssten dort angesiedelt werden, "wo Menschen jahrzehntelang gewählt haben". Es gibt in der CDU Leute, bei denen er damit offene Türen einrennt.

Rheinland-Pfalz-TV geplant, Krawall-TV bekommen

Über die Finanzierung und weitere Pläne seines YouTube-Projekts ist wenig bekannt, dabei verschlingt das inzwischen gut 30-köpfige Team jeden Monat Unsummen. Werbe- oder Abo-Einnahmen hat es nicht. Unterstützung kam und kommt aber von reichen und konservativen Unternehmern mit besten Verbindungen in die Partei, die nach rechts gerückt werden soll. t-online ist den Verbindungen gefolgt. Und traf immer wieder auf Menschen, die lieber nicht zu viel sagen wollen.

In einem Nobelrestaurant beginnt die Spurensuche. Weil er damit Kindheitserinnerungen verbunden hat, kaufte ein Koblenzer Unternehmer sich das "Fährhaus" am Moselufer und baute das Hotel aufwendig um. Der Unternehmer ist Frank Gotthardt, 72, ein Mann mit eindrucksvoller Lebensleistung. Als Gründer der CompuGroup hat er ein Milliardenvermögen erwirtschaftet. Heute ist er dort Verwaltungsratsvorsitzender und seine Firmen versorgen 1,6 Millionen Praxen und Apotheken mit Software.

Gotthardt hat sich auch einen großen Fuhrpark wertvoller Oldtimer gekauft, den Eishockey-Club Kölner Haie und regionale TV-Sender. Doch das Medienengagement war unbefriedigend für einen Mann, der keine halben Sachen macht. Er hatte größere Pläne, er ging auf die Suche nach prominenten Köpfen, eigentlich für einen neuen Landessender.

Er fand dann Reichelt.

Ende 2021 gründete der Ex-"Bild"-Chef in Koblenz bei Gotthardts Notar ein Unternehmen, das Grundlage der YouTube-Offensive wurde: die Rome Medien GmbH. In Gotthardts Restaurant trafen sich der Milliardär und der Journalist dann, t-online machte die Verbindung exklusiv öffentlich.

Dazu passten weitere Informationen: Die Rome Medien zog bei der CompuGroup vermeintlich "temporär" als Untermieter ein. Heute teilt sie sich Adresse und Notar mit einer weiteren Medienunternehmung Gotthardts: "Vius".

Da führen wieder Spuren ins Nobelrestaurant: "Vius", was so klingt wie das englische "Views", die Zahl von Abrufen eines Videos, hat ein Manager von Gotthardts "Fährhaus" als Marke angemeldet. Er wollte das auch für "Nius" tun, gesprochen wie das englische "News". Doch das scheiterte am Widerspruch des italienischen Medienmoguls und Rechtspopulisten Silvio Berlusconi: Seine Mediengruppe sah Verwechslungsgefahr mit einem eigenen Titel.

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Eine Gotthardt-Firma Nius SE wurde prompt zur Vius Management SE. Zwei der drei Aufsichtsräte kommen aus Koblenz, ein früherer Thyssen-Krupp-Vorstand und der Inhaber einer internationalen Werbeagentur. Der dritte ist Magnus Graf Lambsdorff, Neffe des früheren Wirtschaftsministers Otto Graf Lambsdorff, Personalberater und früherer FDP-Landesvize in Hamburg.

Post für Vius geht aber nach Berlin, die Firma teilt sich sogar den Briefkasten mit Reichelts Rome Medien. Das Unternehmen soll Plattformen "für die Erstellung, Verbreitung und Verwertung von audiovisuellen Inhalten, insbesondere im Nachrichtenbereich" aufbauen und betreiben. Ein Hinweis auf Reichelts Video-Produktionen? War der Plan, dass Reichelt "Nius" beliefert, soll er künftig für "Vius" sorgen? Gotthardt und Reichelt geben keine Antworten.

"Transparenz ist ein zentraler Punkt journalistischen Selbstverständnisses und von Glaubwürdigkeit", sagt Carsten Reinemann, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Der Nutzer braucht die Information, wie Berichterstattung zustande kommt und was eigentliche Ziele sind."

Bei Reichelts Comeback stellt sich deswegen die Frage: Wer macht warum möglich, dass seine Redaktion Videos wie "Warum die CDU wieder rechts werden muss" produziert?

"Mister Wirtschaft" der CDU im Aufsichtsrat

Klar ist, dass Gotthardt gut in der CDU vernetzt ist. Er war Vorsitzender des Wirtschaftsrats der CDU in Rheinland-Pfalz. Das ist keine offizielle Untergliederung der Partei. Die einflussreiche Lobbygruppe besitzt aber beim Bundesvorstand Gastrecht. Zeitweise trat der Wirtschaftsrat wie ein Unterstützerverein auf, um Friedrich Merz an die Spitze der Partei zu bringen. Vize-Sprecher des Wirtschaftsrats in der Region Koblenz ist Hans-Jörg Assenmacher – der Notar von Gotthardt und Reichelt. Von ihm, dem Wirtschaftsrat und von Merz und Gotthardt ist es nicht weit zu anderen CDU-Politikern.

Einer war Michael Fuchs, "Mister Wirtschaft", wie ihn das "Handelsblatt" nannte, als er kürzlich verstarb. Fuchs war Unternehmer, Fraktionsvize der Union im Bundestag und ihr wirtschaftspolitischer Sprecher. Er handelte sich auch den Spitznamen "Atom-Fuchs" ein. Fuchs trat als Anwalt für bezahlbare Energie auf, als Mahner vor "Klima-Planwirtschaft" und einer "Deindustrialisierung Deutschlands". In seiner Partei soll er sich zunehmend fremd gefühlt haben.

Bis zu seinem Tod saß Fuchs im Aufsichtsrat von Gotthardts CompuGroup. Für den Sender des Milliardärs interviewte er Politiker wie Jens Spahn und Volker Wissing. Und er half offenbar Julian Reichelt.

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"Danke für die Unterstützung in den letzten Monaten, lieber Michael Fuchs", twitterte der Ex-"Bild"-Chef zu Fuchs Tod als Trauerbekundung. Wie die Unterstützung aussah, beantworteten Reichelt und das Umfeld von Fuchs auf Anfrage nicht. Fuchs hatte aber schon einmal einem in Ungnade gefallenen Chefredakteur mit Rat und Gastbeiträgen zur Seite gestanden: Roland Tichy, als der 2014 seinen Posten bei der "Wirtschaftswoche" verloren und sein eigenes Portal gegründet hatte, das er selbst "liberal-konservativ" nennt. Gotthardt kenne er nicht, materielle Unterstützung habe er von Fuchs nicht erhalten, teilt Tichy mit.

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Tichy und Reichelts neues Format stehen sich ideologisch nah. Fuchs dürfte mit beiden auf einer Linie gewesen sein. Wie auch Julia Klöckner?

Klöckner als Interviewgast bei Reichelt-Firma

Klöckner ist Bundesschatzmeisterin der CDU und hat das Amt auf Bitte von Friedrich Merz hin übernommen. Wie ihr enger Bekannter Fuchs einst ist sie wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag. Auch mit Gotthardt steht sie in engem Kontakt.

Sie war CDU-Landesvorsitzende, als Gotthardt an der Spitze des Wirtschaftsrats stand. Als er in Koblenz geehrt wurde, war Klöckner Laudatorin. Als er das "Fährhaus" eröffnete, schickte sie als Bundeslandwirtschaftsministerin ein Video-Grußwort. Privat verbindet die Familien eine Leidenschaft für Oldtimer.

Klöckner war gerade zu Gast im Talk mit Reichelts prominentestem Mitarbeiter, Ralf Schuler, der bis Oktober noch die Parlamentsredaktion der "Bild"-Zeitung leitete. Reichelt selbst gilt für die meisten Politiker auch in der Union als verbrannt, Schuler nicht. Klöckner nutzte das Format zur Klage über "politische Einseitigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender". Sie erzählte, "mit welcher Verve einige Journalisten schon wirken wie Pressesprecher von Grünen oder von der SPD". Gotthardts Weggefährtin scheint damit ganz auf Reichelts Linie zu liegen.

Klöckner erklärt auf Anfrage nur: Von Gotthardts Plänen mit Reichelt habe sie nichts gewusst und sie nicht unterstützt. Mehr über sein Medien-Engagement mag sie nicht sagen.

Besuch bei Gotthardt

Als einer von wenigen in der CDU ist Stephan Otto zum Gespräch über Gotthardt bereit. Doch im Koblenzer Stadtrat plagen ihn als Fraktionschef andere Sorgen als Medienpolitik. Berührungspunkt mit Gotthardt sei eher, dass "er anruft, wenn wir die Gewerbesteuer erhöhen wollen und er fragt, was wir da machen". Gotthardt wolle der Region helfen, stelle Räume zur Verfügung, wenn sie gebraucht würden.

Er habe Gotthardt als "absolut integren und eher zurückhaltenden Menschen" erlebt, der seine Meinungen habe und auch für etwas stehe. "Zumindest in Vorträgen und in Beiträgen, die ich erleben konnte, war er ein redlicher Streiter für den Rechtsstaat." Wenn er Gotthardt das nächste Mal sehe, werde er ihn fragen, was er vorhabe.

Weil Gotthardt schriftliche Fragen zu Reichelt und seinen CDU-Kontakten unbeantwortet lässt, haben t-online und das NDR-Medienmagazin "Zapp" es auch direkt bei Gotthardts Büro versucht. Verglichen mit seinem Designer-Hotel wirkt es wie eine andere Welt. Es liegt im dritten Stock eines weitgehend leer stehenden Gebäudes, davor Baustellen-Absperrbänder. Am verwaisten Haupteingang klebt ein Zettel mit Anweisungen, wie Zusteller Post und Pakete loswerden.

Gotthardt hat in der Nachbarschaft der CompuGroup den früheren Standort der "Rhein-Zeitung" gekauft, er residiert im einstigen Büro des Verlegers. An einem Seiteneingang befindet sich eine Klingel, und ein Pförtner meldet sich. Ob man denn einen Termin habe. Nein, aber mehrfach angefragt.

Verwendete Quellen
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