"Das Supertalent" Tanzender Bäcker rührt Bruce zu Tränen
Leute mit Zähnen weißer als weiß, schwerhörige Damen und zwischendrin Messer-Renate, die perfekt in einen David Lynch-Film passen würde – "das Supertalent" ist zurück oder sollte es eher heißen: der Superklamauk?
Drei elend lange Stunden, semi-spannend und aufgelockert mit schnuffigen Einlagen der drei Juroren, zieht sich die "Supertalent"-Auftaktshow dahin. So mancher ist mit Sicherheit schon in den ersten Minuten weggepennt oder ist umso froher, dass im Kühlschrank noch 'ne angefangene Flasche Grauburgunder steht. Dabei könnte alles so kurzweilig sein.
Sylvie Meis sitzt wieder in der Jury, Bruce Darnell zeigt wie immer viel Gefühl und Dieter ist – eben Dieter. Der Zuschauer erfährt, dass der Jury-Chef jetzt auch bei Instagram ist, wegen der "vielen Antioxidantien" gern Blaubeeren schlemmt und sein billiges Bike besser findet als sein teures, weil das immer kaputt ist.
"Die beste Inszenierung seit hundert Jahren"
Alles wirkt ein bisschen wie Kraut und Rüben, aber nach ein zwei Gläschen hat sich der Zuschauer daran gewöhnt, wenn es wieder heißt, dass "jeder Mensch etwas Besonderes ist". Und mancher ist eben "besonders schlecht". Alles ist super mega toll und "very international". So international, dass die Talente kaum die Jury-Urteile verstehen, aber egal, Hauptsache es ertönen "three yeses".
So reiht sich Nummer an Nummer. Die meisten hat man schnell wieder vergessen. Nicht aber die "geniale Show" des Jongleurs Viktor Kee, der schon in der Londoner Royal Albert Hall sowie in Las Vegas im Mirage auf der Bühne stand. Die ganze Performance, die Ausstrahlung des Künstlers: "Das war die beste Inszenierung, die ich seit Hunderten von Jahren gesehen habe", findet Dieter.
Zwischendurch fasst sich der Zuschauer aber immer mal wieder an den Kopf, etwa wenn so eine arme Omi einen Song von Céline Dion zersingt und aus Mitleid in die nächste Runde gelassen wird. Bei aller Liebe, aber damit ist doch der Omi nicht geholfen! Dass die da überhaupt auftreten darf!
"Das Beste war deine Stimme"
Freuen kann man sich über die "Dry Dudes", zwei coole Typen, die gute Musik machen. Sänger Erwin Holl hat den Song "Orange House" für seine Großeltern geschrieben. Erinnert zwar alles ein bisschen an "Ed Sheeran", ist aber nicht weniger berührend. "Das Beste war deine Stimme", so der Poptitan lobend.
Wir schauen fasziniert einem "Strongman" aus der Mongolei dabei zu, wie er erst einen Balken auf seinen Schultern dreht und schließlich Bruce und Dieter auf eben diesen Schultern plötzlich Kettenkarussell fahren, oder lauschen einer Pianistin aus Sibirien bei ihrem Spiel auf der Maultrommel. "Kennst du Scooter?", will Dieter von der Musikerin (Olena Podluzhnaia) wissen und ergänzt: "Wenn der die Nummer hören würde, würde der die sofort klauen".
Die Frage aber, was denn nun wirklich ein Talent ist, liegt wohl im Auge des Betrachters. Die Südafrikanerin Emiria Morihata beispielsweise kann sich sehr gut verbiegen. Sie trägt auch sehr schöne Unterwäsche und wedelt vor Dieters Gesicht mutig mit ihren Füßen herum. Aber was an der "speziellen Massagetechnik" nun so speziell sein soll, erschließt sich dem Zuschauer nicht. Bohlen liegt auf einer Massageliege, über ihm turnt eine halbnackte Dame – für Dieter sicher super, aber für den Rest? Und ob "die Massagistin" so die Verspannung aus dem gestressten Körper des Kunden kriegt, bleibt fraglich.
Tanztalent Andreas foppt alle
Und dann kommt er: Andreas Maintz. 36 Jahre alt, Bäcker mit einem Faible für "süße Teilchen". Sein Gewicht kann er unter dem Shirt und der weiten Jogginghose nicht kaschieren. Er sagt, er sei seit Kurzem Tänzer. Die Jury: schon mit zwei Fingern auf dem roten Buzzer. Doch dann legt der Bäcker los und – foppt alle! Nach nur wenigen Tanzschritten zeigt er, was in ihm steckt und dieses Tanztalent kann sich durchaus sehen lassen. Tolle Moves inklusive Bodenwellen trotz mächtigem Bauch. Sylvie und Dieter sind von den Socken, das Publikum springt von den Stühlen und Bruce? Der bricht kurzerhand in Tränen aus und schenkt dem tanzenden Bäcker das Direktticket ins Finale.
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Man sieht den Leuten selten an, was sie draufhaben. Den einen hält man ob seiner Optik für einen begnadeten Sänger, stattdessen futtert er nur für sein Leben gern Kakteen, der andere tanzt mit mehr als hundert Kilo auf der Wage leicht wie eine Feder. So schön kann Irren sein.
- "Das Supertalent"-Sendung vom 15. September 2018