Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet."Schön ist das nicht" Das Bild der Frau in den Neuen Medien
Nackte Haut im Internet, besonders von Frauen, nehmen viele als Legitimation für Beleidigungen und abwertende Kommentare. Dabei könnte alles so einfach sein.
Eine Kolumne von Janna Halbroth
Viele tun es: Heidi Klum, Lena Gercke, Cathy Hummels, Lena Meyer-Landrut, Rebecca Mir oder auch Katja Krasavice. Sie alle zeigen sich regelmäßig sehr leicht bekleidet auf Instagram. Warum tun die das, mag sich vielleicht die eine oder der andere fragen. Die Antwort ist einfach: Weil sie es können.
Mich erinnert die nackte Haut oft an meine Masterarbeit, die ich vor rund zehn Jahren zum Abschluss meines Germanistikstudiums verfasst habe. Thema: "Das Bild der Frau in der Neuen Sachlichkeit am Beispiel zweier Romane von Irmgard Keun". Was war damit genau gemeint? In der Weimarer Republik gab es neue Gesetzesentwürfe für eine vermeintliche Gleichstellung von Frau und Mann. Und das zog einen langen Rattenschwanz nach sich. Einen guten Rattenschwanz. So einen nämlich, der Frauen die Möglichkeit gab, arbeiten zu gehen und sich ein Leben unabhängig von Männern aufzubauen. So weit die Theorie.
Diese neu erlangte Freiheit verschaffte der Frau ein neues, längst verdientes Selbstbewusstsein und das – so kommen wir langsam zum spannenden Teil – ermöglichte ihr eine neue Form ihrer Sexualität. Damals kamen allerdings die Nationalsozialisten dazwischen. Sie erstickten jede aufkommende Freiheit wieder im Keim. Der Zweite Weltkrieg besiegelte endgültig den kurzzeitig erlangten Fortschritt. Wer hat in Zeiten des Krieges schon Zeit für feministische Belange? Wenn ich hier einen Smiley mit verdrehten Augen setzen könnte, ich würde es tun.
Jedenfalls führen uns jene feministischen Belange unweigerlich in die Gegenwart. Fast ein Jahrhundert später sehen wir uns nämlich erneut konfrontiert mit der freien Sexualität der Frau. Instagram ist gewissermaßen die Neue Sachlichkeit und sprießt über vor Weiblichkeit, die rauswill, die Ketten sprengen will, die einfach machen will, was sie will.
Was 1920 Blicke waren, sind heute Internetkommentare
Was um 1920 die abwertenden Blicke auf der Straße waren, die jeder Frau, die mit Federboa und Schminke in die Welt schrie "Ich will mein eigenes Leben führen", hinterhergeworfen wurden, sind heute die Kommentare in der Anonymität des Internets. "Was ist das für ein Gehänge da hinten??? Ich mag die sowieso gar nicht, aber diese unästhetischen Ansichten, bitte nicht. Und ja, das ist meine Meinung!", schrieb vergangene Woche jemand unter ein Video von Model und Moderatorin Rebecca Mir. Die 31-Jährige ließ sich auf dem roten Teppich filmen, trug ein eng anliegendes Kleid mit Rückenausschnitt. "Grauenhaft!", lautete ein weiterer Kommentar dazu. "Schön ist das nicht", ein anderer.
Würden Sie einer fremden Person auf der Straße sagen: "Irgendwas stimmt mit Ihrem Hintern nicht?" Nein? Ich auch nicht. Im Internet ist das anders. Da kann jeder ungefragt seine Beleidigungen anderen Menschen an den Kopf knallen und das Ganze dann als freie Meinungsäußerung verkaufen. Jemand, der etwas ins Netz stellt, muss schließlich auch mit Kritik rechnen. Ist es Kritik, die Figur einer anderen als "grauenhaft" zu beschimpfen? Oder ist es vielmehr eine Denunziation?
Sie habe sich an diesem Abend, als das Video entstand, besonders wohl in ihrem Körper gefühlt, schrieb Rebecca Mir mit Blick auf die vielen beleidigenden Kommentare ein paar Tage später auf ihrem Instagram-Profil. Sie sei eigentlich sehr zufrieden mit ihrem Äußeren, betonte sie auch. Man möchte ihr wünschen, dass sie diese Einstellung angesichts des negativen Feedbacks nicht verliert.
Rebecca Mir ist ja längst nicht die Einzige, die im Netz herabwürdigende Kommentare unter ihren Beiträgen lesen muss. Es ist nicht strafbar, jemandem ungefragt zu sagen, wie hässlich man ihn oder sie findet. Und ja, wer in der Öffentlichkeit steht, muss mit Kritik leben. Das stimmt. Aber man kann sich schon einmal die Frage stellen, in was für einer Welt wir leben wollen, wenn wir so etwas tun oder so etwas als normal erachten.
Förderlich für ein gesundes Miteinander ist es jedenfalls nicht. Schon Kindern wird beigebracht, dass sie ihre Mitmenschen so behandeln sollen, wie sie selbst behandelt werden wollen, weil so nun mal Gesellschaft funktioniert. Wenn Kinder das lernen können, dann schaffen es Erwachsene ja vielleicht auch noch.
Katja Krasavice, die im Netz als Königin der nackten Selbstdarstellung gilt, pflegte schließlich einst zu sagen: "Wir sind die neue Generation und wir ändern und wir reden und wir machen den Mund auf. Wir werden so lange dafür stehen, bis jeder rafft, dass es egal ist, mit wie vielen Männern sich eine Frau trifft, was sie an ihrem Körper machen lässt oder wie viel sie zeigen möchte!"
- Eigene Beobachtungen
- instagram.com: Profil von rebeccamir
- instagram.com: Profil von katjakrasavice